Der schöngeredete Flop
Da die Massentests in Österreich schwach besucht sind, sollen künftig „Goodies“die Bevölkerung zum Testen motivieren
„Ein Bombengeschäft für die Hersteller“und ein „Rohrkrepierer“: So wetterte ein Teilnehmer einer abstrusen Anti-Corona-Maßnahmen-Demo in Salzburg gegen Corona-Massentests in Österreich, die am Wochenende zu Ende gingen. Viel war von Freiheit und Verstößen gegen die Grundrechte die Rede, die von den Teilnehmern – Heimatvereine, Freikirchen-Vertreter, 5G-Warner, Burschenschafter und Identitäre – beklagt wurden.
Die 500 Verirrten im Salzburger Regen am Wochenende sind nicht die Mehrheit in Österreich, aber in einem Punkt hatten sie recht: Die vom Bund und den Ländern groß aufgezogenen kostenlosen Massentests im ganzen Land erwiesen sich tatsächlich eher als Rohrkrepierer: Gerade einmal zwei Millionen Österreicher – von 8,5 Millionen – ließen sich testen. Das ist weit entfernt von der Zielmarke
50 Prozent, die sich die Regierung nach den Beispielen in Südtirol (mit 80 Prozent Beteiligung) und der Slowakei (65 Prozent) ohnehin vermeintlich niedrig gesetzt hatte.
Zweite Testreihe im Januar
Anders als bei den Nachbarn war auch nicht etwa ein Prozent der Tests positiv, sondern nur 4 200 Tests (0,2 Prozent). Das lässt darauf schließen, dass sich die ohnehin „Braven“, also Menschen, die sich an die Anti-Corona-Maßnahmen halten, testen ließen; vor allem Jugendliche und Österreicher mit Migrationshintergrund blieben den Tests fern. In manchen Teilen des Landes wie in Wien lag die Testrate überhaupt nur bei zehn Prozent.
Die offizielle Reaktion auf den Massentest-Flop liest sich daher wie ein Pfeifen im Wald: Gesundheitsminister Rudolf Anschober (Grüne) sprach von einem „guten Start“und einem „gelungenen
Schritt zur Eingrenzung der Pandemie in Österreich“, Verteidigungsministerin Klaudia Tanner (ÖVP) von einem „erfolgreichen Großprojekt, das im neuen Jahr wiederholt wird“.
Von 8. Bis 10. Januar soll es eine zweite Testreihe geben, und die Regierung überlegt tatsächlich, wie sie die Menschen mit „Goodies“zum Testen bringt. Von 50 Euro Bonus pro Test war hinter den Kulissen schon die Rede, aber auch von Zwangsmaßnahmen, dass etwa besonders infektionsreiche Gemeinden unter Quarantäne
gestellt werden könnten, aus der man sich mit zwei Tests „freitesten“kann.
Fakt ist, dass der Anti-CoronaPlan der Regierung seit Wochen holpert. Der zweite Lockdown Mitte November kam zu spät (nach einem Lockdown light davor war auch die Verschärfung eher lahm, Gasthäuser, Fitnessstudios, Geschäfte hatten zwar zu, aber viele andere Einrichtungen im Gegensatz zum Frühjahr offen, die Straßen waren voll). Lange wurde diskutiert, ob die Skilifte zu Weihnachten aufsperren sollen – sie dürfen, aber die Hotels bleiben zu –, da wurden in anderen Ländern längst die nächsten Lockdown-Pläne geschnürt.
Und auch die Ende vergangener Woche von Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) verkündete Verschärfung ist ein Kompromiss: Weihnachten darf mit zehn Personen aus mehreren Haushalten gefeiert werden, ab 26. Dezember nur noch mit sechs aus zwei Haushalten; das gilt auch für Silvester, aber die nächtliche Ausgangssperre fällt für den Jahreswechsel; Mund-NasenSchutz kann im öffentlichen Raum verordnet werden, wo es Gedränge gibt; und im Büro, wo kein Abstand möglich ist.
Das klingt alles eher nach einem Durcheinander, jedenfalls ist es weder Fisch und noch Fleisch in dem Land, das noch im Frühjahr als positiver Anti-Corona-Vorreiter galt. Inzwischen hält es bei einer Sieben-Tages-Inzidenz von 217 und rund 2 600 Neuinfektionen pro Tag. Das würde nach schärferen Maßnahmen verlangen.
Möglich, dass die Regierung morgen noch einmal nachschärft, zumal Länder mit weit besseren Daten einen weit strengeren Kurs fahren. Die Angst, vor Weihnachten damit unpopulär zu sein, kann ja nicht Entscheidungsgrundlage sein. Und die 500 Demonstranten von Salzburg erreicht man so oder so nicht.
Das klingt alles eher nach einem Durcheinander, jedenfalls ist es weder Fisch und noch Fleisch.