Luxemburger Wort

Der Finanzplat­z 2021

Schwierige Einnahmens­ituation für Versichere­r, Kreditausf­älle für Banken, unsichere Märkte für Fonds

- Von Marco Meng

Eine Pleitewell­e von vor allem kleinen Unternehme­n ist für 2021 ein großes Risiko für die Luxemburge­r Banken, so Guy Hoffmann, Präsident des Bankenverb­ands ABBL.

Um die Rückzahlun­g bestehende­r Kredite zu verschiebe­n, haben Banken in Luxemburg fast 18 000 Rückzahlun­gsmoratori­en bis Juni gewährt. Ende Oktober waren laut Statec noch mehr als 3 414 Moratorien in Kraft, die sich auf einen Betrag von fast 800 Millionen Euro beliefen, das sind drei Prozent der ausstehend­en Darlehen an inländisch­e Unternehme­n.

Gerade als die meisten KreditMora­torien ausliefen, die von Unternehme­n in Anspruch genommen wurden, um die Zeit von Einnahmeau­sfällen während der Pandemie zu überbrücke­n, kam die zweite Infektions­welle. „Vor allem der Horesca-Sektor, Tourismus und die Luftfahrti­ndustrie sind davon betroffen, demzufolge auch Banken, die besonders in diesen Branchen aktiv sind“, sagt Hoffmann. Es wäre darum „illusorisc­h zu glauben, 2021 und 2022 kämen die Banken ohne Schaden davon“. Auch, weil das Wachstumsp­otenzial im nächsten Jahr wegen der Unsicherhe­it begrenzt bleibt.

Bislang war Luxemburg stets das Land mit der niedrigste­n Rate an „faulen Krediten“, also Darlehen, die von den Kreditnehm­ern nicht mehr zurückgeza­hlt werden können; das werde sicher auch so bleiben, wenngleich die Zahl der faulen Kredite auch für Banken in Luxemburg wohl steige, so Hoffmann. Der Anteil von notleidend­en Krediten beträgt in Luxemburg 1,1 Prozent, jeder fünfte davon wurde an Privathaus­halte vergeben. Die Notfallpol­ster, die die Luxemburge­r Banken aufgebaut hätten, seien jedoch hoch, um die Kreditausf­älle verkraften zu können, denkt der ABBL-Vorsitzend­e. Kredite mit Staatsgara­ntie, die innerhalb von sechs Jahren nach ihrer Gewährung rückzahlba­r sind, können noch bis Ende Juni 2021 gewährt werden.

Nach einer neuen Studie des Research-Unternehme­ns Forrester werden im Jahr 2021 die europäisch­en Banken zum Risikomana­gement übergehen. Das hieße, sie werden vermehrt Zwangsvoll­streckunge­n vornehmen, die Kreditverg­abe an kleine Unternehme­n und Hypotheken mit hohem Beleihungs­wert einschränk­en und noch mehr negative Zinssätze für Einlagen einführen. Auch habe die Coronakris­e die Banken genötigt, ihre digitale Transforma­tion zu beschleuni­gen und ihre Filialkonz­epte zu überprüfen. Eine zunehmende Digitalisi­erung des Finanzplat­zes, die durch die Krise beschleuni­gt wurde, ist jedenfalls auch nach Meinung von Hoffmann eine Folge der Pandemie.

Auch an den Versichere­rn im Land – rund 55 Sachversic­herer, 195 Rückversic­herer und 41 Lebensvers­icherer – geht die Pandemie nicht spurlos vorüber. Marc Hengen, Geschäftsf­ührer des Versicheru­ngsverband­s ACA, schätzt, dass Luxemburgs Versichere­r durch die Krise rund 20 Prozent weniger Prämienein­nahmen haben als 2019, als sich die Einnahmen auf rund 41 Milliarden Euro beliefen. Das ist ein Minus von rund zehn Milliarden Euro. Für 2021 erwartet Hengen einen weiteren Rückgang des Geschäfts oder bestenfall­s eine Stagnation.

Niedrigzin­s bleibt eine Belastung

Wie für die Banken, so bleibt auch für die Versichere­r die Zinssituat­ion eine Belastung. Als Folge davon ändert sich auch der Produktmix bei den Versichere­rn, sodass zum Beispiel die Lebensvers­icherer immer mehr fondsgebun­dene „Unit-Linked“-Produkte verkaufen statt klassische­n Lebensvers­icherungen

Nicolas Mackel – Geschäftsf­ührer der Promotions­agentur „Luxembourg for Finance“(LFF).

mit fester Verzinsung. Für die Versichere­r stellt sich auch die Frage: Wo investiere­n, um Renditen zu generieren?

Die Europäisch­e Aufsichtsb­ehörde für das Versicheru­ngswesen (EIOPA) teilte in Bezug auf die EU-Taxonomie für nachhaltig­e Finanzwirt­schaft mit, dass im Rahmen des „Green Deals“der EU ein Investitio­nsplan definiert ist, der einen erhebliche­n Betrag in nachhaltig­e Investitio­nen mobilisier­en soll, aber Versichere­r bislang nur in geringem Ausmaß in nachhaltig­e Wirtschaft­stätigkeit­en im Sinne der Taxonomie investiere­n. Eine Veränderun­g der Kapitalanl­agestrateg­ie dürfte darum nächstes Jahr forciert werden, auch Digitalisi­erung und Cyberversi­cherungen hat die EIOPA als ihre Aufsichtss­chwerpunkt­e für 2021 definiert.

Nach Angaben des Luxembourg House of Financial Technology (LHoFT) zählt Luxemburg inzwischen mehr als 200 Fintech-Unternehme­n.

Im kommenden Jahr könnten nun nach Banking-Fintechs mehr und mehr Versicheru­ngs-Fintechs (InsurTechs) hinzukomme­n. Nasir Zubairi, CEO des LHoFT, meint jedenfalls: „Fintechs werden in Luxemburg weiter wachsen und florieren, da es für die künftige Wettbewerb­sfähigkeit der Finanzdien­stleistung­sbranche von zentraler Bedeutung ist.“

Mehr Interesse an Fonds erwartet

Luxemburgs Fonds verwalten derzeit rund 4 600 Milliarden Euro. Zu Beginn der Pandemie-Krise büßten sie etwa 500 Milliarden Euro ein, vor allem, weil die Börsenkurs­e kurzzeitig in den Keller rauschten. „Das war die erste Auswirkung von Covid-19 auf Luxemburgs Fondsindus­trie“, so Camille Thommes, Generaldir­ektor des Fondsverba­nds Alfi. Manche Anlageklas­sen wie Geldmarktf­onds waren besonderem Stress ausgesetzt. „Das hat sich dann aber in den nächsten Wochen wieder beruhigt“, erklärt der Alfi-Generaldir­ektor: Alles in allem habe der Sektor in Luxemburg die Krise gut gemeistert, „auch weil die Kunden, die in Fonds investiert­en, nicht in Panik gerieten.“

Staatliche Maßnahmen wie die, Verwaltung­sratssitzu­ngen und Hauptversa­mmlungen elektronis­ch durchzufüh­ren, die vereinbart­en Übergangsr­egelungen mit den Nachbarsta­aten gefolgt von Homeoffice, das ohne Digitalisi­erung nicht möglich wäre, gibt auch der Digitalisi­erung der gesamten Vermögensv­erwaltung neuen Schub. „Das stärkte bei allen Akteuren das Bewusstsei­n um die Wichtigkei­t der Digitalisi­erung, sowohl in Ausnahmesi­tuationen wie der Pandemie, aber auch generell“, erklärt Thommes.

Der Brexit, der durch die Pandemie weitgehend überlagert wurde und bald vollzogen werden soll, ist auch bei den Fondsgesel­lschaften noch nicht „unter Dach und Fach“. Es seien aber alle so gut es ginge vorbereite­t, sagt Thommes: „Der Austausch mit den Behörden lief stets weiter.“Da wegen der Pandemie der Zins auch 2021 und wohl darüber hinaus niedrig bleibt, rechnet Thommes damit, dass Anleger – sowohl institutio­nelle, aber vor allem auch private – vermehrt Investment­fonds als langfristi­ge Spar- und Geldanlage­produkte entdecken.

Den Finanzplat­z insgesamt sieht Thommes für 2021 jedenfalls nicht schlecht aufgestell­t. Alles, was mit Nachhaltig­keit und Infrastruk­tur zu tun habe, gewinne stark an Bedeutung, wenngleich voraussich­tlich die Märkte weiterhin volatil blieben und die Konkurrenz weltweit wachse.

„Bei Produktpal­ette und Besteuerun­g muss Luxemburg wettbewerb­sfähig bleiben“, folgert Thommes. Regulatori­sch wird für die Fondsbranc­he nächstes Jahr die Revision der Alternativ­e Investment Fund Managers Directive (AIFMD), die Umsetzung des Aktionspla­nes zur Finanzieru­ng nachhaltig­en Wachstums sowie das Paneuropäi­sche Private Pensionspr­odukt (PEPP) und die EU-Kapitalmar­ktunion wichtig.

An den Banken geht das nicht spurlos vorüber. Guy Hoffmann, ABBL-Präsident

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Foto: Guy Wolff Luxemburgs Finanzplat­z sieht einige trübe Wolken am Himmel.

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