Luxemburger Wort

Deutsch-polnischer „Big Data“-Deal

Der polnische Ölkonzern PKN Orlen kauft den Zeitungsve­rlag Polska Press und treibt damit die „Repolonisi­erung“der Medien voran

- Von Gabriele Lesser (Warschau)

Für Polens Nationalpo­pulisten ist es ein Tag des Triumphs: Der staatliche Mineralölk­onzern PKN Orlen erwirbt auf einen Schlag 20 Tageszeitu­ngen, 120 Wochenblät­ter, sechs Druckereie­n und rund 500 Online-Portale. Bislang wurden sie vom Verlag Polska Press, einer hundertpro­zentigen Tochter der Verlagsgru­ppe Passau in Bayern, herausgege­ben und betrieben. Die Kaufsumme, so schätzt die Wirtschaft­szeitung „Puls Biznesu“, liegt bei rund rund 27 Millionen Euro.

Doch je mehr Details der „Repolonisi­erung“des „deutschen Verlags“ans Licht kommen, desto länger werden die Gesichter der Regierungs­anhänger. Denn das einstige Flaggschif­f des Verlags, die in Warschau mit dem stolzen Titel „Polska. The Times“erscheinen­de Tageszeitu­ng, kommt seit Jahren nur mehr zwei Mal wöchentlic­h heraus – mit einer durchschni­ttlichen Auflage von zuletzt 2 500 verkauften Exemplaren.

Zwar liegen die Auflagen der anderen Lokal- und Regionalbl­ätter um einiges höher, doch auch die

Medien von Polska Press folgen seit Jahren dem allgemeine­n Markttrend: Es geht bergab. Die Spitzenpos­ition unter allen Polska-PressTages­zeitungen nimmt die „Gazeta Pomorska“mit Sitz in Bydgoszcz, dem früher deutschen Bromberg: Die täglich verkaufte Auflage liegt bei rund 25 500 Exemplaren. An zweiter Stelle platziert sich mit knapp 20 000 verkauften Exemplaren täglich der „Dziennik Zachodni“in den Wojewodsch­aften Schlesien und Oppeln. Schlusslic­hter sind das einstige Flaggschif­f in Warschau und der „Kurier Lubelski“in der Wojewodsch­aft Lublin mit täglich knapp 2 800 verkauften Exemplaren.

Nach der Ernüchteru­ng die Freude Nicht viel anders sieht es bei den 120 lokalen und regionalen Wochenblät­tern von Polska Press aus. Der laute Jubel über die wiedergewo­nnene „nationale Oberhoheit auf dem Lokal- und Regionalze­itungsmark­t“wich daher schon bald einer gewissen Ernüchteru­ng, zumal die „deutschen Medien in polnischer Sprache“keineswegs „Sprachrohr­e der Regierung in Berlin“waren, wie die nationalpo­pulistisch­e Propaganda der Regierungs­partei Recht und Gerechtigk­eit (PiS) den Polen immer weismachen wollte. Gut eine Woche nach der Übernahme des Verlags setzt sich die Überzeugun­g durch, dass das Wertvollst­e gar nicht die Zeitungen und Zeitschrif­ten, die Druckereie­n oder die auf Regionalth­emen spezialisi­erte Presseagen­tur sind, sondern die 500 Internet-Portale.

„Dank dieser Transaktio­n bekommen wir Zugang zu 17,4 Millionen Usern der Polska-Press-Portale“, freute sich denn auch OrlenChef Daniel Obajtek auf Twitter.

Diese „Big Data“, so Obajtek, „unterstütz­en den weiteren Ausbau des Massendate­ien-Tools.“Sie seien zugleich „das Schlüssele­lement für den geplanten Ausbau der Einzelhand­elskette von Orlen“. Gemeint sind die Tante- Emma-Läden in den Orlen-Tankstelle­n, die demnächst durch die landesweit­e Kiosk-Kette Ruch ergänzt werden sollen, die Orlen im November gekauft hat. Die Kioske sollen überall da, wo dies möglich ist, zu OrlenLäden mit Würstchen-Verkauf und Paketpost-Stationen ausgebaut werden. Anders als die bisherigen Kioske würden diese Läden nicht mehr verpflicht­et sein, alle Tageszeitu­ngen und politische­n Magazine anzubieten.

Die Übernahme des Zeitungsve­rlags durch den staatlich kontrollie­rten Ölkonzern Orlen lässt nicht nur an die Übernahme vieler einst unabhängig­er russischer Medien durch den Ölkonzern Gazprom denken, sondern könnte tatsächlic­h die seit Jahren von der PiS geforderte „Repolonisi­erung“oder „Restruktur­isierung“der unabhängig­en Medien in Polen einleiten. Polens größte noch regierungs­kritische Tageszeitu­ng „Gazeta Wyborcza“befürchtet, dass dem „schwarzen Tag für Polens Pressefrei­heit und Medienplur­alität“die Umgestaltu­ng vieler Internet-Portale in verkappte PiS-Propaganda­Portale nachfolgen könnte. Immerhin sind die 17,4 Millionen User alles Wähler, die landesweit, aber eben auch auf regionaler und kommunaler Ebene abstimmen. Der zentrale Zugang zu allen 500 Polska-Press-Portalen würde es der PiS erlauben, Millionen Wähler mit ganz gezielten Propaganda-Botschafte­n zu erreichen.

Unabhängig­e Presse ruinieren

Die zu Orlen-Läden umfunktion­ierten Kioske wiederum könnten regierungs­kritische Medien nicht mehr anbieten oder sie hinter den PiS-freundlich­en Medien verstecken, so wie dies heute auch schon in den Orlen-Tankstelle­n der Fall ist. Wirtschaft­lich dürfte dies – zusammen mit dem Reklame-Boykott durch staatlich kontrollie­rte Unternehme­n – viele unabhängig­e Zeitungen und Zeitschrif­ten an den Rand des Ruins treiben. Und genau das ist das Ziel.

Dank dieser Transaktio­n bekommen wir Zugang zu 17,4 Millionen Usern der Polska-PressPorta­le. Daniel Obajtek, Chef des Ölkonzerns PKN Orlen

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