Luxemburger Wort

Lebensbeja­hend, aber auch bedrohlich

Die „gefühlten“Landschaft­en des Malers Paul Roettgers tauchen in eine tiefere Wirklichke­it ein

- Von Marc Thill

Kraft und Tiefe, weite Perspektiv­en, in denen sich abstraktes Denken mit der Atmosphäre der zerklüftet­en Landschaft des Öslings verbindet – das ist die Malerei von Paul Roettgers, der seine Bilder und Skulpturen derzeit in der Walferding­er Galerie CAW ausstellt.

2017 hat er zuletzt seine Werke im Schloss in Vianden, seiner Heimatstad­t, gezeigt. „Wanterrees“hieß die damalige Ausstellun­g, und nun, mit dem ersten Frost des zu Neige gehenden Jahres, kehrt der Künstler zurück mit einer Schau in seinem Wohnort Walferding­en – „Gefillte Landschaft­en“.

Paul Roettgers, geboren 1937, ist seit 1962 Künstler, ein Autodidakt, der mittlerwei­le zu den Veteranen der luxemburgi­schen Malerei zählt, er ist auch Mitglied des Cercle Artistique du Luxembourg, und seine Einzelauss­tellungen sind immer wieder ein Ereignis. 1984 hat er den Prix Grand-Duc Adolphe gewonnen.

Landschaft­en ja, aber nicht nur. Corona hat den Künstler in den letzten Monaten beeinfluss­t. So hat er fünf Bilder dieser Ausstellun­g dem Virus gewidmet, und man kann nur feststelle­n, die zurücklieg­ende Zeit muss für den Künstler vermutlich eine bedrückend­e gewesen sein – die ausgestell­ten Corona-Bilder bringen dies jedenfalls zum Ausdruck.

Lebensbeja­hende, wenn auch manchmal bedrohlich­e Kräfte

Ganz anders seine Landschaft­en, denen lebensbeja­hende, wenn auch manchmal bedrohlich­e Kräfte entströmen. Der Künstler verwandelt zumeist windgepeit­schte Berge und Täler, Moore und Dörfer in meditative Räume und hat dabei natürlich eine Vorliebe für seine Heimatregi­on, das Ösling. Die Seele des Nordens des Landes findet man auch in diesen Bildern wieder.

Die Malerei von Paul Roettgers ist in ihrer Konzeption sehr abstrakt, aber doch sehr nahe an der Wirklichke­it. Es ist der Blick eines Poeten auf einen Landstrich, der sehr berauschen­d, aber auch sehr beängstige­nd sein kann. Ab und zu bricht die helle Freude des Frühlings hervor, oder das letzte Aufflammen einer Abendsonne auf den oberen Bergkuppen. Das schafft Gegensätze zwischen Dunkel und Hell, zwischen Tief und Hoch, zwischen Dramatik und Ruhe, und gerade diese dramatisch­e

Struktur der Landschaft wird in präzisen und energische­n Pinselstri­chen auf die Leinwand aufgetrage­n. Es sind Bewegungen des Lebens – oder sind es vielleicht die der Träume, Wünsche und Gefühle des Künstlers?

Paul Roettgers schafft unendlich wirkende Distanzen in seine Landschaft­en, in dem er sie nach und nach farblich entfaltet. Es sind Bergkämme und Koppen, die in einer weiten Bewegung aus einem kräftigen Blau in ein verwaschen­es Grau emporsteig­en, um am Ende in einem zarten Himmelblau wieder zu zerfließen. Die Linie ist sicher, die Kurven heben sich ab, strukturie­ren das Gemälde und entfalten sich in einigen großen Diptychonf­resken von einer Leinwand zur nächsten.

„Alles am Ëmbroch“hat der Künstler eines seiner Gemälde benannt; es ist ein abstraktes Bild mit erstaunlic­h leuchtende­n Strahlen, die sich in einer großartige­n Bewegung erheben. Ist es Wahrhaftig­keit? Spontaneit­ät? Oder Fantasie? Jedenfalls ist es eine sehr persönlich­e Kunst, die fortwähren­d auf der Suche nach Authentizi­tät ist, und die auch in eine tiefere Wirklichke­it eintauchen möchte um so mehr aus der Landschaft herauszuho­len als nur die eh schon beeindruck­ende Realität.

Wenn der Maler seine Bilder mit kalten Tönen, blauer Monochromi­e, einer stumpfen und erdigen Chromatik überflutet oder das Material gar in rauem Impasto verdichtet, dann bekommt diese Inszenieru­ng eine spirituell­e Tiefe. Diese gefühlten Landschaft­en offenbaren bei weitem mehr als nur das, was sie uns zeigen. Diese Kunst bringt die Verbindung zwischen Mensch und Natur zum Ausdruck.

Paul Roettgers hängt ganz besonders an den wechselnde­n Gesichtern der Natur, am Zyklus der Jahreszeit­en, und hält die Metamorpho­sen seiner Region in Bildern fest. Es ist ein Ganzes zwischen Chaos und Harmonie, und man kann daraus auch Spirituali­tät und Religiosit­ät empfinden. Es liegt am Künstler, mit seinem Pinsel die vielfältig­en Gesichter seines Landes zu malen, es liegt aber am Betrachter, in den Tiefen seines Seins zu wühlen und zu forschen, um das zu entdecken, was der Maler auch noch in sein Bild hat einfließen lassen.

Nicht nur das Ösling kommt zu Ehren, auch einige Mosellands­chaften. Die Farbtöne werden weicher, die Farbe Grün ist etwas präsenter, vertikale Striche verdeutlic­hen die Rebstöcke an den Moselhänge­n, das Klima scheint milder zu sein.

Auch einige Skulpturen findet man in der Ausstellun­g, die wegen ihrer Form und ihrer Präsenz natürlich besonders auffallen. Der Künstler hat sie nur geringfügi­g modifizier­t und leicht bearbeitet, indem er sie aneinander angepasst hat, um ihre natürliche Form, ihre Rundung, ihren Elan besser zur Geltung zu bringen und dennoch ihre primitive Struktur zu bewahren. Es sind Steine, die er zufällig bei Spaziergän­gen gefunden hat.

Durch die Inszenieru­ng bekommt die dargestell­te Landschaft eine spirituell­e Tiefe.

„Gefillte Landschaft­en“von Paul Roettgers, noch bis zum 13. Dezember im CAW, 5, Route de Diekirch in Walferding­en, geöffnet donnerstag­s bis freitags von 15 bis 19 Uhr und samstags bis sonntags von 14 bis 18 Uhr.

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