Large Scale Testing, unser Alibi?
Unsere Covid-Kennzahlen sind katastrophal. Am 28. Oktober haben wir sogar Frankreich überholt. Aber ich möchte unsere Zahlen eher mit dem Nachbarland vergleichen, das ob seiner CoronaMaßnahmen am meisten gescholten wird, nämlich Deutschland. Erst mal einige Zahlen vom 29. Oktober pro 100 000 Einwohner für uns (L) und Deutschland (D): Infizierte insgesamt: (L) 2 617, (D) 610; Tote durch/mit Corona: (L) 24, (D) 12,5; Neuinfektionen: (L) 111,5, (D) 22,4; Inzidenzwert (sollte kleiner als 50 sein): (L) 643,2, (D) 104,9. Bei den Toten lässt sich nichts wegdiskutieren. Aber bei den Infektionen argumentieren alle, die Zahlen seien nur so hoch, weil wir so viel testen. Ja, wir testen wirklich vorbildlich. Aber wir sollten uns nicht damit brüsten. Es ist viel leichter, auf dem Weltmarkt Testsets für 625 000 Einwohner zu beschaffen, als für 83 Millionen. Das LST kostet uns viele Millionen Euro. Wofür? Natürlich nicht, damit wir in die Corona-Geschichte eingehen als die Testweltmeister. Sondern, weil wir die Neuinfektionen reduzieren wollen. Wenn wir dieses Ziel nicht hätten, wären die Millionen nutzlos verpulvert. Durch das LST erfassen wir Erkrankte, die noch keine Symptome verspüren und keinen Anlass haben, einen Arzt aufzusuchen. Diese Infizierte können wir isolieren, bevor sie weitere Leute angesteckt haben. Das bedeutet aber, dass wir nach einer gewissen Anlaufzeit durch das LST weniger Fälle haben, als ohne das LST. Dem kann man entgegenhalten, dass wir aber Fälle von Leuten haben, die sich ihrer Infektion gar nicht bewusst sind und nur über das LST entdeckt werden. Wie stark gehen nun diese Fälle in unsere Zahlen ein? Die Antwort findet man in den „Rapports journaliers“der Santé. Darin werden u.a. neben der Gesamtzahl der positiven Testergebnisse auch die davon durch das LST entdeckten Fälle aufgezeigt. Am 29. Oktober entfielen auf das LST 116 von 697 positiven Tests, am 28. Oktober waren es 97 von 774 positiven Tests. Über einen längeren Zeitraum gesehen entfallen auf das Large Scale Testing 9 bis 15 Prozent der positiven Testergebnisse. Das Large Scale Testing ist also nur für durchschnittlich ca. 13 Prozent der positiven Tests ursächlich. Das ist nicht viel, viel weniger als die Politik uns glauben machen möchte. Wenn man die ca. 13 Prozent durch das LST entdeckten positiven Ergebnisse von unseren Zahlen abzieht, sind sie immer noch extrem hoch. Deshalb finde ich es unverantwortlich von unseren Politikern, dass immer nur qualitativ argumentiert wird („wann déi aner géifen esou teste wéi mir, dann …“) und nicht quantitativ mit den Zahlen aus den „Rapports journaliers“. So entstand bei einem Großteil der Bevölkerung der Eindruck, dass die auf den ersten Blick so katastrophalen Zahlen gar nicht so katastrophal sind, weil man ja unsere vielen Tests berücksichtigen muss. Das verlockte sicherlich manche dazu, die Hygieneund Abstandregeln nicht so streng einzuhalten. Mein Fazit: Das Large Scale Testing ist nicht unser Alibi! Roby Kremer,
Esch/Alzette