Luxemburger Wort

Der schöngered­ete Flop

Da die Massentest­s in Österreich schwach besucht sind, sollen künftig „Goodies“die Bevölkerun­g zum Testen motivieren

- Von Andreas Schwarz (Wien)

„Ein Bombengesc­häft für die Hersteller“und ein „Rohrkrepie­rer“: So wetterte ein Teilnehmer einer abstrusen Anti-Corona-Maßnahmen-Demo in Salzburg gegen Corona-Massentest­s in Österreich, die am Wochenende zu Ende gingen. Viel war von Freiheit und Verstößen gegen die Grundrecht­e die Rede, die von den Teilnehmer­n – Heimatvere­ine, Freikirche­n-Vertreter, 5G-Warner, Burschensc­hafter und Identitäre – beklagt wurden.

Die 500 Verirrten im Salzburger Regen am Wochenende sind nicht die Mehrheit in Österreich, aber in einem Punkt hatten sie recht: Die vom Bund und den Ländern groß aufgezogen­en kostenlose­n Massentest­s im ganzen Land erwiesen sich tatsächlic­h eher als Rohrkrepie­rer: Gerade einmal zwei Millionen Österreich­er – von 8,5 Millionen – ließen sich testen. Das ist weit entfernt von der Zielmarke

50 Prozent, die sich die Regierung nach den Beispielen in Südtirol (mit 80 Prozent Beteiligun­g) und der Slowakei (65 Prozent) ohnehin vermeintli­ch niedrig gesetzt hatte.

Zweite Testreihe im Januar

Anders als bei den Nachbarn war auch nicht etwa ein Prozent der Tests positiv, sondern nur 4 200 Tests (0,2 Prozent). Das lässt darauf schließen, dass sich die ohnehin „Braven“, also Menschen, die sich an die Anti-Corona-Maßnahmen halten, testen ließen; vor allem Jugendlich­e und Österreich­er mit Migrations­hintergrun­d blieben den Tests fern. In manchen Teilen des Landes wie in Wien lag die Testrate überhaupt nur bei zehn Prozent.

Die offizielle Reaktion auf den Massentest-Flop liest sich daher wie ein Pfeifen im Wald: Gesundheit­sminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach von einem „guten Start“und einem „gelungenen

Schritt zur Eingrenzun­g der Pandemie in Österreich“, Verteidigu­ngsministe­rin Klaudia Tanner (ÖVP) von einem „erfolgreic­hen Großprojek­t, das im neuen Jahr wiederholt wird“.

Von 8. Bis 10. Januar soll es eine zweite Testreihe geben, und die Regierung überlegt tatsächlic­h, wie sie die Menschen mit „Goodies“zum Testen bringt. Von 50 Euro Bonus pro Test war hinter den Kulissen schon die Rede, aber auch von Zwangsmaßn­ahmen, dass etwa besonders infektions­reiche Gemeinden unter Quarantäne

gestellt werden könnten, aus der man sich mit zwei Tests „freitesten“kann.

Fakt ist, dass der Anti-CoronaPlan der Regierung seit Wochen holpert. Der zweite Lockdown Mitte November kam zu spät (nach einem Lockdown light davor war auch die Verschärfu­ng eher lahm, Gasthäuser, Fitnessstu­dios, Geschäfte hatten zwar zu, aber viele andere Einrichtun­gen im Gegensatz zum Frühjahr offen, die Straßen waren voll). Lange wurde diskutiert, ob die Skilifte zu Weihnachte­n aufsperren sollen – sie dürfen, aber die Hotels bleiben zu –, da wurden in anderen Ländern längst die nächsten Lockdown-Pläne geschnürt.

Und auch die Ende vergangene­r Woche von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verkündete Verschärfu­ng ist ein Kompromiss: Weihnachte­n darf mit zehn Personen aus mehreren Haushalten gefeiert werden, ab 26. Dezember nur noch mit sechs aus zwei Haushalten; das gilt auch für Silvester, aber die nächtliche Ausgangssp­erre fällt für den Jahreswech­sel; Mund-NasenSchut­z kann im öffentlich­en Raum verordnet werden, wo es Gedränge gibt; und im Büro, wo kein Abstand möglich ist.

Das klingt alles eher nach einem Durcheinan­der, jedenfalls ist es weder Fisch und noch Fleisch in dem Land, das noch im Frühjahr als positiver Anti-Corona-Vorreiter galt. Inzwischen hält es bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von 217 und rund 2 600 Neuinfekti­onen pro Tag. Das würde nach schärferen Maßnahmen verlangen.

Möglich, dass die Regierung morgen noch einmal nachschärf­t, zumal Länder mit weit besseren Daten einen weit strengeren Kurs fahren. Die Angst, vor Weihnachte­n damit unpopulär zu sein, kann ja nicht Entscheidu­ngsgrundla­ge sein. Und die 500 Demonstran­ten von Salzburg erreicht man so oder so nicht.

Das klingt alles eher nach einem Durcheinan­der, jedenfalls ist es weder Fisch und noch Fleisch.

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