Eine Frage der Prioritäten
Differdinger Räte uneins bei Projekten, die coronabedingt zurückgeschoben werden
Differdingen. Nach einer gut fünfstündigen Diskussion wurde gestern die Haushaltsvorlage 2021 vom Differdinger Gemeinderat mit den Stimmen der Déi Gréng/CSVMajorität angenommen. Für Diskussionsbedarf sorgten vor allem die coronabedingten Mindereinnahmen der Stadt, die für 2020 auf 12,4 Millionen geschätzt werden.
„Wenn man mit dem Auto in eine Nebelbank fährt, dann nimmt man den Fuß vom Gas“, umschrieb es Rat Georges Liesch (Déi Gréng), der unterstrich, dass 2021 trotzdem noch viel investiert werde. Die Renovierung der Schule Um Bock oder der Ausbau des Rathauses stellten nicht nur die Antwort auf einen Bedarf dar, sondern ermöglichen es langfristig, Kosten und Energie einzusparen. Weiter erwähnte er, dass auf dem Plateau des hauts-fourneaux der Bau eines „Lycée Emile Metz“im Gespräch sei.
Für den Standort gegenüber, auf dem Parking Contournement, will die Stadt eine Studie für ein Parkhaus mit 600 Plätzen durchführen lassen. Das stieß bei LSAP-Rat Erny Muller auf Unverständnis. Er erinnerte daran, dass von der vorigen Mehrheit, der er als Schöffe angehört hatte, bereits ein Projekt für ein größeres Parkhaus mit Anbindung zum Stadtzentrum ausgearbeitet worden war.
Außerdem kritisierte er, dass der Schöffenrat die falschen Prioritäten gesetzt habe mit unter anderem der Verschiebung des Baus eines Leichtathletikstadions in Woiwer. Weshalb die LSAP gegen die Haushaltsvorlage stimmte.
So tat es auch die DP. Rat François Meisch kritisierte vor allem, dass zu viele Projekte rückversetzt würden. Er zeigte sich enttäuscht, dass der Bau einer Tiefgarage beim Kulturzentrum Aalt Stadhaus verschoben wird. „Wir schießen uns damit ins eigene Bein.“Da Geldanleihen aktuell besonders günstig seien, wäre es seiner Ansicht nach besser gewesen, davon zu profitieren, um mehr Projekte finanzieren zu können.
Gary Diderich (Déi Lénk), der später seinen Rücktritt ankündigen sollte, zog eine Art Bilanz. Die beiden ehemaligen Bürgermeister
Claude Meisch (DP) und Roberto Traversini (Déi Gréng) hätten, bei Letzterem „trotz aller Verwerfungen“, das ehemalige Bild von Differdingen als „ville morte“zu verändern verstanden.
Allerdings sei in all den Jahren zu wenig in den sozialen Wohnungsbau investiert worden. Weshalb er vorschlug, 2021 32 Milllionen Euro dafür bereitzustellen. Das Gravity-Projekt, ein Wohnturm, in dem die Stadt 80 Wohnungen aufkauft, sei lobenswert, dürfe aber nicht zur Folge haben, dass ansonsten nichts mehr im Wohnungsbereich getan werde.
Aly Ruckert (KPL) kritisierte seinerseits, dass der Haushalt „aufgeblasen“werde, durch zwei Projekte, die eigentlich für den Staat durchgeführt und wofür später der Stadt die Kosten rückerstattet werden. Dabei handelt es sich um den Bau eines neuen Polizeikommissariates am Contournement, das 2021 in Bau gehen soll, sowie um den Bau der Grundschule der Ecole internationale. Auch er stimmte gegen die Budgetvorlage.
Guy Tempels (CSV) fand es indes gut, dass einige Projekte zurückgesetzt wurden. Auch Rat Paulo De Sousa (Déi Gréng) sprach von einer gesunden Finanzlage trotz Krise. Demnach wurde das Budget nur mit den Stimmen der Mehrheit angenommen.
Rücktritt. Am Ende der Sitzung kündigte Gary Diderich (Déi Lénk) seinen Rücktritt an. Dies infolge des Rotationsprinzipes von Déi Lénk. Er war neun Jahre lang Ratsmitglied und hatte 2019 dazu beigetragen, die Missstände um den damaligen Bügermeister Roberto Traversini ans Licht zu bringen.
Traversini. Zuvor hatte Diderich eine schriftliche Antwort vom Schöffenrat erhalten, nachdem er in der vergangenen Sitzung einen weiteren Verdacht betreffend Roberto Traversini ausgesprochen hatte. Dabei geht es um eine gemeinnützige Vereinigung, die laut Beschluss von 2012 einen Zuschuss vom Gemeindesyndikat der Korntalgemeinden Sikor erhält, um ihre Miete zu bezahlen. Diese beträgt 2 500 Euro pro Monat, wovon der Sikor die Hälfte übernimmt. „Daran ist auch nichts auszusetzen“, so Gary Diderich. Nur dass das gelohnte Haus im Besitz von Roberto Traversini sei, der damals noch nicht Bürgermeister, aber bereits einer der Differdinger Vertreter im Sikor war. „Für mich ist das ein klarer Fall von einem Interessenskonflikt“, so Diderich.