Der unterschätzte Stratege
Iran dementiert Berichte über schlechten Gesundheitszustand seines Revolutionsführers Ali Chamenei
Iran hat in den sozialen und internationalen Medien kursierende Berichte über eine massive Verschlechterung des Gesundheitszustandes von Revolutionsführer Ali Chamenei offiziell dementiert. „Möge es die Augen unserer Feinde blenden, dass mit der Gnade Gottes und den Gebeten seiner Anhänger unser oberster Führer Chamenei bei guter Gesundheit ist“, versuchte Mehdi Fasaeli, ein hoher Funktionär im Büro des 81-jährigen Geistlichen, die Berichte mit einer Kurzmitteilung per Twitter zu entkräften.
Seit 1989 an der Macht
Westliche Diplomaten in Teheran werten das gestelzte Dementi als „eine Art Eingeständnis für gesundheitliche Probleme“, mit denen Chamenei allerdings schon länger zu tun habe. So soll er sich vor einigen Jahren einer Prostataoperation unterzogen haben. Wie ernst sein Zustand ist, sei nicht bekannt. Von iranischen Journalisten im Ausland verbreitete Meldungen, nach denen der iranische Revolutionsführer seinem Sohn Mojtaba die Macht übertragen habe, träfen vermutlich nicht zu.
Ali Chamenei war zuletzt am 24. November, als er mit iranischen Spitzenbeamten zusammentraf, in der Öffentlichkeit gesehen worden. An der Trauerfeier für den vor zehn Tagen bei Teheran ermordeten Atomwissenschaftler Mohsen Fakhrisadeh nahm der Ajatollah nicht teil. Der schiitische Geistliche hatte nach dem Tod von Ajatollah Chomeini im Sommer 1989 die Macht übernommen.
Trotz seines fehlenden Charismas hat er seither ganz entscheidend dazu beigetragen, dass die Islamische Republik die vielen existenziellen Krisen der vergangenen
Jahrzehnte überstanden hat. Sein strategischer Regierungsstil werde im Westen durchweg unterschätzt, seine Handlungslogik nur selten richtig verstanden, betont der amerikanische Politologe und Ex-Diplomat Flynt Leverett.
Chameneis Tod wäre für den schiitischen Gottesstaat ein schwerer Schlag. Ob sich sein Sohn Mojtaba für die Nachfolge eignen würde, ist im Iran umstritten. Der 51 Jahre alte Geistliche leitet gegenwärtig mehrere wichtige Sicherheits
und Geheimdienstabteilungen des Landes. Die britische Zeitung „The Guardian“bezeichnete den politischen Hardliner einmal als „den Torwächter des obersten iranischen Führers“.
Raisi beim Volk unbeliebt
Nach Artikel 111 der iranischen Verfassung muss der Nachfolger des Revolutionsführers von der gegenwärtig aus 88 Geistlichen bestehenden Expertenversammlung gewählt werden. Experten halten es für unwahrscheinlich, dass sich die Ajatollahs für den relativ jungen Mojtaba entscheiden werden. Als ihr Favorit gilt der Chef der iranischen Justiz, Ibrahim Raisi. Wie Chamenei stammt er aus der ostiranischen Großstadt Maschhad, wo er 2016 vom Revolutionsführer zum Chef der mächtigen Astan-Quds-Razavi-Stiftung ernannt wurde.
Wie Mojtaba genießt auch Raisi den Ruf eines politischen Hardliners. Wegen seiner Beteiligung an Massenhinrichtungen politischer Gefangener im Jahr 1988 ist er in der Bevölkerung eher unpopulär. Heftige politische Kontroversen hatte Raisi auch mit dem für iranische Verhältnisse eher liberalen Staatspräsidenten Hassan Ruhani, der ebenfalls als möglicher Nachfolger für Ali Chamenei genannt wird.