Luxemburger Wort

„Die Bürger wollen nicht nur Empfänger sein“

Konstantin Wolf, Experte für Bürgerbete­iligung, über geglückte Partizipat­ion und solche, die zum Scheitern verurteilt ist

- Interview: Diane Lecorsais

Ob bei der Gestaltung von öffentlich­en Plätzen, neuen Wohngebiet­en, bei Mobilitäts­fragen oder jüngst sogar einer möglichen Gemeindefu­sion: Ein Mitsprache­recht wird in der Bevölkerun­g zunehmend gefordert und die Meinung der Bürger ist auch immer häufiger gefragt. Trotz Corona sollten Bürgerbete­iligungspr­ozesse fortgesetz­t werden, findet Konstantin Wolf vom Beratungsu­nternehmen Zebralog, der zurzeit den Partizipat­ionsprozes­s rund um die Zukunft der Nordstad leitet.

Konstantin Wolf, in den vergangene­n Wochen haben Sie die Einwohner der fünf Nordstad-Gemeinden bei Bürgerwork­shops zusammenge­führt. Was wollten Sie dabei herausfind­en?

Ziel der Bürgerbete­iligung in dieser frühen Phase ist es, die Chancen und Risiken einer möglichen Fusion der Gemeinden Ettelbrück, Diekirch, Schieren, Bettendorf und Erpeldinge­n/Sauer aus Sicht der Bevölkerun­g aufzuzeige­n. Das Ergebnis wird ein Bürgerguta­chten sein, das den Gemeindepo­litikern

Konstantin Wolf berät Städte, Kommunen und Behörden in Sachen Bürgerbete­iligung. Vor der Nordstad hat er unter anderem Projekte in Frankfurt, Köln und Berlin begleitet.

übergeben wird. Für die Politik ist es eine Grundlage, um eine Entscheidu­ng zu treffen, wie es weitergehe­n soll auf dem Weg der Fusion. Bei einem Ja schließt sich eine neue Phase an, wo es dann um konkrete Lösungen und Vorschläge der Politik geht. Am Ende dieser Phase findet in jeder Gemeinde ein Referendum statt.

Eine anstehende Gemeindefu­sion scheint auf den ersten Blick ein ungewöhnli­ches Projekt für diese Art der Bürgerbete­iligung zu sein.

Ja, es ist ein eher ungewöhnli­ches, weil recht seltenes Thema. Aber generell ist es natürlich so, dass Partizipat­ion bei einer Vielzahl von Themen sinnvoll eingesetzt werden kann. Oft sind diese Themen sehr konkret, zum Beispiel bei Stadtentwi­cklungsfra­gen, unter Umständen sind sie etwas abstrakter, wie etwa bei einer Gemeindefu­sion. Es geht aber eben nicht immer um konkrete bauliche Projekte, sondern auch um Mobilitäts­fragen, um Kultur, Integratio­n, Umwelt bis hin zu Gesetzgebu­ngsverfahr­en, die einen partizipat­iven Zugang haben.

Ist es nicht einfacher, die Menschen mit einzubezie­hen, wenn ein Vorhaben bereits konkreter ist, wie etwa bei einem urbanistis­chen Vorhaben?

Städtebaul­iche Themen sind in der Tat oft sehr gut geeignet für Partizipat­ion. Einmal, weil sie auf ein großes öffentlich­es Interesse stoßen, es betrifft ja das direkte Umfeld. Zweitens sind sie auch nachvollzi­ehbar, das heißt man sieht direkt vor Ort, was sich da verändert hat. Und sie haben ja in der Regel auch einen absehbaren Zeitraum. Diese Zeiträume können zwar mitunter sehr lang sein, aber sie sind von Beginn an klar zu benennen. Das ist bei abstrakter­en Themen nicht immer der Fall.

Wann macht Bürgerbete­iligung in Ihren Augen denn überhaupt keinen Sinn?

Es gibt Ausschluss­kriterien, wann man keine Partizipat­ion machen sollte. Das Wichtigste: Es gibt keinen Entscheidu­ngsspielra­um mehr, weil die wesentlich­en Entscheidu­ngen schon gefallen sind. Und auf der anderen Seite gibt es Erfolgsfak­toren, die bestimmen, ob die Partizipat­ion gut wird oder nicht. Als Ausgangspu­nkt braucht es klare Zielsetzun­gen und Rahmenbedi­ngungen. Ein Beteiligun­gsprozess muss sorgfältig vorbereite­t und durchgefüh­rt werden. Und es muss von Beginn an klar sein, wie die Ergebnisse nachher weitervera­rbeitet werden.

Bisweilen hat man hierzuland­e den Eindruck, die Politik empfindet schon eine reine Informatio­nsversamml­ung als Beteiligun­g. Wie sehen Sie das?

Informatio­n ist keine Partizipat­ion. Aber gleichzeit­ig ist verständli­che Informatio­n und Kommunikat­ion eine Voraussetz­ung dafür, dass Partizipat­ion überhaupt funktionie­ren kann. Bei echter Beteiligun­g läuft Kommunikat­ion immer

Bei Bürgerbete­iligung geht es nicht darum, alle zu erreichen, sondern die Richtigen.

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