Der Traum lebt weiter
Museldall-Spielerin Ewa Pietrasik liebt Handball, daran ändern auch zwei Kreuzbandrisse nichts
Seit knapp zwei Monaten hat Ewa Pietrasik den Führerschein. Sie bestand die Prüfung kurz nach ihrem 18. Geburtstag. Das macht ihr Leben und vor allem das ihrer Eltern, die sie bisher überall hinfuhren, ein bisschen einfacher. Denn die Handballspielerin hat wegen ihres Sports viele Termine. „Sport ist ein großer Teil meines Lebens. Ich verbringe fast meine ganze Freizeit damit. Wenn ich nicht in der Halle bin, bin ich im Fitnessstudio oder beim Training draußen“, erzählt sie. Meistens trainiert sie gern.
In dieser Saison der Axa League sind ihre Wege noch etwas weiter geworden. Pietrasik, die in Bissen wohnt und in Diekirch zur Schule geht, spielt nun für den HB Museldall in Grevenmacher, nach sechs Spielzeiten beim CHEV Diekirch. Es ist ein Neuanfang für sie. Aber damit hat sie Erfahrung.
Sie hat trotz ihres jugendlichen Alters schon zwei Mal wieder bei null beginnen müssen. Sie erlitt zwei Kreuzbandrisse innerhalb kurzer Zeit und kämpfte sich jedes Mal zurück. Im Januar 2018 verletzte sie sich in der Ligapartie gegen Standard am linken Knie. Erst am Ende der darauffolgenden Saison kehrte sie zurück ins Spiel mit Kontakt. Sie musste geduldig sein, was ihr nicht leicht fiel.
„Die Reha war für mich sehr schwer“, sagt sie. Doch kurz danach, beim Diekircher Jugendturnier, kam die nächste Kreuzbandblessur, diesmal rechts. „Das war noch härter. Denn ich wusste ja, was auf mich zukommen würde – lange auf der Bank sitzen und den Teamkolleginnen beim Spielen zusehen.“
Das Ziel lautet Bundesliga
Hat sie sich vielleicht zu viel zugemutet? Eindeutig erklären, lässt sich die schnelle Abfolge der Verletzungen nicht. „Ich habe noch länger Pause gemacht als üblich“, betont Pietrasik. Ihre Eltern und die Physiotherapeutin, CHEVTeamkollegin Jill Zeimetz, haben sie gebremst, wenn Ewa zurück aufs Spielfeld drängte. Da Zeimetz die Belastungen im Handball genau kennt, habe sie ihr besonders gut helfen und im Training exakt sagen können, wie viel möglich sei, so Pietrasik.
Die junge Spielerin vermutet, dass die zweite Blessur dadurch begünstigt wurde, dass sie ein paar Wochen nach dem Ende der Ligasaison nicht mehr in absoluter Hochform war. Genetisch habe sie zudem aufgrund ihrer Beinstellung ein erhöhtes Risiko für Kreuzbandrisse. „Meine Beine sind zu gerade, die Knie zu sehr durchgestreckt. Das habe ich von meinem Vater geerbt“, berichtet sie.
Die Verletzungen haben der Sportlerin Chancen verbaut. Pietrasik war mit 16 Jahren in die U18Nationalmannschaft Polens, dem Heimatland ihrer Eltern Grzegorz und Katarzyna, berufen worden. Der Vater war dort erfolgreicher Handballer gewesen. Ewa, die den luxemburgischen und den polnischen Pass hat, schaffte es nach dem Probetraining direkt in die Mannschaft.
Während der verletzungsbedingten Pausen wechselten die Nationaltrainer. Um sich wieder zu empfehlen, müsste sie erneut ins Probetraining.
Doch der Traum von der Nationalmannschaft lebt weiter. „Ich möchte es erneut versuchen“, so Pietrasik. Sie möchte langfristig auch gerne auf Vereinsebene professioneller spielen. Pietrasik strebt nach dem Abitur im nächsten Schuljahr ein Sportstudium in Deutschland an. Dann möchte sie in die Bundesliga.
Handballbegeisterte Familie
Ihre Teamkollegin und langjährige Freundin Anaïs Huberty weiß, wie zielstrebig die Mitspielerin ist.
Nach sechs Saisons in Diekirch läuft Ewa Pietrasik nun für Grevenmacher auf.
„Im Eins-gegen-Eins gibt sie nie auf. Ewa ist als Kollegin nicht egoistisch, aber sie will immer gewinnen“, meint Huberty. Die beiden, die als Kinder in Mersch mit dem Handball begannen und immer zusammen in einer Mannschaft waren, sind sehr engagiert. Nach den Einheiten mit dem Team in Grevenmacher bleiben sie oft länger und üben Würfe.
Pietrasiks gesamte Familie ist handballbegeistert. Ihr älterer Bruder Ariel spielt in Berchem. Beide Eltern waren Spieler und Trainer. Trotzdem wurde sie nie zu etwas gedrängt. Ewa liebt Handball. Auch in den schlimmsten Momenten nach den Verletzungen habe sie nicht ans Aufhören gedacht, versichert sie: „Es macht mir einfach zu viel Spaß. Wenn ich am Ball bin, kann ich alles Negative ausschalten, auch wenn ich vorher schlechte Laune hatte.“
Meist war die Mutter ihre Trainerin, was die Schülerin als Vorteil empfand. „Meine Eltern unterstützen mich immer. Ich finde das sehr wichtig“, sagt sie. Zu Beginn der vergangenen Saison trennte sich Diekirch von Coach Katarzyna Pietrasik, Ewa war dort weiter Spielerin. „Nicht korrekt“fand die Tochter den Wechsel. Sie gewann mit Diekirch den Pokal und damit den ersten Titel für den Club seit 2012. Nach der Saison verlängerte sie ihren Vertrag nicht.
In Grevenmacher formte die neue Trainerin Maja Zrnec mit mehreren Neuzugängen eine
Mannschaft. Die Vorbereitung war hart und Museldall schlug sich auf Anhieb besser als erwartet. „Maja ist eine strenge Trainerin, aber das finde ich gut“, meint Pietrasik. „Ewa ist eine sehr talentierte Spielerin, sie trainiert sehr gerne und gut. Sie hat einen starken Wurf und einen starken Willen, zu spielen“, lobt Zrnec. Auf dem Weg zur Topspielerin müsse sie aber noch viel lernen und – „das ist das Wichtigste“– verletzungsfrei bleiben.
Wenn ich am Ball bin, kann ich alles Negative ausschalten, auch wenn ich vorher schlechte Laune hatte. Ewa Pietrasik
Überraschend holte ihr Team zuletzt einen Punkt gegen Düdelingen, in der Tabelle belegt Museldall zusammen mit dem Mitfavoriten den dritten Platz. Die coronabedingte Pause kam für die Mannschaft zur Unzeit. Pietrasik bedauert die Entscheidung des Verbandes, bis Januar auszusetzen. „Es ist sehr schade. Wir waren dabei, uns gut einzuspielen. Im Januar müssen wir wieder bei null beginnen.“Immerhin – damit kennt sie sich aus.