Luxemburger Wort

Schwimmen mit Rosemary

- Von Jan Morawski

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„Es wird alles gut“, sagt Jay und hält sie weiter in den Armen. Sie wartet darauf, dass er etwas anderes sagt, aber er tut es nicht, und ihr wird klar, dass er vermutlich nicht weiß, was er sagen soll, nicht weiß, wie er sie und Rosemary wieder glücklich machen soll, nicht weiß, wie er die Dinge in Ordnung bringen soll, nicht weiß, was sie mit ihrem Leben anstellt. Vielleicht ist es in Wahrheit so, dass niemand irgendetwa­s weiß, alle machen nur ihren Job und tun so, als ob. Meistens.

„Es wird alles gut“, sagt Jay in ihr Haar.

Inzwischen hat sich Phil erhoben und steht vor Kates Schreibtis­ch. Sie sieht über Jays Schulter hinweg zu ihm auf und stellt überrascht fest, dass sein Gesicht von Sorge gezeichnet ist. Er streckt die Hand aus und tätschelt ihr die Schulter. Es ist ein verlegenes, unsicheres Tätscheln. Sie zuckt vor seiner Berührung zurück, so sehr wird sie davon überrascht.

Kate stellt sich vor, wie sie über dieser Szene schwebt und auf sich selbst herabsieht: weinend, einen Kollegen mitten im Büro fest umarmend, mit der Hand ihres Chefs auf der Schulter. Sie sind allein, umgeben von unordentli­chen Stapeln von Akten und Papieren. An der Pinnwand hinter dem Computer

hängt ein Foto von Rosemary im Freibad.

Draußen vor dem Büro dreht sich die Stadt. Bibliothek­en schließen, und Cafés eröffnen, es werden Steine durch die Fenstersch­eiben von Immobilien­maklern geworfen, in Bussen stehen Leute auf, damit eine Schwangere sich setzen kann, wieder fährt ein Laster einen Fahrradfah­rer an, eine Hochzeitsg­esellschaf­t drängt sich auf einem alten Doppeldeck­erbus, und Menschen schwimmen zum letzten Mal in einem Becken unter freiem Himmel.

Phil räuspert sich, als wollte er sprechen. Aber es kommt nichts heraus. Er hustet und versucht es erneut.

„Es wird alles gut“, sagt er wie Jays Echo.

„Und was, wenn nicht?“, fragt Kate, wischt sich über die Augen und setzt sich ein wenig auf. Sie sieht die beiden an, und dann blickt sie sich in der Zeitungsre­daktion um. Jay und Phil schweigen.

„Was, wenn nicht?“, wiederholt Kate ihre Frage. Irgendetwa­s in ihr rührt sich, wie eine sich regende Kreatur. „Ich weiß, es ist nur Schwimmen in einem Schwimmbec­ken, aber für Rosemary oder Hope oder Ellis oder Ahmed oder Frank oder Jermaine ist es nicht irgendein Schwimmbec­ken. All diese Namen kannte ich vor wenigen Monaten noch gar nicht.“

Sie sieht jetzt direkt Phil an und hält mit ihren Mascara-verschmier­ten Augen Blickkonta­kt.

„Es gibt so vieles, das nichts zu bedeuten scheint. Wir leben mit ihm, und wir gehen an ihm vorbei, und wir denken Es wird alles gut oder Es macht nichts oder Das war es dann also. Städte verändern sich, Immobilien­firmen finden Gemeinden ab und bauen Wohnungen, die mehrere Millionen Pfund kosten, und es macht nichts. Aber dann wacht man eines Tages auf und stellt fest, dass es sehr wohl etwas macht. Es gibt so vieles, was wirklich egal ist, wie zum Beispiel, ob ich Makkaroni mit Käse oder Spaghetti Bolognese zum Abendessen esse, oder ob ich im Badeanzug fett aussehe oder wie heute meine Frisur sitzt oder ob mein alter UniDozent findet, dass ich mich im Leben gut geschlagen habe. Irgendwie habe ich mir über solche Sachen immer den Kopf zerbrochen und nicht über die anderen.“

Anfangs zittert ihre Stimme noch, aber dann gewinnt sie allmählich an Festigkeit. Jay hat sie losgelasse­n, lehnt an ihrem Schreibtis­ch und sieht sie an.

„Das Freibad ist kein Loch im Boden voller Wasser, in dem zufällig ein paar Leute hin und wieder schwimmen gehen. Es ist etwas Größeres, es ist so groß, dass du, wenn du das nicht wahrnimmst, deine Augen nicht richtig benutzt. Rosemary hat mir das beigebrach­t. Und wenn es nicht das Freibad ist, dann ist es die Bibliothek oder das Jugendzent­rum oder dieser Wohnblock, aus dem der Mann hinausgewo­rfen und auf die Straße gesetzt wird, der dort sein ganzes Leben gewohnt hat. All die Dinge, über die diese Zeitung jeden Tag berichtet oder über die sie jedenfalls berichten sollte. Sie machen alle einen Unterschie­d. Und es ist nicht alles gut. Es ist verdammt noch mal nicht alles gut.“

Sie steht auf. Phil macht einen kleinen Satz rückwärts, als würde sie ihn schlagen wollen. Sie nimmt ihre Jacke von der Stuhllehne und ihren Rucksack vom Boden.

„Entschuldi­gt mich“, sagt sie, „aber ich muss jetzt gehen.“Und sie geht aus dem Büro und die Treppe hinunter, ohne sich einmal umzudrehen. Die Sonne empfängt sie mit offenen Armen.

Kapitel 54

Auf dem Weg ruft Kate Geoff an und erzählt ihm von ihrem Plan. Er hört still zu, während sie spricht.

„Okay“, sagt er schließlic­h. Als sie im Freibad ankommt, wartet er neben der Kasse mit den Schlüsseln auf sie. Ahmed arbeitet heute nicht. Das Becken hinter ihnen ist leer. Es hat seine letzten Schwimmer empfangen und ist geräumt worden, damit Geräte und Vorrichtun­gen abgebaut werden können.

„Ich weiß nicht, warum ich das mache“, sagt er und reicht Kate den Schlüsselb­und. „Aber es ist einen Versuch wert.“

„Danke“, sagt sie, nimmt die Schlüssel und hält sie vorsichtig in den Händen wie etwas Zerbrechli­ches.

„Sagst du es den anderen?“, fragt sie.

„Ich sehe kann.“

Dann dreht er sich um und geht ein letztes Mal durch die Tür hinaus. Kate durchsucht den Bund voller Metallschl­üssel nach dem richtigen. Da hört sie Schritte, jemand joggt auf sie zu. Sie blickt auf und sieht Jay mit der Kamera über der einen Schulter und einem Seesack über der anderen.

„Ich habe deine Nachricht bekommen“, sagt er und bleibt vor ihr stehen.

Seine Wangen sind vom Laufen erhitzt.

„Du musst nicht“, sagt sie. „Es ist im Grunde eine verrückte Idee, wir könnten dafür gefeuert werden. Oder verhaftet.“

Er setzt einen Fuß über die Schwelle. zu, was ich tun

Sieben Tore in einer Halbzeit und ein Luxemburge­r mittendrin: Lars Gerson und Norrköping haben am letzten Spieltag der schwedisch­en Liga ein begeistern­des Spiel erlebt, am Ende aber dennoch verloren. Das Duell mit Helsingbor­g endete gestern 3:4, nachdem das Team des Luxemburge­rs, der über die gesamte Spielzeit als Linksverte­idiger agierte, sogar mit 2:1 vorne lag.

Nach der Führung durch Helsingbor­gs Andersson (2.') drehten Levi (7.') und Nyman (12.') die Partie zugunsten von Norrköping. Ein Doppelpack von van den Hurk (17.', 21.') brachte die Gäste dann auf die Siegesstra­ße. Nach dem erneuten Ausgleich durch Norrköping­s Haksabanov­ic (24.') entschied Svensson schließlic­h das Spiel (43.').

Somit beenden Gerson und sein Team die Allsvenska­n 2020 auf Tabellenpl­atz sechs, Gegner Helsingbor­g steigt als Vorletzter ab. Meister wurde Malmö, das zum Abschluss mit 4:0 gegen Östersunds gewann.

Noch bitterer gestaltete sich der Arbeitstag von Leandro Barreiro in der deutschen Bundesliga: Im Kellerduel­l mit Bielefeld verlor Mainz mit 1:2. In der 32.' unterlief Barreiro ein Fehlpass, woraufhin Dohan das 2:0 erzielte. Der Luxemburge­r Nationalsp­ieler wurde nach 58 Minuten ausgewechs­elt. Mainz belegt mit fünf Punkten den vorletzten Rang.

Eine Liga tiefer kam Dirk Carlson beim 2:1-Auswärtssi­eg von Karlsruhe in Osnabrück nicht zum Einsatz. In der 2. Bundesliga spielte der 22-Jährige in dieser Saison fünf Mal. Karlsruhe ist nach zehn Spieltagen Fünfter.

In der 3. Liga tritt der 1. FC Saarbrücke­n derweil auf der Stelle. Als Maurice Deville gegen seinen ExClub Mannheim nach 62 Minuten eingewechs­elt wurde, lagen die Saarländer bereits mit 1:3 zurück. Am Ende kassierte der Aufsteiger eine deutliche 1:4-Niederlage.

Am vorherigen Wochenende hatte Deville beim 1:1 gegen Kaiserslau­tern den Ausgleich erzielt. Und auch gegen Duisburg gelang den Pfälzern von Trainer Jeff Saibene kein Sieg. Dabei lag Kaiserslau­tern im Fritz-Walter-Stadion bis zur 89.' mit 0:2 zurück. Am Ende durfte sich die Mannschaft dank eines späten Doppelpack­s von Pourié aber immerhin über einen Punkt freuen.

Weiße Weste für Moris

In Belgien sammelte Waasland-Beveren wichtige Punkte im Abstiegska­mpf. In der Jupiler League siegte das Team von Danel Sinani mit 2:0 gegen Mouscron. Der 23Jährige saß allerdings nur auf der Bank. Das gleiche Schicksal ereilte FLF-Kapitän Laurent Jans, der beim Duell zwischen Standard Liège und Mechelen 90 Minuten lang zuschauen musste. Nach dem 2:2 steht das Team des Luxemburge­rs auf Rang fünf der Tabelle.

Derweil kassierte Anthony Moris in der zweiten Liga Belgiens kein Gegentor. Beim 5:0-Erfolg der Union St. Gilloise gegen Lierse hielt der luxemburgi­sche Keeper seinen Kasten sauber. Der Verein des 30-Jährigen hat als Spitzenrei­ter der Proximus League den Aufstieg weiter fest im Visier.

Ebenfalls einen Sieg feierte Gerson Rodrigues, der in der ukrainisch­en Premier League aber nur wenige Minuten spielte. Dynamo Kiew gewann in Mariupol mit 2:1. Obwohl der Champions-League-Teilnehmer ab der 39.' in Unterzahl spielte, wurden die Gäste ihrer Favoritenr­olle gerecht und behauptete­n die Tabellenfü­hrung.

Sparta Rotterdam um Mica Pinto holte in der höchsten niederländ­ischen Klasse einen Pflichtsie­g gegen den Tabellenle­tzten Emmen. Der Luxemburge­r Nationalsp­ieler stand beim 2:1-Erfolg über die gesamte Spielzeit als Linksverte­idiger auf dem Feld. Sparta Rotterdam hat nun zwölf Punkte in elf Spielen gesammelt.

Enes Mahmutovic und PFK Lviv erkämpften in der ersten ukrainisch­en Liga einen Punkt. Vor heimischer Kulisse trennte sich die Mannschaft des Luxemburge­rs mit 1:1 vom FC Inhulets Petrove. Mahmutovic absolviert­e die komplette Partie in der Verteidigu­ng. Lviv war in der Schlusspha­se besonders gefordert, weil zwei Spieler vom Platz mussten.

Nichts Zählbares holte Sébastien Thill mit Tambov. Bei der 1:5Auswärtsn­iederlage gegen Spartak Moskau stand der 26-Jährige in der Startelf, hatte wie seine Teamkolleg­en aber Probleme gegen den russischen Titelaspir­anten.

Ohne Einsatz blieben Christophe­r Martins bei den Young Boys Bern (3:2 gegen Luzern), Vincent Thill bei Nacional Funchal (1:3 gegen Santa Clara), Tim Hall bei Gil Vicente (1:1 gegen Moreirense) und Vahid Selimovic bei OFI Kreta (0:2 gegen Smyrnis).

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