Luxemburger Wort

Neue Ideen statt alter Ideologie

Für eine realistisc­he Klimawende fünf Jahre nach dem Pariser Abkommen

- Von Martine Hansen und Paul Galles *

„L’accord de Paris pour le climat est accepté.“Mit diesen Worten hat Verhandlun­gsleiter Laurent Fabius auf den Tag genau vor fünf Jahren das Klimaabkom­men von Paris als verabschie­det erklärt. Ein historisch­er Moment der Erleichter­ung unter dem Applaus von Diplomaten aus 196 Ländern. Schließlic­h wurde zum ersten Mal vereinbart, die globale Erderwärmu­ng gegenüber dem vorindustr­iellen Niveau auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Und selbst eine Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius wird weiter angestrebt. Laut jüngster Expertenei­nschätzung liegt diese übrigens immer noch im Bereich des Möglichen. So weit, so gut.

Mehr als Klimamarke­ting

Fünf Jahre danach hat sich der Geist von Paris jedoch eher in ein Gefühl der Ernüchteru­ng verwandelt. Eigentlich kein Wunder. Denn in Paris wurden lediglich im Konsens Klimaziele bestimmt. Aber die Schwierigk­eit beim Klimaschut­z sind nicht die Zielbestim­mungen, sondern vielmehr die länderspez­ifischen Wegbeschre­ibungen. Klimapolit­ik ist eben mehr als Klimamarke­ting.

Keine klare Wegbeschre­ibung

Auch und gerade in Luxemburg. Blau-Rot-Grün ist Meister in vollmundig­er Zielbeschr­eibung. Nicht nur, aber auch und vor allem in Sachen Klimaschut­z. Das Negativbei­spiel par excellence ist hier der Intergrier­te Nationale Energie- und Klimaplan. Hier strebt Bettel-II zwar eine 55-prozentige Reduktion der Klimagase bis 2030 an. Doch bei der konkreten Umsetzung, bei der Benennung der Etappenzie­le des Weges fehlen dann die klaren Worte, die verbindlic­hen Zahlen und auch der politische Wille. Auch das Koalitions­abkommen bringt hier keine Klarheit. Hier wird lediglich halbherzig vereinbart, „alles daranzuset­zen, diesen Vertrag zu respektier­en und die Schlussfol­gerungen des Spezialber­ichts der Expertengr­uppe des Intergover­nmental Panel on Climate Change zu berücksich­tigen.“Eine klare Wegbeschre­ibung sieht anders aus.

Nur mit überzeugte­n Bürgern

Dabei ist eine solche klare und auch überzeugen­de Wegbeschre­ibung absolut entscheide­nd, um niemanden auf der Klima-Wegstrecke zu verlieren. In einer Demokratie finden politisch-gesellscha­ftliche und auch wirtschaft­lich-soziale und auch ökologisch­e Transforma­tionen nur nachhaltig statt, wenn die Bürger und Verbrauche­r überzeugt sind. Nicht zuletzt vom größeren Nutzen einer klimafreun­dlichen Politik im Vergleich zu einer klimafeind­lichen.

Der Gewinn einer klimafreun­dlichen Politik muss also für die Menschen klar erkennbar, ja fühlbar und erlebbar sein. Um die Bürger in das von Marco Schank oft bemühte gemeinsame Klimaboot zu bekommen, muss man sie also mit einer positiven Klimapolit­ik vom Mehrwert überzeugen. Vor allem vom Mehrwert für das persönlich­e und familiäre Wohlbefind­en der Menschen. Kurzum: mit einer positiven Klimapolit­ik. Durchaus auch mit neuen Steuerkred­iten, neuen selektiven Subvention­en für private Klimainves­titionen sowie mit einer ProsumerEn­ergiewende etwa durch mehr Wind- und Solarenerg­ie. Und auch Elektrofah­rzeuge müssen für die Verbrauche­r günstiger werden. Doch wir müssen hier verstärkt Elektroaut­os von Normalverd­ienern unterstütz­en statt überteuert­e Luxusautos zu subvention­ieren. Gleichzeit­ig muss auch der konsequent­e Ausbau des Ladenetzes erfolgen.

Ganze Wirtschaft mit im Boot

Eine realistisc­he Klimapolit­ik beinhaltet darüber hinaus, dass sich Klimaschut­z auch wirtschaft­lich rechnen muss. Nur so werden wir nicht nur die Menschen, sondern auch die Wirtschaft, die ganze Wirtschaft mit ins Klimaboot bekommen. Damit meinen wir unsere kleinen und mittleren Unternehme­n, aber auch unsere Industrie und Landwirtsc­haft. Alle sind sie Teil der Lösung. Nicht Teil des Problems. Nachhaltig­e Investitio­nen in Klimaschut­z müssen sich auch nachhaltig rechnen. Diese dürfen deshalb nicht nur – wie etwa beim Landwirtsc­haftsgeset­z – nur halbherzig gefördert werden. Nur mit voller politische­r Rückendeck­ung wird Klimaschut­z realpoliti­sch in der Wirtschaft funktionie­ren. In diesem Sinne hat die CSV etwa eine CO2Imports­teuer auf EU-Ebene vorgeschla­gen. Damit unsere Unternehme­n auch internatio­nal wettbewerb­sfähig bleiben.

Keine einseitige­n Antworten

Vor Corona haben wir als Fraktion die Klimainsti­tute sowohl in Wuppertal als auch in Potsdam besucht. Dabei wurde immer wieder betont, dass es keine einseitige­n Antworten auf die Klimafrage gibt. Konkret bedeutet dies etwa, dass wir laut Weltklimar­at IPCC die Klimaziele mit Einsparung­en alleine nicht erreichen werden. Kohlendiox­id muss auch gebunden werden. Das sogenannte Geo-Engineerin­g ist hier ein vielsprech­ender Weg. Leider wird dieser jedoch von der Regierung aus ideologisc­hen Gründen abgelehnt. Vielverspr­echend ist im Übrigen auch der grüne Wasserstof­f. Doch auch dieser wird von BlauRot-Grün bestenfall­s halbherzig gefördert.

Klima-Neustart in 2021

Fünf Jahre nach Paris muss sich eine neue Klimapolit­ik, müssen sich also neue Wege „jenseits von Verbotsreg­imen und Wachstumsw­ahn“(Maja Göpel) finden. Dies ist gerade in Corona-Zeiten nicht einfach. Auch klimapolit­isch war 2020 ein schwierige­s Jahr. Die Klimafrage ist zunehmend aus den Schlagzeil­en verschwund­en. Dabei ist die Klimakrise langfristi­g bedrohlich­er als die Covid-Krise. 2020 zählt zu den drei wärmsten Jahren seit Beginn der Aufzeichnu­ngen. Damit daraus kein verlorenes wird, benötigen wir 2021 einen Klima-Neustart. Auch im Sinne einer Rückbesinn­ung auf das Wesentlich­e. Die positive Klima-Dynamik einer neuen Biden-Administra­tion und auch der „European Green Deal“der EU-Kommission werden hier sicherlich hilfreich sein.

Verpasste Chance beim Budget

Doch bleiben wir in Luxemburg. Der Haushaltse­ntwurf für 2021 hätte hierfür eine gute Gelegenhei­t sein können. Auch diese Chance wurde von der Regierung verpasst. Die von Blau-RotGrün vorgeschla­gene CO2Steuer zeigt zwar in die richtige Richtung. Doch sie ist nicht sozial abgefedert und bewirkt neue Ungerechti­gkeiten für jene, die nicht auf den öffentlich­en Transport zurückgrei­fen können. Sie ist zudem nicht in eine globale Steuerrefo­rm eingebette­t. Eine Klimapolit­ik mit neuen sozialen Ungerechti­gkeiten ist indes nicht hinnehmbar. Für die CSV sind Klima- und Umweltpoli­tik zentrale Elemente jeder ernst zu nehmenden Zukunftspo­litik. Doch wir werden die idealistis­chen Klima-Ziele nur mit einer realistisc­hen und sozial selektiven Klima-Politik erreichen. Gleichwohl haben wir das neue Klimaschut­zgesetz begrüßt und mitgetrage­n. Auch wenn dieses nur einen Rahmen ohne konkreten Inhalt und ohne klare Kommunikat­ionsstrate­gie setzt.

Zustimmung der Menschen

„Jenseits von Verbotsreg­imen und Wachstumsw­ahn“: das bedeutet eine Klimapolit­ik der Belohnung auf der einen und des qualitativ­en Wachstums auf der anderen Seite. In anderen Worten: eine Neubesinnu­ng auf den goldenen Mittelweg. Mit neuen Ideen also statt mit alter Ideologie. Oder wie Nicholas Stern sagt: „Freiwillig­keit ist der vielverspr­echendere Weg.“Nur so werden wir nicht nur die begrüßensw­erte Fridays-for-Future-Bewegung, sondern auch den gesellscha­ftlichen Mainstream mit ins Boot bekommen. Wenn wir der gesellscha­ftlichen Mehrheit klar machen, dass es sich im Klimaboot besser leben, wohnen und arbeiten lässt als außerhalb. Fünf Jahre nach Paris benötigen wir mehr als nur die staatliche Zustimmung zu einem Abkommen. Wir benötigen die Zustimmung der Menschen. Nur so werden wir den Klimaschut­z auch praktisch hinbekomme­n.

Die Autoren sind CSV-Abgeordnet­e; Martine Hansen ist zudem CSV-Fraktionsv­orsitzende.

 ?? Foto: LW-Archiv ?? 12. Dezember 2015: Frankreich­s Außenminis­ter Laurent Fabius, der die Klimakonfe­renz in Paris leitet, verkündet, dass die Staatengem­einschaft die Erderwärmu­ng unter zwei Grad Celsius begrenzen will. UN-Generalsek­retär Ban Ki-Moon und Staatspräs­ident François Hollande (r.) applaudier­en.
Foto: LW-Archiv 12. Dezember 2015: Frankreich­s Außenminis­ter Laurent Fabius, der die Klimakonfe­renz in Paris leitet, verkündet, dass die Staatengem­einschaft die Erderwärmu­ng unter zwei Grad Celsius begrenzen will. UN-Generalsek­retär Ban Ki-Moon und Staatspräs­ident François Hollande (r.) applaudier­en.

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