Deutsch-polnischer „Big Data“-Deal
Der polnische Ölkonzern PKN Orlen kauft den Zeitungsverlag Polska Press und treibt damit die „Repolonisierung“der Medien voran
Für Polens Nationalpopulisten ist es ein Tag des Triumphs: Der staatliche Mineralölkonzern PKN Orlen erwirbt auf einen Schlag 20 Tageszeitungen, 120 Wochenblätter, sechs Druckereien und rund 500 Online-Portale. Bislang wurden sie vom Verlag Polska Press, einer hundertprozentigen Tochter der Verlagsgruppe Passau in Bayern, herausgegeben und betrieben. Die Kaufsumme, so schätzt die Wirtschaftszeitung „Puls Biznesu“, liegt bei rund rund 27 Millionen Euro.
Doch je mehr Details der „Repolonisierung“des „deutschen Verlags“ans Licht kommen, desto länger werden die Gesichter der Regierungsanhänger. Denn das einstige Flaggschiff des Verlags, die in Warschau mit dem stolzen Titel „Polska. The Times“erscheinende Tageszeitung, kommt seit Jahren nur mehr zwei Mal wöchentlich heraus – mit einer durchschnittlichen Auflage von zuletzt 2 500 verkauften Exemplaren.
Zwar liegen die Auflagen der anderen Lokal- und Regionalblätter um einiges höher, doch auch die
Medien von Polska Press folgen seit Jahren dem allgemeinen Markttrend: Es geht bergab. Die Spitzenposition unter allen Polska-PressTageszeitungen nimmt die „Gazeta Pomorska“mit Sitz in Bydgoszcz, dem früher deutschen Bromberg: Die täglich verkaufte Auflage liegt bei rund 25 500 Exemplaren. An zweiter Stelle platziert sich mit knapp 20 000 verkauften Exemplaren täglich der „Dziennik Zachodni“in den Wojewodschaften Schlesien und Oppeln. Schlusslichter sind das einstige Flaggschiff in Warschau und der „Kurier Lubelski“in der Wojewodschaft Lublin mit täglich knapp 2 800 verkauften Exemplaren.
Nach der Ernüchterung die Freude Nicht viel anders sieht es bei den 120 lokalen und regionalen Wochenblättern von Polska Press aus. Der laute Jubel über die wiedergewonnene „nationale Oberhoheit auf dem Lokal- und Regionalzeitungsmarkt“wich daher schon bald einer gewissen Ernüchterung, zumal die „deutschen Medien in polnischer Sprache“keineswegs „Sprachrohre der Regierung in Berlin“waren, wie die nationalpopulistische Propaganda der Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) den Polen immer weismachen wollte. Gut eine Woche nach der Übernahme des Verlags setzt sich die Überzeugung durch, dass das Wertvollste gar nicht die Zeitungen und Zeitschriften, die Druckereien oder die auf Regionalthemen spezialisierte Presseagentur sind, sondern die 500 Internet-Portale.
„Dank dieser Transaktion bekommen wir Zugang zu 17,4 Millionen Usern der Polska-Press-Portale“, freute sich denn auch OrlenChef Daniel Obajtek auf Twitter.
Diese „Big Data“, so Obajtek, „unterstützen den weiteren Ausbau des Massendateien-Tools.“Sie seien zugleich „das Schlüsselelement für den geplanten Ausbau der Einzelhandelskette von Orlen“. Gemeint sind die Tante- Emma-Läden in den Orlen-Tankstellen, die demnächst durch die landesweite Kiosk-Kette Ruch ergänzt werden sollen, die Orlen im November gekauft hat. Die Kioske sollen überall da, wo dies möglich ist, zu OrlenLäden mit Würstchen-Verkauf und Paketpost-Stationen ausgebaut werden. Anders als die bisherigen Kioske würden diese Läden nicht mehr verpflichtet sein, alle Tageszeitungen und politischen Magazine anzubieten.
Die Übernahme des Zeitungsverlags durch den staatlich kontrollierten Ölkonzern Orlen lässt nicht nur an die Übernahme vieler einst unabhängiger russischer Medien durch den Ölkonzern Gazprom denken, sondern könnte tatsächlich die seit Jahren von der PiS geforderte „Repolonisierung“oder „Restrukturisierung“der unabhängigen Medien in Polen einleiten. Polens größte noch regierungskritische Tageszeitung „Gazeta Wyborcza“befürchtet, dass dem „schwarzen Tag für Polens Pressefreiheit und Medienpluralität“die Umgestaltung vieler Internet-Portale in verkappte PiS-PropagandaPortale nachfolgen könnte. Immerhin sind die 17,4 Millionen User alles Wähler, die landesweit, aber eben auch auf regionaler und kommunaler Ebene abstimmen. Der zentrale Zugang zu allen 500 Polska-Press-Portalen würde es der PiS erlauben, Millionen Wähler mit ganz gezielten Propaganda-Botschaften zu erreichen.
Unabhängige Presse ruinieren
Die zu Orlen-Läden umfunktionierten Kioske wiederum könnten regierungskritische Medien nicht mehr anbieten oder sie hinter den PiS-freundlichen Medien verstecken, so wie dies heute auch schon in den Orlen-Tankstellen der Fall ist. Wirtschaftlich dürfte dies – zusammen mit dem Reklame-Boykott durch staatlich kontrollierte Unternehmen – viele unabhängige Zeitungen und Zeitschriften an den Rand des Ruins treiben. Und genau das ist das Ziel.
Dank dieser Transaktion bekommen wir Zugang zu 17,4 Millionen Usern der Polska-PressPortale. Daniel Obajtek, Chef des Ölkonzerns PKN Orlen