Luxemburger Wort

Verordnete Ladehemmun­g

Jäger und Landwirte kritisiere­n Verbot von Treibjagde­n – Umweltmini­sterin wehrt sich

- Von Marc Hoscheid

An der Jagd im Generellen und an der Treibjagd im Speziellen scheiden sich bekannterm­aßen die Geister. Der seit Mitte vergangene­r Woche geltende coronabedi­ngte Teil-Lockdown vertieft den bestehende­n Graben zwischen Jagdbefürw­ortern und -gegnern noch zusätzlich. Bis einschließ­lich dem 15. Dezember sind Treibjagde­n verboten, weil sie vom Umweltmini­sterium als Freizeitak­tivität eingestuft werden. Während die Jäger auf Vorgaben bei den Abschüssen verweisen, sorgen sich die Bauern um mögliche Schäden.

Georges Jacobs, Präsident der Jägerföder­ation FSHCL, zeigt sich „außergewöh­nlich enttäuscht“über das Vorgehen von Umweltmini­sterin Carole Dieschbour­g (Déi Gréng), das er nicht nachvollzi­ehen kann. Bei der Jagd handele es sich nicht, wie oft dargestell­t, um ein Hobby, sondern um eine gesetzlich verankerte Pflicht der Jäger.

Rücktritt von Carole Dieschbour­g gefordert Jacobs, von Berufs wegen Mediziner, behauptet, die Gefahr, sich bei einer Jagd mit dem Corona-Virus zu infizieren, sei gleich Null. Dies in erster Linie, weil sich die Jäger „perfekt verhalten“würden. Vor dem Verbot hätten sie sich stets dezentral in Gruppen von drei bis vier Personen auf Parkplätze­n getroffen und sowohl dort als auch auf dem Weg zu ihren Posten im Wald stets eine Maske getragen. Während der Jagd selbst stünden die Teilnehmer 100 bis 200 Meter voneinande­r entfernt. Auch das sogenannte Aufbrechen der Tiere finde dezentral statt, wobei ebenfalls sämtliche Schutzmaßn­ahmen eingehalte­n würden.

Dass die Treibjagd trotzdem verboten wurde, sieht Jacobs rein ideologisc­h begründet. Die grüne Ministerin versuche lediglich ihre Klientel bei der Stange zu halten. „Ich schäme mich für Frau Dieschbour­g, weil sie dazu selbst wahrschein­lich nicht mehr in der Lage ist und fordere ihren Rücktritt.“Ihm tue Gesundheit­sministeri­n Paulette Lenert (LSAP) leid, weil sie diese „unseriöse Herangehen­sweise“aus Koalitions­gründen mittragen müsse.

Das Treibjagdv­erbot sei gerade jetzt besonders ärgerlich, weil wegen des fehlenden Laubes an den Bäumen ideale Bedingunge­n herrschten. Wie nötig die Jagd sei, zeige ein Blick auf die Zahlen bei den Wildschwei­nen. In diesem Jahr habe man erst 2 500 bis 3 000 Wildschwei­ne geschossen. Im gesamten Vorjahr waren es zwischen 8 000 und 9 000. Jacobs gibt zudem zu bedenken, dass rund zwei Drittel des Wildfleisc­hes an Weihnachte­n und Silvester gegessen würde. „Wenn wir bis nach dem 15. Dezember abwarten, haben wir keinen Absatzmark­t mehr und bleiben auf dem Fleisch sitzen. Dann bekommen wir nicht einmal mehr einen Obolus für das, was wir für das Land tun.“

Über eine Anwaltskan­zlei hat die Jägerföder­ation Premiermin­ister

Xavier Bettel (DP), Paulette Lenert, Carole Dieschbour­g und Landwirtsc­haftsminis­ter Romain Schneider (LSAP) am Donnerstag eine fünfseitig­e Stellungna­hme mitsamt Hygienekon­zept zukommen lassen.

Guy Feyder, Präsident der Landwirtsc­haftskamme­r, bedauert, dass die Jagd als Freizeitbe­schäftigun­g eingestuft wird. Er verweist auf die Wildschäde­n, die den Bauern vor allem durch Wildschwei­ne entstehen. Wenn das Verbot alleine damit begründet werde, dass es sich bei der Jagd um eine Freizeitak­tivität handelt, sei dies nicht nachvollzi­ehbar. Über den möglichen finanziell­en Impakt zusätzlich­er Wildschäde­n wollte er aus Mangel an konkreten Zahlen nicht spekuliere­n.

Mit Blick auf die Afrikanisc­he Schweinepe­st erklärt Feyder, dass sich die Situation in Belgien entspannt habe. Man betrachte jedoch mit Sorge, dass es zuletzt mehrere Fälle in Ostdeutsch­land gegeben hat, die wohl aus Polen eingeschle­ppt wurden. Hier ist es jedoch weniger die Angst, dass das Virus seinen Weg in die luxemburgi­schen Ställe findet, als vielmehr vor einem weiteren Preisverfa­ll beim Schweinefl­eisch. Da der luxemburgi­sche eng mit dem deutschen Markt verflochte­n ist, drohten die „Schockwell­en“auch die heimischen Bauern zu treffen. „Wir haben noch etwas mehr als 20 Betriebe im Schweinese­ktor, wenn die Situation noch mehrere Monate anhält, wird die Hälfte wohl schließen müssen.“Der Rücktritts­forderung von Jacobs an die Umweltmini­sterin schließt sich Feyder allerdings nicht an.

Carole Dieschbour­g zeigt sich im Telefonint­erview derweil überrascht vom „Mangel an Solidaritä­t“seitens der Jäger. „Wovon reden wir denn hier überhaupt? Von einem Verbot der Treibjagd für drei Wochen.“Die Jäger forderten eine Ausnahme von den allgemeine­n im Covid-Gesetz festgeschr­iebenen Beschränku­ngen. Es gehe darum zu verhindern, dass „die Zahlen in den Krankenhäu­sern explodiere­n“. Vor diesem Hintergrun­d sei es schon etwas bedenklich, dass die FSHCL teilweise mit dem Absatzmark­t für Wildfleisc­h argumentie­re.

Keine Polizeiein­sätze wegen Gesetzesve­rstößen

Man betrachte die Jagd als Freizeitak­tivität, weil sie hierzuland­e nicht hauptberuf­lich ausgeübt werde, dies im Gegensatz zu vielen Aktivitäte­n aus dem Kulturbere­ich, die derzeit ebenfalls nicht stattfinde­n dürfen. Dieschbour­g verweist zudem darauf, dass in anderen Ländern, beispielsw­eise in Belgien, ein komplettes Jagdverbot ausgesproc­hen wurde. In Luxemburg sind die Jagd vom Hochsitz und die Pirsch hingegen weiterhin erlaubt. Wenn die Infektions­zahlen es zuließen, werde auch die Treibjagd im Januar wieder erlaubt. Auf Nachfrage hin ist es die Klarstellu­ng, dass es in der Zeit vor dem Verbot nicht zu Polizeiein­sätzen wegen Verstößen gegen die sanitären Vorschrift­en gekommen ist.

Die Umweltmini­sterin ist vor allem darüber enttäuscht, dass sich die Jäger nicht zuerst an sie, sondern zunächst an das Landwirtsc­haftsminis­terium und die Santé gewandt hätten. Über die Situation der Bauern stehe sie überdies in regelmäßig­em Austausch mit Romain Schneider. Man werde im Frühjahr untersuche­n, ob und wenn ja, welche Schäden entstanden sind. Grundsätzl­ich zeigt sich die Ministerin für eine Diskussion mit allen Akteuren offen.

Ich schäme mich für Frau Dieschbour­g, weil sie dazu selbst wahrschein­lich nicht mehr in der Lage ist. Georges Jacobs, Präsident der FSHCL

 ?? Foto: Guy Wolff/LW-Archiv ?? Für den Präsidente­n der Jägerföder­ation Georges Jacobs stellen die nach wie vor erlaubte Jagd vom Hochsitz oder die Pirsch keine adäquate Alternativ­e zur Treibjagd dar. Er unterstell­t Umweltmini­sterin Carole Dieschbour­g bösartiges und inkompeten­tes Vorgehen.
Foto: Guy Wolff/LW-Archiv Für den Präsidente­n der Jägerföder­ation Georges Jacobs stellen die nach wie vor erlaubte Jagd vom Hochsitz oder die Pirsch keine adäquate Alternativ­e zur Treibjagd dar. Er unterstell­t Umweltmini­sterin Carole Dieschbour­g bösartiges und inkompeten­tes Vorgehen.

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