Nur ein blaues Auge
Aus dem Kapitel zur Covid-Bekämpfung im OECD-Bericht „Health at a Glance: Europe 2020“geht deutlich hervor, dass überall in Europa mit Wasser gekocht wurde, sich überall dieselben Tendenzen gezeigt haben und mehr oder weniger dieselben Maßnahmen ergriffen wurden – manche früher, manche später. In diesem europäischen Vergleich hat sich Luxemburg in der Pandemie recht gut geschlagen: Die Infiziertenzahlen waren und sind zwar hoch, es verstarben aber im Verhältnis nicht so viele Menschen wie in anderen Ländern an Covid-19. Und auch bei den einschneidenden Maßnahmen wurde in Luxemburg lange nicht so hart durchgegriffen wie in anderen Ländern. Die Grundund Sekundarschulen waren weit kürzer geschlossen, der Lockdown für die Geschäfte und Restaurants dauerte nicht so lange. Der wirtschaftliche Einbruch hält sich demnach bislang vergleichsweise in Grenzen.
Zu verdanken hat man es auch dem Umstand, dass Luxemburg aufgrund der hohen Immigration eine mit einem Durchschnittsalter von 39,7 Jahren sehr junge und damit widerstandsfähige Bevölkerungsstruktur hat. Und es wurde ein starker Akzent darauf gelegt, dass sich die wirtschaftlichen Einbußen in Grenzen halten. So führte beispielsweise Island gleich am Beginn der Pandemie im März ein Large Scale Testing durch, um die Verbreitung des Virus in den Griff zu bekommen. Luxemburg begann sein Large Scale Testing Ende Mai, um die frühe Wieder-Lockerung der Beschränkungsmaßnahmen und damit die Ankurbelung der Wirtschaft zu begleiten.
Dennoch werden die finanziellen Folgen das Land noch lange beschäftigen. Die Mär vom Absacken der Wirtschaft und der schnellen Erholung, die schlussendlich lediglich ein Null-Wachstum über zwei Jahre bedeutet, auf der der Staatshaushalt 2021 beruht, ist nur ein Teil der Wahrheit. Auch wenn der Wirtschaftseinbruch noch überschaubar bleibt, so sind die Kosten der Pandemie-Hilfsmaßnahmen für die Betriebe und die sozialen Begleitmaßnahmen enorm. „Es kostet, was es kostet“, ist Premierminister Xavier Bettels (DP) Devise, wenn es um diese Hilfsgelder geht. Das mag die richtige Strategie sein, um langfristige Folgekosten zu vermeiden. Man sollte aber nicht vergessen, dass die Staatsverschuldung infolge der Finanzkrise 2008 von gut acht Prozent des BIP auf über 23 Prozent anstieg, die Covid-19-Krise wird sie möglicherweise über die 30-Prozent-Marke hinaus treiben. Auch wenn nun Impfstoffe in Aussicht stehen, der Klimawandel, die Umweltverschmutzung und der Verlust an Biodiversität sind die nächsten Krisen, die schon vor der Tür stehen und bereits jetzt nach starken Aktionen verlangen. Von einer neuerlichen Pandemie, die jederzeit möglich ist, ganz zu schweigen. Es ist beklagenswert, dass wieder erst Menschen sterben müssen, bevor bewusst wird, dass gesunde Wirtschaftssysteme nach gesunden Menschen verlangen – und umgekehrt. Dass gesundes Leben und Wirtschaften ohne gesunde Lebensgrundlagen nicht möglich sind. Wenn jetzt nicht die Gelegenheit genutzt wird, über ein nachhaltigeres Wachstum zu diskutieren, wann dann?
Gesundes Wirtschaften verlangt nach gesunden Menschen.
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