„Die Bürger wollen nicht nur Empfänger sein“
Konstantin Wolf, Experte für Bürgerbeteiligung, über geglückte Partizipation und solche, die zum Scheitern verurteilt ist
Ob bei der Gestaltung von öffentlichen Plätzen, neuen Wohngebieten, bei Mobilitätsfragen oder jüngst sogar einer möglichen Gemeindefusion: Ein Mitspracherecht wird in der Bevölkerung zunehmend gefordert und die Meinung der Bürger ist auch immer häufiger gefragt. Trotz Corona sollten Bürgerbeteiligungsprozesse fortgesetzt werden, findet Konstantin Wolf vom Beratungsunternehmen Zebralog, der zurzeit den Partizipationsprozess rund um die Zukunft der Nordstad leitet.
Konstantin Wolf, in den vergangenen Wochen haben Sie die Einwohner der fünf Nordstad-Gemeinden bei Bürgerworkshops zusammengeführt. Was wollten Sie dabei herausfinden?
Ziel der Bürgerbeteiligung in dieser frühen Phase ist es, die Chancen und Risiken einer möglichen Fusion der Gemeinden Ettelbrück, Diekirch, Schieren, Bettendorf und Erpeldingen/Sauer aus Sicht der Bevölkerung aufzuzeigen. Das Ergebnis wird ein Bürgergutachten sein, das den Gemeindepolitikern
Konstantin Wolf berät Städte, Kommunen und Behörden in Sachen Bürgerbeteiligung. Vor der Nordstad hat er unter anderem Projekte in Frankfurt, Köln und Berlin begleitet.
übergeben wird. Für die Politik ist es eine Grundlage, um eine Entscheidung zu treffen, wie es weitergehen soll auf dem Weg der Fusion. Bei einem Ja schließt sich eine neue Phase an, wo es dann um konkrete Lösungen und Vorschläge der Politik geht. Am Ende dieser Phase findet in jeder Gemeinde ein Referendum statt.
Eine anstehende Gemeindefusion scheint auf den ersten Blick ein ungewöhnliches Projekt für diese Art der Bürgerbeteiligung zu sein.
Ja, es ist ein eher ungewöhnliches, weil recht seltenes Thema. Aber generell ist es natürlich so, dass Partizipation bei einer Vielzahl von Themen sinnvoll eingesetzt werden kann. Oft sind diese Themen sehr konkret, zum Beispiel bei Stadtentwicklungsfragen, unter Umständen sind sie etwas abstrakter, wie etwa bei einer Gemeindefusion. Es geht aber eben nicht immer um konkrete bauliche Projekte, sondern auch um Mobilitätsfragen, um Kultur, Integration, Umwelt bis hin zu Gesetzgebungsverfahren, die einen partizipativen Zugang haben.
Ist es nicht einfacher, die Menschen mit einzubeziehen, wenn ein Vorhaben bereits konkreter ist, wie etwa bei einem urbanistischen Vorhaben?
Städtebauliche Themen sind in der Tat oft sehr gut geeignet für Partizipation. Einmal, weil sie auf ein großes öffentliches Interesse stoßen, es betrifft ja das direkte Umfeld. Zweitens sind sie auch nachvollziehbar, das heißt man sieht direkt vor Ort, was sich da verändert hat. Und sie haben ja in der Regel auch einen absehbaren Zeitraum. Diese Zeiträume können zwar mitunter sehr lang sein, aber sie sind von Beginn an klar zu benennen. Das ist bei abstrakteren Themen nicht immer der Fall.
Wann macht Bürgerbeteiligung in Ihren Augen denn überhaupt keinen Sinn?
Es gibt Ausschlusskriterien, wann man keine Partizipation machen sollte. Das Wichtigste: Es gibt keinen Entscheidungsspielraum mehr, weil die wesentlichen Entscheidungen schon gefallen sind. Und auf der anderen Seite gibt es Erfolgsfaktoren, die bestimmen, ob die Partizipation gut wird oder nicht. Als Ausgangspunkt braucht es klare Zielsetzungen und Rahmenbedingungen. Ein Beteiligungsprozess muss sorgfältig vorbereitet und durchgeführt werden. Und es muss von Beginn an klar sein, wie die Ergebnisse nachher weiterverarbeitet werden.
Bisweilen hat man hierzulande den Eindruck, die Politik empfindet schon eine reine Informationsversammlung als Beteiligung. Wie sehen Sie das?
Information ist keine Partizipation. Aber gleichzeitig ist verständliche Information und Kommunikation eine Voraussetzung dafür, dass Partizipation überhaupt funktionieren kann. Bei echter Beteiligung läuft Kommunikation immer
Bei Bürgerbeteiligung geht es nicht darum, alle zu erreichen, sondern die Richtigen.