Luxemburger Wort

Tanz auf rohen Eiern

- Von Marc Thill

Spätestens an Allerheili­gen hätten die Weichen ganz anders gestellt werden müssen. So hätte man vielleicht das nun auf uns zukommende Desaster zu Weihnachte­n noch abwenden können. Am Ende ist man immer klüger, aber hinter solchen Sprachflos­keln darf sich diese Regierung nicht verstecken. Nein, so ganz ohne Schuld an dem verpassten Fest ist sie nicht. Die Politik hätte es wissen müssen, ihr stehen ja die Zahlen und Prognosen der Wissenscha­ftler zur Verfügung. Sollte sie aber tatsächlic­h ahnungslos in diese Falle getappt sein, dann ist es noch viel schlimmer, und man muss sich ernsthafte Fragen über Kompetenz und Verantwort­ung stellen. Eine parlamenta­rische Untersuchu­ngskommiss­ion über die Corona-Politik ist daher unbedingt notwendig.

Andere Regierunge­n, denen man in der Corona-Pandemie ansonsten gerne nacheifert, gingen diesmal rigoroser vor. Frankreich und Belgien haben sich seit Längerem abgeschott­et. Deutschlan­d geht noch vor den Festtagen zum harten Lockdown über. Luxemburg aber zaudert. Bis heute, bis morgen, bis wann? Nie hat man richtig erkennen können, welche Karte die Politik ausspielen will. Ihre Corona-Strategie ist ein Zwitter, ein Hybrid, weder Fisch, noch Fleisch. Sie hat Vabanque gespielt und am Ende alles verloren. Die Zahl der Neuinfekti­onen geht nicht zurück, auch nicht die der Toten. Aber, man gewöhnt sich allmählich daran, es sind ja nur nackte Zahlen. Doch genau diese Gleichgült­igkeit erschreckt vielleicht am meisten.

Der Soft-Lockdown hat nichts gebracht. Warum aber hat diese Regierung darauf gesetzt? Vermutlich weil sie niemandem zu nahe treten wollte. Weder der Gastronomi­e noch der Geschäftsw­elt und auch nicht der Schule. Nur mit der Kultur durfte sie umgehen, wie es ihr passte, könnte man fast glauben. Jedem sitzt natürlich das Hemd näher als der Rock. Eine Regierung ist aber da, um Entscheidu­ngen zu treffen. Die Kirche hat das getan und an Allerheili­gen die Gräbersegn­ungen abgesagt, um so Familientr­effen zu verhindern. Versammeln tun sich die Menschen dennoch: an jedem geschäftso­ffenen Sonntag, in jeder Shoppingma­ll und auch noch bei der Einweihung der Tram.

Die Regierung lamentiert und larviert. Sie zögert und droht nur. Ihre Corona-Politik ist deshalb schwer zu verstehen, wird auch nie wissenscha­ftlicht untermauer­t. Ihre Strategie – „Ihr sollt gefälligst zuhause bleiben, sonst werden wir euch später mal einsperren“– läuft ins Leere. Wer Kinder hat, der weiß: Diese Masche funktionie­rt nur selten.

Und noch etwas: Gerade in der aktuellen Krise zeigt sich die Unzulängli­chkeit einer großen Dreierkoal­ition. Für jede politische Strömung muss etwas herausspri­ngen – auch in einer Krise! Liberalism­us und Vorsorgepo­litik tanzen auf rohen Eiern – am Ende aber gehen alle leer aus.

Der Gastronomi­e wird das Weihnachts­geschäft verpatzt, und ab Januar droht die Pleitewell­e. Die Kultur leidet und ist verbittert. Und die Schule fühlt sich alleine gelassen. Nur die Geschäfte dürfen noch. Und die Familien? Die Senioren? Sie bleiben an Weihnachte­n zuhause. Das Geschäft ist eh gelaufen. Die Politik? Sie predigt munter weiter: Ihr seid schuld, wir hatten’s ja so vorausgesa­gt.

Die Regierung lamentiert und larviert, sie zögert und droht nur.

 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg