Europäische Filmpreis-Nominierungen
Mit „Collective“startet auch eine Luxemburger Koproduktion in die Endphase
Sevilla. Europa feiert sein Kino auch 2020 mit der Verleihung der „European Film Awards“. Aber es wird eine andere Feier werden als in all den Jahren davor, weil im Corona-Jahr 2020 nichts normal ist, erst recht nicht für die Kinobranche, die derzeit in vielen Ländern unter Lockdowns leidet.
Wie so viele andere Großveranstaltungen weicht auch die 33. Verleihung der Europäischen Filmpreise ins Internet aus: Statt einer Gala soll es eine Reihe von virtuellen Events geben, die unter dem Titel „EFAs at Eight“Nominierte und Gewinner der diesjährigen Trophäen hochleben lassen; Auftakt dazu ist am 8. Dezember um 20 Uhr; die Verleihungen werden auf der Website der Akademie gestreamt.
Welche Filme und Filmemacher dafür in den Kategorien „Bester Film“, „Bester Dokumentarfilm“, „Bester Kurzfilm“sowie für Regie, Schauspiel und Drehbuch in Frage kommen, hat die Europäische Filmakademie am Dienstag per Livestream aus Sevilla mit der Verkündung der Nominierungen bekannt gegeben.
Im Schatten der Pandemie
Es ist ein Jahrgang, der im Schatten der Pandemie steht: Weil den Filmen dieses Jahr nur eingeschränkt auf Festivals der rote Teppich ausgerollt werden konnte und weil Kino-Auswertungen durch Lockdowns, verschobene Starts und beschränkte Zuschauerzahlen gestört wurden, haben viele der Produktionen bisher weniger Aufmerksamkeit bekommen, als das wohl in anderen Jahren der Fall gewesen wäre – und als sie qualitativ verdienen.
Auch der bereits mit vielen Preisen, unter anderem beim Luxembourg City Film Festival, ausgezeichnete Dokumentarfilm „Collective“des deutsch-rumänischen Filmregisseurs Alexander Nanau, eine Luxemburger Koproduktion der Samsa Film, ist gestern nominiert worden und konkurriert neben sechs anderen Mitbestreitern um den Preis des besten Europäischen Dokumentarfilms 2020. Der Film erzählt, wie 2015 nach einem Brand im Bukarester Nachtclub Colectiv zunächst 27 Menschen ums Leben kamen und danach 37 weitere in rumänischen Krankenhäusern an Infektionen starben, obwohl sie längst außer Lebensgefahr waren. Schuld daran war der Einsatz von verdünnten Desinfektionsmitteln.
In die Königsklasse des Europäischen Filmpreises, dem Wettbewerb der besten Spielfilme, hat es leider keine Luxemburger Koproduktion geschafft. „Between Heaven and Earth“der palästinensischen Filmemacherin Najwa Najjar, die Koproduktion von Paul Thiltges Distribution, hat es nur bis in die Vorauswahl geschafft.
Favorit „Corpus Christi“
Ins Rennen geht unter anderem die Neuverfilmung von Alfred Döblins Klassiker „Berlin, Alexanderplatz“des deutschen Regisseurs Burhan Qurbani, die auch schon bei der Verleihung der Deutschen Filmpreise ausgezeichnet worden ist: Der Film geht um den Preis fürs beste Drehbuch ins Rennen – und in der „Königskategorie“als bester europäischer Film des Jahres. Noch ein zweiter deutscher Film hat es dorthin geschafft: Christian Petzolds „Undine“, der schwerelos zwischen Berliner Realität, Liebesdrama und Sagenstoff schwebt.
Die Konkurrenz ist stark: Zu den Anwärtern auf die Auszeichnung als bester Film des Jahres und zu den gestern am häufigsten nominierten Filmen gehört das polnische Drama „Corpus Christi“um einen jungen Hochstapler, der sich als katholischer Priester ausgibt und sich unerwartet als wahrer Seelenhirt entpuppt.
Dieser Film des polnischen Newcomers Jan Komasa lief beim Filmfestival CineEast 2019 in Luxemburg, der junge Regisseur muss nun aber unter anderem gegen Arthouse-Schwergewichte wie seine Landsfrau Agnieszka Holland, den Franzosen Francois Ozon und den Dänen Thomas Vinterberg antreten. Letzterem ist mit dem bitteren Alkohol-Drama „Druk“der Film gelungen, der neben „Corpus Christi“mit bisher vier Nominierungen ebenfalls als Favorit ins Rennen um die Europäischen Filmpreise geht.
„Druk“-Hauptdarsteller Mads Mikkelsen wiederum muss sich in der Kategorie „Bester Darsteller“gegen einen veritablen Hollywoodstar behaupten: Unter die Nominierten hat es neben ihm und renommierten europäischen Stars wie den Italienern Elio Germano und Luca Marinelli auch „Lord of the Rings“-Star Viggo Mortensen verschlagen: Er ist für seinen Part in „Falling“nominiert, den er auch selbst inszeniert hat, eine britisch-dänische Koproduktion.
Unter den Anwärterinnen auf den Darstellerinnen-Preis ist wiederum Paula Beer, die in Luxemburg besonders bekannt ist für ihre Rolle in der Serie „Bad Banks“, die nun aber für „Undine“nominiert wurde. KNA/mt