„Der Druck wird größer“
Studie zu Vermögensverwaltern mahnt: Wer eine Zukunft haben will, muss jetzt handeln
Schon vor der Corona-Krise bestand Handlungsbedarf für die Vermögensverwalter, ein profitables, zukunftssicheres Geschäft zu gewährleisten. Die langfristigen Folgen der Pandemie dürften die europäischen Asset-Manager noch weiter unter Druck setzen, die sich zudem in Fragen von Umweltschutz, Sozialstandards und guter Unternehmensführung (ESG) klar positionieren müssen.
Das geht aus einer aktuellen Studie der Strategie- und Managementberatung zeb mit Hauptsitz Münster und Niederlassung in Luxemburg hervor. Analysiert wurden 44 große Asset-ManagementGesellschaften mit einem signifikanten Geschäft in Europa, die mit insgesamt etwa 34 Billionen Euro rund ein Drittel der global verwalteten Vermögen betreuen.
Im Detail ergab die Studie, dass intensiver Wettbewerb, fallende Gebühren und hohe Kosten die Profitabilität der europäischen Asset-Management-Industrie stark unter Druck setzen.
Carsten Wittrock, Mitautor der Studie und zeb-Partner, erläutert: „Das Kostenwachstum übersteigt aktuell bei den meisten Asset-Managern das Ertragswachstum, sodass die durchschnittlichen Gewinne fallen.“
Zunehmende Marktkonzentration
Die Gebühren stehen aufgrund der langfristig im Durchschnitt eher mäßigen Performance aktiver Fondsmanager, der erhöhten Transparenz und des anhaltenden Erfolgs passiver Anlagestrategien (ETF-Fonds) unter Druck. Auch das weiterhin niedrige Zinsniveau belaste. Lediglich bei den größten Anbietern ließ sich laut zeb zuletzt noch ein überdurchschnittliches Wachstum bei nahezu gleichbleibender Profitabilität beobachten. Während vor allem kleinere Asset-Manager unterdurchschnittliche Ergebnisse erreichten, verzeichneten die ganz Großen der Branche zudem den höchsten Neugeldzufluss. Im Vergleich zur zebStudie von 2019 ist demnach auch die Marktkonzentration weiter gestiegen: „Die zehn größten Unternehmen verwalten rund ein Drittel und die zehn Prozent größten Akteure fast zwei Drittel der gesamten Assets“, stellt die Untersuchung fest. Europa ist der zweitgrößte Markt weltweit, auf den 27 Prozent des gesamten verwalteten Vermögens entfallen.
Wer im Asset-Management profitabel sein möchte, muss laut zeb sein Geschäftsmodell strategisch klar positionieren, Kosten sparen und auch ESG-Anforderungen integrieren. Zum neuen Branchenstandard wird nach Ansicht der Studie nämlich die Orientierung der Asset-Management-Anbieter an ESG-Kriterien. Gleichwohl liegen Anspruch und Wirklichkeit der Anbieter in Hinblick auf ESGProdukte noch zu weit auseinander, so die Studie.
Um mehr Nachhaltigkeit in der Branche zu erreichen, fordert auch der europäische Fondsverband Efama die Schaffung eines zentralen elektronischen Registers für ESG-Daten in der EU. In Europa berücksichtigten laut Efama Ende 2019 Fonds mit einem verwalteten Vermögen von 10,7 Billionen ESGKriterien. Was diese Kriterien aber genau sind und wie streng sie angewendet werden, liegt an jedem Fonds selbst.
ESG wird zum „neuen Standard“
Europas Vermögensverwalter, so die zeb-Studie, müssen ESG als neuen Standard implementieren, nicht nur zur Unterscheidung von anderen, sondern, um zukunftsfähig zu sein. Vermögensverwalter wie Blackrock oder Union Investment sind schon länger dabei, Druck in dieser Hinsicht aufzubauen, und zwar auf Unternehmen, in die investiert wird. So sollen Unternehmen künftig klare Pläne vorlegen, wie sie beispielsweise ihre CO2-Emissionen bis 2050 auf Null herunterfahren können. Denn sowohl institutionelle wie private Anleger suchen mehr nachhaltige Investitionsmöglichkeiten: Fast die Hälfte des Geldes, das europäische Anleger im dritten Quartal 2020 in Fonds investierten, floss in Nachhaltigkeitsprodukte – oder solche, die sich so nennen. Denn der Markt ist unübersichtlich und komplex.
Laut KPMG gab es 2019 in Europa 2 816 „Responsible Investment“-Fonds in ganz Europa, ein Plus von 27 Prozent im Vergleich zu 2016. Luxemburg ist führend mit einem Anteil von 34 Prozent solcher Fonds. Nach der Recherche von Morningstar erreichte das Vermögen von ESG-Fonds im dritten Quartal des laufenden Jahres 882 Milliarden Euro. Auch hier variieren die Zahlen, weil es aufgrund fehlender Standards nicht einfach ist, die Zahl „nachhaltiger“Fonds zu zählen.
Sachin Vankalas, der die „Luxembourg Finance Labelling Agency“(Luxflag) leitet, die seit 2006 nachhaltige Geldanlagen zertifiziert, meinte noch vor Kurzem, wer heute nicht wisse, was ESG bedeute, der verliere Business und Kunden. Bald kann man vielleicht sagen, wer nicht ESG-konform investiert, verliert sein Business und seine Kunden. Noch aber ist es nicht so weit: Zwar will auch die Europäische Union (EU) massiv nachhaltiges Finanzwesen fördern, doch eine grundlegende Definition,
was denn nachhaltig ist, fehlt. Und um zu bestätigen, dass Inhalt und die Bezeichnung „ESG“übereinstimmen, bedarf es verlässlicher Zertifizierungen. In den letzten Monaten hat Luxflag deutlich mehr Fonds zertifiziert. Dahinter stehen rund 130 Milliarden Euro verwaltetes Vermögen. Eine beachtliche Summe, aber sehr wenig angesichts der mehr als 4 600 Milliarden insgesamt, die in Luxemburger Fonds stecken.
Wird es irgendwann eine verbindliche ESG-Definition geben? Sachin Vankalas meint, dass gemeinsame Mindestfaktoren, die ein ESG-Produkt berücksichtigen müsse, wichtiger seien. „Aus meiner Sicht ist ESG-Investieren eher eine Reise als ein Ziel, und wenn man dies berücksichtigt, werden sich die ESG-Faktoren im Laufe der Zeit natürlich entwickeln.“Vankalas fordert daher „dringend gemeinsame Mindestfaktoren und keine endgültige Definition.“
Bis spätestens zum 10. März 2021 müssen Investmentfonds und Vermögensverwalter die wichtigsten EU-Bestimmungen über nachhaltigkeitsbezogene Angaben erfüllen. „Alle Investmentfonds und Teilfonds – insgesamt 14 000 in Luxemburg – werden verpflichtet sein, Nachhaltigkeit in irgendeiner Form zu verankern“, teilt Luxemburgs Fondsverband Alfi dazu mit, und weiter: „Daraus ergeben sich jedoch keine verbindlichen Regeln für die Zusammensetzung des Portfolios dieser Fonds.“Der Druck, sich „ESG“zu nennen, steigt jedenfalls, verlangt Brüssel doch, dass ab kommendem Jahr Finanzberater ihre Kunden verpflichtend danach fragen müssen, ob sie bei der Geldanlage ökologische, ethische oder soziale Kriterien berücksichtigen wollen. Dann kommt es nur noch drauf an, dass auch ESG drin steckt, wo es draufsteht.