Die von 1914
Er war das wahrhaftigste Gedächtnis des Ersten Weltkrieges, ein verwundeter Künstler, ein treuer Zeuge, ein Dichter und Schriftsteller und ein guter Mensch. Der Franzose Maurice Genevoix, dessen sterbliche Überreste heute am Tag der Armistice in das Panthéon in Paris, die nationale Ruhmeshalle Frankreichs, überführt werden, schildert in seinen Büchern ganz nüchtern und präzise den Alltag an der Front. Er erzählt von Hunger, Verwundung und Tod, er legt Zeugnis ab von Freundschaft, Verantwortung und Zusammenhalt. Dabei kleidet der Schriftsteller die verzweifelten Schreie seiner Kriegsgefährten aus schlaflosen Nächten in passende Worte. Er beschreibt auch ihre sich nach und nach erschöpfende Vitalität, ebenso wie ihre unerwarteten Ausbrüche vergänglicher Fröhlichkeit. Warum hat er das getan? Weil er sich in den Dienst namenloser Soldaten gestellt hat, die an den Ufern von Somme, Meuse und Marne dasselbe durchlebt haben wie er selbst.
Verwundet und verstümmelt kehrt Maurice Genevoix von der Front zurück und heilt sein eigenes körperliches und seelisches Trauma, indem er schreibt. Die unermessliche Kriegsmaschinerie des Ersten Weltkrieges hat seine Gefährten und Feinde im blutigen Boden der Meuse zermalmt, ihn aber verschont. Das hat ihn bis ins Tiefste seiner Seele geprellt. Und deshalb kann er nicht anders, als darüber zu sprechen und zu schreiben. Nach dem Krieg besuchen die Toten ihn, und er wehrt sich gegen die erschreckende Gleichgültigkeit, mit der die Opfer dieses Krieges sehr schnell vergessen sind. Mit seinem Werk „Ceux de 14“schenkt er ihnen ein literarisches Monument und gibt ihnen auch ein Teil ihres verlorenen Lebens zurück – Trauer, Erinnerung, das Niemals-Vergessen.
Die Schönheit seiner Sprache und seine unermüdliche Beschwörungskraft dieses fernen Krieges berühren zutiefst. Dabei verfällt seine Schrift zu keinem Moment einem falschen Pathos, und Maurice Genevoix ergibt sich auch nie dem Chauvinismus der damaligen Zeit. Mit seiner Literatur zeichnet er das Gesicht eines Krieges, vor allem aber das Antlitz der Menschen in diesem Krieg. Das Bild, das er von seinen Feinden an der Front erstellt, zeigt sehr wohl deren Niedrigkeit, aber auch deren Größe, – in seinen Schriften sind es stets Mitmenschen.
Obwohl große Namen des französischen Fernsehens, Jacques Chancel und Bernard Pivot, um nur die beiden zu nennen, Maurice Genevoix immer wieder vor die Kamera einladen, und obwohl der Schriftsteller nach seinem Tod im Jahr 1980 Anspruch auf ein Staatsbegräbnis im Ehrenhof des Hôtel des Invalides in Paris hat, wird dieser Zeuge der „Grande Guerre“dennoch von vielen Schaufeln des Vergessens begraben.
An diesem 11. November bekommt Maurice Genevoix seinen berechtigten Platz im Panthéon. Das Wunderbare dabei aber ist, dass mit ihm auch all die Menschen, an die in seinen Büchern erinnert wird, nun ihre ewige Ruhe im Panthéon in Paris finden werden. Die Erinnerung, das Gedenken, das Nicht-Vergessen, all dies ist etwas sehr Heilvolles, es sind Gedenksteine der Geschichte, die den Menschen Kraft und Frieden schenken.
Mit Maurice Genevoix ziehen die Kriegsopfer ins Panthéon.