Neue Ideen statt alter Ideologie
Für eine realistische Klimawende fünf Jahre nach dem Pariser Abkommen
„L’accord de Paris pour le climat est accepté.“Mit diesen Worten hat Verhandlungsleiter Laurent Fabius auf den Tag genau vor fünf Jahren das Klimaabkommen von Paris als verabschiedet erklärt. Ein historischer Moment der Erleichterung unter dem Applaus von Diplomaten aus 196 Ländern. Schließlich wurde zum ersten Mal vereinbart, die globale Erderwärmung gegenüber dem vorindustriellen Niveau auf unter zwei Grad Celsius zu begrenzen. Und selbst eine Begrenzung auf 1,5 Grad Celsius wird weiter angestrebt. Laut jüngster Experteneinschätzung liegt diese übrigens immer noch im Bereich des Möglichen. So weit, so gut.
Mehr als Klimamarketing
Fünf Jahre danach hat sich der Geist von Paris jedoch eher in ein Gefühl der Ernüchterung verwandelt. Eigentlich kein Wunder. Denn in Paris wurden lediglich im Konsens Klimaziele bestimmt. Aber die Schwierigkeit beim Klimaschutz sind nicht die Zielbestimmungen, sondern vielmehr die länderspezifischen Wegbeschreibungen. Klimapolitik ist eben mehr als Klimamarketing.
Keine klare Wegbeschreibung
Auch und gerade in Luxemburg. Blau-Rot-Grün ist Meister in vollmundiger Zielbeschreibung. Nicht nur, aber auch und vor allem in Sachen Klimaschutz. Das Negativbeispiel par excellence ist hier der Intergrierte Nationale Energie- und Klimaplan. Hier strebt Bettel-II zwar eine 55-prozentige Reduktion der Klimagase bis 2030 an. Doch bei der konkreten Umsetzung, bei der Benennung der Etappenziele des Weges fehlen dann die klaren Worte, die verbindlichen Zahlen und auch der politische Wille. Auch das Koalitionsabkommen bringt hier keine Klarheit. Hier wird lediglich halbherzig vereinbart, „alles daranzusetzen, diesen Vertrag zu respektieren und die Schlussfolgerungen des Spezialberichts der Expertengruppe des Intergovernmental Panel on Climate Change zu berücksichtigen.“Eine klare Wegbeschreibung sieht anders aus.
Nur mit überzeugten Bürgern
Dabei ist eine solche klare und auch überzeugende Wegbeschreibung absolut entscheidend, um niemanden auf der Klima-Wegstrecke zu verlieren. In einer Demokratie finden politisch-gesellschaftliche und auch wirtschaftlich-soziale und auch ökologische Transformationen nur nachhaltig statt, wenn die Bürger und Verbraucher überzeugt sind. Nicht zuletzt vom größeren Nutzen einer klimafreundlichen Politik im Vergleich zu einer klimafeindlichen.
Der Gewinn einer klimafreundlichen Politik muss also für die Menschen klar erkennbar, ja fühlbar und erlebbar sein. Um die Bürger in das von Marco Schank oft bemühte gemeinsame Klimaboot zu bekommen, muss man sie also mit einer positiven Klimapolitik vom Mehrwert überzeugen. Vor allem vom Mehrwert für das persönliche und familiäre Wohlbefinden der Menschen. Kurzum: mit einer positiven Klimapolitik. Durchaus auch mit neuen Steuerkrediten, neuen selektiven Subventionen für private Klimainvestitionen sowie mit einer ProsumerEnergiewende etwa durch mehr Wind- und Solarenergie. Und auch Elektrofahrzeuge müssen für die Verbraucher günstiger werden. Doch wir müssen hier verstärkt Elektroautos von Normalverdienern unterstützen statt überteuerte Luxusautos zu subventionieren. Gleichzeitig muss auch der konsequente Ausbau des Ladenetzes erfolgen.
Ganze Wirtschaft mit im Boot
Eine realistische Klimapolitik beinhaltet darüber hinaus, dass sich Klimaschutz auch wirtschaftlich rechnen muss. Nur so werden wir nicht nur die Menschen, sondern auch die Wirtschaft, die ganze Wirtschaft mit ins Klimaboot bekommen. Damit meinen wir unsere kleinen und mittleren Unternehmen, aber auch unsere Industrie und Landwirtschaft. Alle sind sie Teil der Lösung. Nicht Teil des Problems. Nachhaltige Investitionen in Klimaschutz müssen sich auch nachhaltig rechnen. Diese dürfen deshalb nicht nur – wie etwa beim Landwirtschaftsgesetz – nur halbherzig gefördert werden. Nur mit voller politischer Rückendeckung wird Klimaschutz realpolitisch in der Wirtschaft funktionieren. In diesem Sinne hat die CSV etwa eine CO2Importsteuer auf EU-Ebene vorgeschlagen. Damit unsere Unternehmen auch international wettbewerbsfähig bleiben.
Keine einseitigen Antworten
Vor Corona haben wir als Fraktion die Klimainstitute sowohl in Wuppertal als auch in Potsdam besucht. Dabei wurde immer wieder betont, dass es keine einseitigen Antworten auf die Klimafrage gibt. Konkret bedeutet dies etwa, dass wir laut Weltklimarat IPCC die Klimaziele mit Einsparungen alleine nicht erreichen werden. Kohlendioxid muss auch gebunden werden. Das sogenannte Geo-Engineering ist hier ein vielsprechender Weg. Leider wird dieser jedoch von der Regierung aus ideologischen Gründen abgelehnt. Vielversprechend ist im Übrigen auch der grüne Wasserstoff. Doch auch dieser wird von BlauRot-Grün bestenfalls halbherzig gefördert.
Klima-Neustart in 2021
Fünf Jahre nach Paris muss sich eine neue Klimapolitik, müssen sich also neue Wege „jenseits von Verbotsregimen und Wachstumswahn“(Maja Göpel) finden. Dies ist gerade in Corona-Zeiten nicht einfach. Auch klimapolitisch war 2020 ein schwieriges Jahr. Die Klimafrage ist zunehmend aus den Schlagzeilen verschwunden. Dabei ist die Klimakrise langfristig bedrohlicher als die Covid-Krise. 2020 zählt zu den drei wärmsten Jahren seit Beginn der Aufzeichnungen. Damit daraus kein verlorenes wird, benötigen wir 2021 einen Klima-Neustart. Auch im Sinne einer Rückbesinnung auf das Wesentliche. Die positive Klima-Dynamik einer neuen Biden-Administration und auch der „European Green Deal“der EU-Kommission werden hier sicherlich hilfreich sein.
Verpasste Chance beim Budget
Doch bleiben wir in Luxemburg. Der Haushaltsentwurf für 2021 hätte hierfür eine gute Gelegenheit sein können. Auch diese Chance wurde von der Regierung verpasst. Die von Blau-RotGrün vorgeschlagene CO2Steuer zeigt zwar in die richtige Richtung. Doch sie ist nicht sozial abgefedert und bewirkt neue Ungerechtigkeiten für jene, die nicht auf den öffentlichen Transport zurückgreifen können. Sie ist zudem nicht in eine globale Steuerreform eingebettet. Eine Klimapolitik mit neuen sozialen Ungerechtigkeiten ist indes nicht hinnehmbar. Für die CSV sind Klima- und Umweltpolitik zentrale Elemente jeder ernst zu nehmenden Zukunftspolitik. Doch wir werden die idealistischen Klima-Ziele nur mit einer realistischen und sozial selektiven Klima-Politik erreichen. Gleichwohl haben wir das neue Klimaschutzgesetz begrüßt und mitgetragen. Auch wenn dieses nur einen Rahmen ohne konkreten Inhalt und ohne klare Kommunikationsstrategie setzt.
Zustimmung der Menschen
„Jenseits von Verbotsregimen und Wachstumswahn“: das bedeutet eine Klimapolitik der Belohnung auf der einen und des qualitativen Wachstums auf der anderen Seite. In anderen Worten: eine Neubesinnung auf den goldenen Mittelweg. Mit neuen Ideen also statt mit alter Ideologie. Oder wie Nicholas Stern sagt: „Freiwilligkeit ist der vielversprechendere Weg.“Nur so werden wir nicht nur die begrüßenswerte Fridays-for-Future-Bewegung, sondern auch den gesellschaftlichen Mainstream mit ins Boot bekommen. Wenn wir der gesellschaftlichen Mehrheit klar machen, dass es sich im Klimaboot besser leben, wohnen und arbeiten lässt als außerhalb. Fünf Jahre nach Paris benötigen wir mehr als nur die staatliche Zustimmung zu einem Abkommen. Wir benötigen die Zustimmung der Menschen. Nur so werden wir den Klimaschutz auch praktisch hinbekommen.
Die Autoren sind CSV-Abgeordnete; Martine Hansen ist zudem CSV-Fraktionsvorsitzende.