Starkes Signal
Spielabbruch nach rassistischen Äußerungen erfährt große Solidarität
„Zeichen in Europa“, „Historische Entscheidung“– und ganz viel Solidarität und Respekt: Selten in der bisherigen Geschichte des Profifußballs hat ein Spielabbruch solche Reaktionen hervorgerufen. Mit ihrem gemeinsamen Abgang vom Rasen nach einem Rassismus-Vorfall durch den Schiedsrichter-Assistenten sendeten die Champions-League-Teilnehmer Basaksehir aus Istanbul und Paris SG am Dienstag ein Zeichen der Stärke und der Entschlossenheit.
„Diskriminierung hat keinen Platz. Nicht im Fußball, nicht auf der Welt“, schrieb PSG-Profi Thilo Kehrer, Teamkollege Neymar veröffentlichte ein „Black Lives Matter“, und von Kylian Mbappé hieß es: „Say no to Racism. M. Webo we are with you.“
Weil die Gäste aus der Türkei sich am Dienstagabend nach den Äußerungen des Vierten Offiziellen weigerten, weiterzuspielen, entschied die UEFA kurz vor Mitternacht, die Partie nicht wieder anzupfeifen und am Mittwoch mit einem neuen Schiedsrichtergespann um Danny Makkelie (NL) beim Stand von 0:0 nach 15 Minuten fortzusetzen.
Knien während der Hymne
Beim Aufwärmen trugen die Spieler beider Teams sowie die Schiedsrichter gestern weiße TShirts mit den Logos von PSG und Basaksehir und der Aufschrift No to Racism. Vor dem Anpfiff knieten die Spieler rund um den Mittelkreis nieder und hatten eine Faust erhoben. Die Geste gilt als Anti-Rassismus-Zeichen. Paris gewann die Begegnung im Parc des Princes deutlich mit 5:1. Dank des Erfolgs zieht PSG vor Leipzig als Sieger der Gruppe H ins Achtelfinale ein. Basaksehir stand bereits vor dem Duell als Gruppenletzter fest.
Der Entscheidung der Spieler, die Partie tags zuvor nicht fortzusetzen, zollten Politik, Verbände und internationale Topstars derweil Respekt. „Heute Abend haben Sportler, Athleten eine historische Entscheidung getroffen gegenüber einer Einstellung, die sie als inakzeptabel beurteilt haben“, schrieb Frankreichs Sportministerin Roxana Maracineanu bei Twitter. Sie könne „die starke Symbolik ihrer Geste und ihrer Solidarität nur begrüßen“.
Doch was war passiert? Der Assistenztrainer der Gäste, der frühere kamerunische Nationalspieler Pierre Webo, hatte in der ersten Halbzeit die Rote Karte gesehen. Dabei soll es zu einer rassistischen Beleidigung durch den Vierten Offiziellen gekommen sein. Sebastian Colescu wurde vorgeworfen, eine rassistische Formulierung für Schwarze benutzt zu haben, die im Deutschen mit dem Begriff „N-Wort“umschrieben wird. Anschließend versuchte das Schiedsrichterteam aus Rumänien, sich damit zu verteidigen, dass der Vierte Offizielle das rumänische Wort für Schwarzer (negru) benutzt habe und nicht das „N-Wort“.
Webo, Basaksehirs Stürmer Demba Ba und andere waren anschließend zu hören, wie sie lautstark darauf hinwiesen, dass die
Schiedsrichter bei einem weißen Spieler auch nicht „der Weiße“gesagt hätten, um diesen zu identifizieren. Webos Rote Karte wurde gestern von der UEFA zurückgenommen.
Istanbuler Clubs vereinen sich
In den sozialen Netzwerken bekundeten Tausende ihre Solidarität. Das Fare-Netzwerk gegen Diskriminierung wertete die Ereignisse als wichtiges Signal im Kampf gegen Rassismus. „Dass Basaksehir und PSG zusammen das Spielfeld verlassen haben, setzt ein Zeichen in Europa“, sagte der Fare-Geschäftsführer Piara Powar der Nachrichtenagentur AP.
Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan verurteilte „die rassistische Aussage gegenüber Pierre Webo“und teilte via Twitter mit: „Wir sind bedingungslos gegen Rassismus und Diskriminierung im Sport und in allen Lebensbereichen.“Auch die ansonsten heftig rivalisierenden Istanbuler Vereine wie Galatasaray oder Fenerbahce äußerten in den sozialen Netzwerken Respekt und Solidarität.
Schiedsrichter Ovidiu Hategan, der versuchte, die Spieler zum Weitermachen zu bewegen, hatte schon mal mit Rassismus in einem Champions-League-Spiel zu tun. Vor sieben Jahren leitete er die Partie von Manchester City bei ZSKA Moskau, in der ihn Yaya Touré auf beleidigende Rufe aus dem Publikum aufmerksam gemacht hatte.
Hategan hatte die Vorfälle in seinen Spielbericht aufgenommen, aber ansonsten keine weiteren Maßnahmen eingeleitet. ZSKA hatte in der Folge im Heimspiel gegen den FC Bayern München auf einen Teil der Zuschauer verzichten müssen. dpa