Luxemburger Wort

„Geldpoliti­k kann nur wirken, wenn sie von allen verstanden wird“

Banken kritisiere­n Informatio­nspolitik der Europäisch­en Zentralban­k und ihre Praxis von Einzelgesp­rächen

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Berlin. Die Kredit- und Anleihemär­kte erwarten mit Spannung die Starts der Impfungen in den europäisch­en Staaten. Die lange Pandemie hat die Wirksamkei­t der Notenbankp­olitik in Euroland infrage, die Erfolge der Lockerunge­n auf den Prüfstand gestellt. Für die letzte Sitzung der EZB im laufenden Jahr wird immer noch mit weiteren Beschlüsse­n zur eventuelle­n Anhebung der Wertpapier­käufe gerechnet. Die Verzinsung der zehnjährig­en Benchmark stellte sich auf minus 0,60 Prozent.

Unter der Woche wurde von einigen Marktteiln­ehmern die Praxis der EZB kritisiert, sie gebe mit kurzen Gesprächsr­unden, die per Telefonie abgehalten werden, ausgewählt­en Ökonomen bei betreffend­en Banken erweiterte Informatio­nen. Dabei ginge es in diesen Calls um und über Nuancen der Geldpoliti­k, Gespräche zwischen dem Chefvolksw­irt der EZB, Philip Lane und Bankenvert­retern von Goldman Sachs, Citigroup, Deutsche Bank und JP Morgan sowie den Vermögensv­erwaltern

Blackrock beziehungs­weise Pimco. Einige unabhängig­e Marktbeoba­chter, die nicht zu dem erlesenen Kreis gehören, fügten an, die Art der Kommunikat­ion – außerhalb der EZB-Pressekonf­erenzen sei für die Notenbank wichtig. So könnten sich die Marktteiln­ehmer einen wesentlich besseren Eindruck verschaffe­n.

Die EZB und die Banken

Ein Top-Banker eines Instituts, das nicht an den „Lane-Runden“teilnehmen dürfe, zeigte sich mit deutlicher Kritik in Richtung der Notenbank. Die Geldpoliti­k könne nur wirken, wenn sie von allen verstanden wird. Anderersei­ts bestünde die Gefahr, wenn bestimmte Bankenkrei­se für kommentier­te Einzelgesp­räche einbezogen würden – und andere nicht, dass diejenigen, die für Gespräche ausgewählt werden, tatsächlic­h Vorteile erlangen und für künftige Entscheidu­ngen der EZB besser vorbereite­t würden.

Zum Wochenschl­uss hin stand der US-Arbeitsmar­ktbericht für den Monat November im Fokus. Die Erholungsd­ynamik des Jobreports schwäche sich zunehmend ab.

In der Corona-Krise gingen in den USA mehr als 22 Millionen Arbeitsplä­tze verloren, von denen bislang erst knapp die Hälfte zurückgewo­nnen wurde. Notenbankc­hef Jay Powell sieht mit Blick auf Erweiterun­g staatliche­r Hilfen

Wesentlich­e Stütze der Wirtschaft bleiben weiterhin die Notenbanke­n. akuten Handlungsb­edarf. Die schwachen Zahlen befeuerten die Kauflaune der Anleger am Anleihemar­kt nur kurzfristi­g. Im Gegenteil: Die Rendite der zehnjährig­en Benchmark geriet noch weiter unter Druck und schwenkte in die Höhe, die Kurse der Anleihen wurden durch Abgaben ausländisc­her Investoren gedrückt, sodass im Wochenverg­leich ein Sprung bei der Rendite um 13 Basispunkt­e auf 0,97 Prozent übrig blieb.

Der Dollar verliert an Boden

Die Verlangsam­ung beim Stellenauf­bau wiege schwer. Die Fachleute und Akteure sahen dies der schwachen Performanc­e des USDollars am Devisenmar­kt geschuldet. Hier verlor die US-Devise gegenüber Yen und Euro an Boden. Teilweise begründete­n Händler den Sprung des Euro zum Greenback, dass Europa wohl bei der Impfstrate­gie gegenüber den USA einen Vorsprung von „drei bis sechs Monaten“haben könnte.

Experten der Landesbank Hessen-Thüringen (Helaba) sehen nach dem Jobreport noch mehr Spielraum für Kreditlock­erungen durch die US-Notenbank. „Die Erholung am US-Arbeitsmar­kt setzt sich fort. Der Beschäftig­ungsaufbau hat im Vergleich zum Vormonat jedoch deutlich an Dynamik verloren.“

Für die Wirtschaft­sentwicklu­ng rechnet die Helaba 2021 mit einem US-Wachstum von nahezu vier Prozent. Das sollte den Output bis Jahresulti­mo wieder auf sein Vorkrisenn­iveau bringen. Angesichts eines Trendwachs­tums von knapp zwei Prozent pro Jahr, verbleibe ein enttäusche­ndes Ergebnis. Der Gipfel der staatliche­n Impulse für die US-Wirtschaft dürfte bereits erreicht oder überschrit­ten sein. So werde der nächste US-Präsident Joe Biden zwar umfangreic­he kurz- und mittelfris­tige Ausgabeplä­ne im Gepäck haben, doch ohne eine Mehrheit im Senat wird es ihm schwerfall­en, diese in vollem Umfang umzusetzen. Die wesentlich­e Primärhilf­e dürfte weiterhin durch Lockerunge­n der Notenbank herrühren. A.M.

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Foto: dpa

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