Deutschland im Weihnachts-Lockdown
Volle Einkaufsstraßen, Kritik des Handels und mahnende Worte von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier
Berlin. Vor Beginn des harten Lockdowns in Deutschland hat Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier die Menschen zu Zusammenhalt aufgerufen – aber auch zu Zuversicht. „Ich bin sicher, die Verantwortung, die wir jetzt zeigen, die Lasten, die wir jetzt und noch eine Zeit tragen müssen, sind nicht vergeblich. Sie bringen uns dem Ende der Pandemie näher“, sagte er gestern in Berlin. Die kommenden Wochen seien eine Prüfung für alle. Deutschland sei aber ein starkes Land, weil in dieser Krise so viele Menschen füreinander da seien. „Ich bin ganz sicher: Die Pandemie wird uns die Zukunft nicht rauben. Wir werden diese Krise überwinden“, sagte Steinmeier.
Angesichts stark steigender Infektionsund Todeszahlen wird das öffentliche und private Leben von Mittwoch an stark heruntergefahren. Geschäfte – außer die für den täglichen Bedarf – müssen schließen. Schulen sollen geschlossen oder die Präsenzpflicht ausgesetzt werden. Private Treffen bleiben auf den eigenen und einen weiteren Haushalt, in jedem Fall aber auf maximal fünf Personen beschränkt. Kinder bis 14 Jahre sind ausgenommen. Nur über Weihnachten vom 24. bis 26. Dezember gibt es Lockerungen. In Sachsen wurde der Lockdown schon gestern wirksam. Die Einschnitte gelten vorerst bis zum 10. Januar.
Die Zahl der Neuinfektionen mit dem Corona-Virus bleibt auf hohem Niveau. Innerhalb eines Tages wurden 16 362 neue Fälle übermittelt, wie das Robert-Koch-Institut (RKI) bekanntgab. Das sind rund 4 000 Fälle mehr als vergangenen Montag, als die Zahl gemeldeter Neuinfektionen bei 12 332 lag.
Bayern will Testpflicht bei Einreise Steinmeier nannte die Lage „bitterernst“. Das Infektionsgeschehen drohe außer Kontrolle zu geraten. „Wir kommen an einschneidenden Maßnahmen nicht vorbei.“Oberstes Ziel müsse es sein, die Infektionszahlen schnellstmöglich zu senken.
Zu den Beschränkungen sagte das Staatsoberhaupt: „Feiern lassen sich nachholen, und über Geschenke freuen sich Freunde und Verwandte auch später noch. Was jetzt zählt, ist, Gesundheit zu erhalten und Menschenleben zu retten.“
Die Lage sei „bitterernst“, mahnt Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an. Foto: dpa
Zum Schutz vor Corona-Ansteckungen fordert Bayern derweil eine Testpflicht für Menschen, die aus dem Ausland nach Deutschland einreisen. „Wir brauchen am besten eine nationale Regelung, denn ich mache mir große Sorgen“, sagte Ministerpräsident Markus Söder (CSU) in München. Dies gelte insbesondere mit Blick auf die trotz der Pandemie geplanten Reisen zwischen Weihnachten und Neujahr. Von heute an können rund 27 Millionen Bürger aus Corona-Risikogruppen in Deutschland die ersten kostenlosen FFP2Masken erhalten.
Überfüllte Einkaufsstraßen
Die nahenden Ladenschließungen sorgten in Innenstädten für ungewöhnlich volle Einkaufsstraßen. Daten des auf die Messung von Kundenfrequenzen spezialisierten Unternehmens „Hystreet“zeigten am Montagmittag, dass in vielen Innenstädten überdurchschnittlich viele Verbraucher unterwegs waren.
Mit einem wirklich dramatischen Ansturm rechnete der Handelsverband HDE jedoch nicht. Der Städtetag nannte die Maßnahmen hart, aber richtig. „Die Menschen im ganzen Land stehen jetzt vor einer Bewährungsprobe“, sagte Hauptgeschäftsführer Helmut Dedy. Es gebe keine Alternative dazu, Kontakte zu reduzieren. Der HDE dringt darauf, Einzelhändlern zumindest die Übergabe von im Internet bestellter Ware in eigentlich geschlossenen Läden zu erlauben. Dies biete stationären Händlern die Möglichkeit, sich in der Krise jetzt im Wettbewerb gegen reine Onlinehändler zu behaupten. Auch würden Lieferdienste dadurch entlastet. Eine Maßnahme zur Entlastung führte die saarländische Stadt Homburg gestern kurzfristig ein: Geschäfte können dort heute bis 23 Uhr öffnen. Mit der verlängerten Öffnungszeit solle der Andrang besser verteilt und ein mögliches Infektionsrisiko verringert werden, teilte Bürgermeister Michael Forster (CDU) mit.
Die Bundesregierung wies unterdessen Kritik aus dem Handel zurück, wo stärkere Hilfen gefordert wurden. Firmen bekämen mit der verlängerten Überbrückungshilfe bis Ende Juni eine Perspektive, um Arbeitsplätze zu erhalten und ihren Betrieb fortzuführen, hieß es aus dem Finanzministerium. dpa