Der Kabelbinder und das Klebeband
Wiederaufnahme des Prozesses um den Mord an Ana Lopes im Januar 2017
Luxemburg. Was genau hat sich in der Nacht zum 16. Januar 2017 abgespielt und zum Tod der damals 25-jährigen Ana Lopes geführt, deren verkohlte Leiche in einem ausgebrannten Wagen im französischen Grenzort Roussy-le-Village gefunden worden war? Diese Frage bleibt auch nach der Wiederaufnahme des Prozesses gegen Marco B., den ehemaligen Freund des Opfers und Vater des gemeinsamen Kindes, der sich wegen Mordes vor der Kriminalkammer verantworten muss, unbeantwortet.
Nach der fast achtmonatigen, coronabedingten Unterbrechung diente die gestrige Sitzung nämlich vor allem dazu, wieder an das Geschehen anzuknüpfen. So hatten, wie bereits in der ersten Verhandlungswoche im März, die Ermittler der Kriminalpolizei das Wort und konnten einige Punkte weiter vertiefen.
Spuren in Bonneweg
Ein wichtiger Hinweis geht etwa erst vier Tage nach der Tat bei der Polizei ein. Damals hat die Schwester des Opfers in einer Passage zwischen zwei Häusern in Luxemburg-Bonneweg in unmittelbarer Nähe des Hauses, in dem Ana Lopes lebte, durch Zufall eine Tüte eben jenes Fastfood-Restaurants gefunden, in dem die junge Frau vor ihrem Verschwinden etwas zum Essen holen wollte. Ein Kassenbon bestätigt, dass sich in der Tüte das bestellte Essen befunden hat.
Vor Ort findet der Mess- und Erkennungsdienst weitere Spuren, die auf eine Gewalttat gegen Ana Lopes hindeuten. Sowohl an der Mauer als auch am Boden und an zwei abgestellten Fahrzeugen befinden sich Blutspritzer und eine Blutlache. Das Blut stammt von Ana Lopes. Weiter befindet sich am Tatort ein fast 72 Zentimeter langes Stück Kabelbinder.
Genau dieses wird den Verdacht gegen Marco B. erhärten. Denn es handelt sich nicht um einen Kabelbinder, den man in jedem Baumarkt beziehen kann, sondern um ein Produkt, das in Luxemburg nur recht selten im Umlauf ist. Eine bereits geöffnete Packung eben dieses Kabelbinders wird dann aber bei einer Durchsuchung im Lager der Werkstatt, in der der Angeklagte arbeitet, sowie in einem Kastenwagen der Firma gefunden.
Es ist nur eines von mehreren Indizien, die die Ermittler hellhörig werden lassen. Denn in dem Lager befindet sich auch eine Rolle eines in Luxemburg ebenso seltenen Klebebandes. Und Klebeband dieser Marke, die in Luxemburg nur von zwei Händlern vertrieben wird, wird auch in Roussy-le-Village bei dem ausgebrannten Fahrzeug gefunden – mit DNS-Spuren des Opfers.
Gegen Marco B. spricht weiter, dass sein Handy am Nachmittag nach der Tat in unmittelbarer Umgebung des französischen Tatorts geortet wird. Für die Tatnacht selbst sind die Handydaten nicht aufschlussreich: Der Beschuldigte hatte sein Telefon aller Wahrscheinlichkeit nach von 23 bis 6 Uhr in seinem Fahrzeug in Bonneweg zurückgelassen.
Der Prozess wird heute fortgesetzt. Dann soll eine DNS-Expertin vor Gericht aussagen.