Nun ist es an Europa seine Pflichten zu erfüllen
Warum Joe Biden bei den Nato-Verteidigungsausgaben nicht nachsichtig mit den Bündnispartnern sein darf
Die Erleichterung ist groß, besonders in Europa: Donald Trump wird die nächsten vier Jahre nicht Präsident der Vereinigten Staaten sein. Europäische Spitzenpolitiker konnten dem neuen Presidentelect Joe Biden und seiner Vizepräsidentin Kamala Harris nicht schnell genug gratulieren. Auch in den sozialen Medien überschlugen sich diesseits des Atlantiks die Glückwünsche an die Wahlgewinner und wechselten sich lediglich mit hämischen Kommentaren über den abgewählten Trump ab.
Das amerikanisch-europäische Verhältnis ist in den letzten vier Jahren merklich abgekühlt. Neben den von Trump angezettelten Handelskriegen hat vor allem seine unverhohlene Drohung, die Nato zu verlassen die langjährigen Partner entzweit. Immer wieder prangerte er Nato-Partner an, welche ihre finanziellen
Verpflichtungen nicht erfüllen. Die Nato-Staaten haben sich bereits vor Trump verpflichtet, bis 2024 rund zwei Prozent ihres BIP in die Verteidigung zu investieren, wobei dies rechtlich nicht verbindlich ist.
So soll der Vorwurf des europäischen Trittbrettfahrers entkräftet und die Abhängigkeit vom amerikanischen Schutzschirm reduziert werden. Nicht wenige fragten sich, ob die Trump-Regierung ihre Pflichten im sogenannten Bündnisfall einhalten und einem angegriffenen Mitgliedsstaat zur Hilfe eilen würde.
Bis dato erfüllen neben den USA (welche fast 3,5 Prozent des BIP in die Verteidigung investieren) lediglich sieben Nato-Staaten das Zwei-Prozent-Ziel. Luxemburg liegt bei gerade einmal 0,56 Prozent. Sogar das scheint vielen hierzulande noch zu hoch zu sein, angesichts der Reaktionen bei der Auslieferung des neuen Airbus A400M-Militärfliegers an die luxemburgische Armee Anfang Oktober. Um das Nato-Ziel zu erreichen, müsste Luxemburg seine jährlichen Verteidigungsausgaben um rund 900 Millionen Euro erhöhen.
US-Bürgern ist verständlicherweise nicht zu vermitteln, warum sie die Verteidigung der Europäer mitfinanzieren und dafür Abstriche bei Investitionen in Infrastruktur oder Gesundheitswesen in Kauf nehmen sollen. Es gilt daher als ausgemacht, dass auch Biden auf die Einhaltung des Zwei-Prozent-Ziels pochen wird.
Über 70 Millionen US-Bürger haben Trump ihre Stimme gegeben. Die Republikaner konnten ihren Rückhalt in wichtigen Wählergruppen wie Frauen, Latinos und Schwarzen vergrößern. Anders
als 2016 ist es nicht mehr nur der weiße, ungebildete Mann, welcher Trump gewählt hat.
Ein Präsident Biden, der in puncto Verteidigungsausgaben nachsichtig mit den Europäern ist, wird die Republikaner weiter stärken. Die Europäer dürfen sich nicht mehr hinter Versprechungen verstecken, ohne Taten folgen zu lassen. Das muss es Europa wert sein, um einen republikanischen (oder sogar Trumpschen?) Wahlsieg 2024 zu verhindern, nicht nur im amerikanischen, sondern besonders im eigenen Interesse. Zudem müssen die Europäer ihre Abhängigkeit von der US-Verteidigungspolitik reduzieren und ihr außenpolitisches Gewicht vergrößern.
Lou Linster, Vizepräsident Jonk Demokraten und Gemeinderat in Leudelingen