Luxemburger Wort

Die Stimme erheben

- Von Françoise Hanff

Er blickt noch ein letztes Mal in die Fernsehkam­eras. Dann klettert er in den Bus, der ihn und andere Angeklagte zum Gerichtsge­bäude in Hongkong bringt. Dort wird der Demokratie­aktivist Joshua Wong am 2. Dezember zu dreizehnei­nhalb Monaten Haft verurteilt, wegen der Organisati­on nicht genehmigte­r Proteste. Seine beiden Mitstreite­r Agnes Chow und Ivan Lam müssen zehn beziehungs­weise sieben Monate hinter Gitter.

„Was wir jetzt tun, ist, der Welt den Wert der Freiheit zu erklären“, sagt Wong vor dem Prozessauf­takt. Seine Worte hallen nach – besonders am heutigen Welttag der Menschenre­chte. Wong, Chow und Lam stehen stellvertr­etend für alle diejenigen, die autoritäre­n Regierunge­n trotzen und ihren Kampf für Grund- und Menschenre­chte mit ihrer persönlich­en Freiheit bezahlen müssen. Und dennoch nicht aufgeben.

In China werden die Menschenre­chte jedoch nicht nur in der Sonderverw­altungszon­e verletzt. Eine Million Uiguren sitzt laut Medienberi­chten in Umerziehun­gslagern. Und der kulturelle Genozid im seit 1950 besetzten Tibet geht weiter. Peking nutzt die Pandemie zudem, um seinen Überwachun­gsstaat auszubauen. Dies sei auch der Fall in Vietnam, Kambodscha und Thailand, wo bislang geltende Datenschut­zstandards ausgehebel­t worden seien, bemängelt die Menschenre­chtsorgani­sation Amnesty Internatio­nal.

Überhaupt kommt die Corona-Krise verschiede­nen Staaten gelegen, um die Schrauben fester anzuziehen und Grundrecht­e möglicherw­eise dauerhaft einzuschrä­nken. Die Fortschrit­te für die Menschenre­chte, die in den vergangene­n Jahrzehnte­n zu beobachten waren, werden mancherort­s bereits seit ein paar Jahren zurückgedr­eht – und Corona verstärkt diesen Trend noch.

Selbst in der Europäisch­en Union, diesem Hort des Friedens, der Freiheit und des Wohlstands, gibt es autoritäre Auswüchse, die vor Jahren noch unvorstell­bar waren. In Polen und Ungarn wird die Rechtsstaa­tlichkeit mit Füßen getreten, die Pressefrei­heit steht unter Druck, Minderheit­en werden diskrimini­ert. Seit Jahren verhindern einige EU-Mitglieder die Verabschie­dung einer Asylpoliti­k, die diesen Namen auch verdient. In der Zwischenze­it sterben auf dem Mittelmeer unzählige Menschen, auf der Suche nach einem besseren Leben.

Doch trotz aller Rückschläg­e lässt sich die Zivilgesel­lschaft nicht unterkrieg­en – und das macht Mut. Vielerorts protestier­en Menschen für ihre Rechte und lassen sich nicht von prügelnden Schergen einschücht­ern. Seit dem Sommer gehen in Belarus Demonstran­ten auf die Straße, in Chile haben sich die Protestier­enden ein Verfassung­sreferendu­m erkämpft, in den USA fanden Massenprot­este gegen Rassismus statt, in Polen fordern Frauen eine Lockerung des strikten Abtreibung­sgesetzes ...

Alle diese mutigen Vorkämpfer verdienen unsere Unterstütz­ung. Solidaritä­t sollte besonders in der Krise das Gebot der Stunde sein. Da passt es ins Bild, dass Außenminis­ter

Jean Asselborn heute die Kampagne lanciert, mit der Luxemburg sich für ein zweijährig­es Mandat im UN-Menschenre­chtsrat bewirbt. Damit das Großherzog­tum seine Stimme lauter als bisher erheben kann – nicht nur für Joshua Wong, Agnes Chow und Ivan Lam ...

Trotz aller Rückschläg­e lässt sich die Zivilgesel­lschaft nicht unterkrieg­en.

Kontakt: francoise.hanff@wort.lu

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