Luxemburger Wort

Klassenkam­pf oder Fische züchten?

Evo Morales kehrt per pedes nach Bolivien zurück

- Von Klaus Ehringfeld (Mexiko-Stadt)

Geflohen war er mit fliegenden Fahnen, Freunden und Vertrauten in einem Regierungs­flugzeug, das die Mexikaner vor knapp einem Jahr ins aufgewühlt­e Bolivien sandten. Nach mehr als 13 Jahren im Amt und einer letzten, vielleicht nicht ganz sauberen Wahl floh Evo Morales auf Druck von Polizei, Militär und einem wütenden Mob erst nach Mexiko und dann nach Argentinie­n.

Von dort kehrte er nun vergleichs­weise bescheiden zu Fuß und mit leichtem Gepäck in seine Heimat zurück. Argentinie­ns Staatschef Alberto Fernández begleitete Morales am Montag bis zur Grenze, und in Bolivien warteten bereits Hunderte Anhänger des noch immer populären ehemaligen indigenen Präsidente­n mit Fahnen und Musik. Morales wollte seine Rückkehr zu einem mehrtägige­n Triumphmar­sch per Autokorso nach Chimoré in Cochabamba ausbauen, von wo er am 11. November 2019 nach Mexiko geflogen war. In Cochabamba ist Morales noch Gewerkscha­ftschef und unbestritt­ener Herrscher. „Ich war immer sicher, dass wir zurückkehr­en, nur war ich nicht sicher, dass es so schnell gehen würde“.

Keine Sorge um Festnahme

Das hatte damit zu tun, dass sein Freund, Vertrauter und früherer Wirtschaft­sminister Luis Arce am Sonntag das Präsidente­namt übernommen hatte. Nun ist Morales „Bewegung zum Sozialismu­s“(MAS) nach nur einem Jahr in der Opposition wieder an der Macht. Und er selbst braucht vorerst keine Festnahme mehr zu fürchten, zumal kurz zuvor passend ein bestehende­r Haftbefehl von einem Gericht aufgehoben worden war.

Arce kann nicht gefallen, dass sein früherer Boss Morales so unverzügli­ch zurückgeke­hrt ist. Nicht einen Tag konnte er frei und ohne Erblast regieren. Zu extrem sind die Gefühle Morales gegenüber – tiefer Hass vor allem bei der weißen, im Tiefland lebenden Mittelund Oberschich­t. Und bedingungs­lose Verehrung bei den Kokabauern und der indigenen Mehrheit des kleinen und klammen Andenstaat­es. Der 61-Jährige erregt die Menschen mit seiner reinen Anwesenhei­t. Da braucht er gar nichts zu sagen.

Aber der von Macht und Gestaltung­swille besessene Ex-Präsident sprach in einer ersten Rede davon, dass man den Klassenkam­pf weiterführ­en müsse. In Argentinie­n hatte er Wochen zuvor noch ganz anders geklungen und gesagt, er werde sich wohl aufs Land zurückzieh­en und als Fischzücht­er arbeiten. Konflikte schüren mit seinen Gegnern oder seinen Kumpel Luis an der Macht zu überwachen habe er nicht vor. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt.

Arce hatte bereits nach seinem überzeugen­den und überrasche­nden Wahlsieg Mitte Oktober klar gemacht, dass sein früherer Förderer im Prinzip Willkommen sei, nur nicht in der Politik. „Er kann jederzeit ins Land zurückkehr­en, denn er ist Bolivianer. Aber wer Teil der Regierung sein wird und wer nicht, habe ich zu entscheide­n“. Damit bestätigte Arce eine im Wahlkampf bezogene Distanz zu Morales. „Wir haben durchaus Differenze­n mit Evo und werden anders regieren als er, näher dran an den sozialen Bewegungen und vor allem an der Jugend.“

Ich war immer sicher, dass wir zurückkehr­en. Evo Morales

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