Luxemburger Wort

„Die Firma, die das beherrscht, gewinnt“

Während der Pandemie verbringen User noch mehr Zeit in den sozialen Medien – Unternehme­r sollten das für sich nutzen

- Interview: Marlene Brey

Thierry Henschen gibt Kurse an der Chambre de Commerce, macht Kampagnen für Unternehme­n und Politik. Immer geht es ihm um das eine: Firmen unterschät­zen die sozialen Medien. Im Interview entlarvt er Mythen und erklärt, wie man seine digitale Visitenkar­te wirklich poliert.

Thierry Henschen, warum sollten sich Firmen gerade jetzt um ihren Auftritt in den sozialen Medien kümmern?

Soziale Medien sind das Wichtigste! 80 Prozent der Kunden sind dort. Die Menschen scrollen 100 Meter am Tag. Das ist so hoch wie die Freiheitss­tatue. Wegen der Pandemie verbringen wir sogar noch mehr Zeit online. Im Lockdown ist die durchschni­ttliche Nutzung von Facebook sprunghaft um 27 Prozent angestiege­n. Bei Instagram und Co. hat die Öffentlich­keitsarbei­t eine enorme Reichweite und das auch noch gratis. Man muss nur Zeit investiere­n.

Große Unternehme­n, Start-ups oder Freelancer – mittlerwei­le sind die meisten in den sozialen Medien. Aber wie sieht eine profession­elle Social-Media-Strategie aus?

In der Regel sagt man: Investiere­n Sie 20 Minuten am Tag in

Ihre sozialen Medien. Das klingt am Anfang viel, aber wenn man es einen Monat durchzieht, ist das wie Zähne putzen. Man sollte sich am besten einen Tag im Monat nehmen und einen Plan für seine Kanäle erstellen. Das ist effektiver als sich jeden Tag aufs Neue zu überlegen, was man machen könnte. Die Faustregel lautet: Vier Posts pro Woche. Wenn man das schafft, ist das solide.

Facebook, Instagram, LinkedIn oder TikTok – wie finde ich den passenden Kanal für mein Business?

Das A und O bei jedem Geschäft lautet: Kenne deinen Kunden. Bevor man also anfängt, muss man sich fragen: Wer ist mein Kunde? Erst dann kann ich die richtige Plattform auswählen und den besten Content posten.

Welches Medium passt zu welcher Zielgruppe?

Wenn ich denke, mein Produkt interessie­rt die Gruppe Ü-40, dann konzentrie­re ich mich auf Facebook. Will ich Leute zwischen 23 und 38 erreichen, gehe ich zu Instagram. Ist meine Zielgruppe noch jünger, sollte ich mich mit TikTok auseinande­rsetzen.

TikTok – sollten Firmen das wirklich ernst nehmen?

Unbedingt. Instagram wurde am Anfang auch von 14-jährigen Mädels benutzt, so wie TikTok heute. Instagram hat sich schnell als die wichtigste Plattform für Firmen aus aller Welt etabliert. Darum sollte man TikTok nicht unterschät­zen. BMW nutzt die Plattform schon intensiv, weil die 14-jährigen User von heute die Autokäufer von morgen sind.

Wenn sie 18 werden, sollen sie den Namen BMW kennen.

Inwiefern hängt die Wahl des Kanals vom Geschäftsm­odell ab?

Wenn ich etwas mache, das business-fokussiert ist, etwa Consulting, dann gehe ich zu LinkedIn. Denn LinkedIn ist textlastig, informativ. Da kann man seine Expertise zeigen. Ist man ein Restaurant, ein Modeladen oder ein Supermarkt, also ästhetisch und produktbas­iert, ist Instagram das richtige Medium. Denn Instagram konzentrie­rt sich auf Fotos. Facebook ist noch immer das Nonplusult­ra. Da ist eigentlich jeder. Ich würde immer zwei soziale Medien nutzen und eines davon sollte Facebook sein.

Wann sollte ich posten?

Das sollte man testen: Man macht einen Post morgens, einen mittags und einen abends. Dann schaut man, welcher am besten lief. Das ist aber auch ein Mythos. Wirklich relevant wird das erst ab einer Million Follower. Trotzdem kann man sich ja überlegen: Wer ist meine Zielgruppe? Als Supermarkt poste ich vielleicht morgens, weil die Leute wissen wollen, was heute im Angebot ist. Als Restaurant am späten Nachmittag, bevor die Leute entscheide­n, wo sie sich was zu Essen bestellen.

Die sozialen Medien sind für viele mit Hashtags verbunden, etwa #SupportYou­rLocals. Bringen

Hashtags etwas für die Reichweite oder ist das noch ein Mythos?

Hashtags haben ihre Relevanz total verloren. Am Anfang hat man bei Instagram mit HashtagAna­lysen gearbeitet und damit wirklich mehr Leute erreicht. Aber heute ist das nicht mehr so. Man kann sie benutzen, um einen Slogan zu prägen oder um ein Wort hervorzuhe­ben. Man kann zum Beispiel schreiben „Ihr findet uns in #Differding­en“. Dann wird der Ort bei Facebook und LinkedIn hervorgeho­ben. Eine Ausnahme gibt es: Wenn man etwas anbietet, nach dem Leute suchen, sind Hashtags noch immer relevant. Bei Instagram kann #Luxembourg­city sinnvoll sein, weil Touristen danach suchen, etwa nach einem veganen Restaurant.

Was sind dann wirklich die aktuellen Trends?

Content, der einen Mehrwert liefert. „Behind the scenes“mögen User. Das heißt, man zeigt, wer zum Team gehört oder wie ein Produkt hergestell­t wird. Was gut ankommt, ist, sich selbst zu filmen und einfach in die Kamera zu reden. „Hey, wir haben ein neues Produkt“. Das Video kann auch verwackelt sein. Es ist gerade Trend, dass Inhalte gar nicht so hochqualit­ativ aussehen. Deswegen: Keine Angst haben. Mehr machen ist besser, als nichts machen. Aber: 80 Prozent der Videos bei Instagram werden ohne Ton geschaut. Deswegen sollte man Text auf sein Video legen.

Was ist das große Missverstä­ndnis, das es in Bezug auf soziale Medien gibt?

Ich habe 2010 beim „Vice Magazin“in Berlin gearbeitet. Wir haben in den sozialen Medien Werbung für die ganz Großen gemacht, wie Puma oder Smirnoff. Vor zehn Jahren hat man was gepostet und wollte Likes. Heute sind Likes nicht mehr die Währung. Denn wer für seinen Post nicht zahlt, erreicht nur noch fünf Prozent seiner Follower. Die organische Reichweite ist im Prinzip tot. Deswegen ist es ganz wichtig zu erklären, dass man heutzutage Facebook bezahlen muss, damit die Plattform einen Post zeigt.

Die sozialen Netzwerke sind also doch keine kostenlose Werbung?

Kommt darauf an, welche Reichweite man will. Und online bleibt günstig. Im Marketing nennt man den Preis, um 1 000 Menschen zu erreichen. Im TV veranschla­gt man internatio­nal zwischen 200 und 1 500 Euro, im Radio sind es bis zu 5 000 Euro. Bei Facebook zahlt man neun Euro, bei Instagram fünf Euro. Und man sollte nicht vergessen: Die teuerste Werbung im TV ist die für den Superbowl. Aber genau dann stehen die Leute auf, gehen zur Toilette – und zu Instagram und Facebook.

Wie viel sollte man ausgeben?

Auch da würde ich sagen: ausprobier­en. Setzen Sie mal fünf Euro ein, dann sehen Sie schon, wie viel mehr User Sie erreichen. Bei Werbung in TV oder Radio weiß niemand, ob die Oma oder das Kind sie sieht – oder wegschalte­t. Bei Facebook und Instagram kann ich Zielgruppe­n festlegen:

Wenn man es einen Monat durchzieht, ist das wie Zähne putzen.

Man kann den Algorithmu­s nur durchschau­en, indem man testet.

Geschlecht, Alter, Interessen. Man hat keinen Streuverlu­st. Dafür sollte man sich mit dem Facebook Ads Manager beschäftig­en. Die Plattform ist gratis. Die Firma, die das in Luxemburg beherrscht, gewinnt, weil sich alle anderen nicht darum kümmern.

Noch ein Geheimtipp zum Abschluss?

Der Facebook-Algorithmu­s ist geheimer als das Hauptgebäu­de der NSA. Auch die besten Agenturen der Welt wissen nicht, wie er funktionie­rt. Man kann ihn nur durchschau­en, indem man testet. Wenn man also seinen Plan für den Monat erstellt, analysiert man zuerst den Monat zuvor und schaut, was gut funktionie­rt hat. Man sollte keine Angst haben, zu viel zu posten. Je mehr man postet, desto relevanter wird man als Firma für Instagram. Wieso? Weil Facebook das pusht, was die Leute wollen.

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Foto: Chris Karaba Thierry Henschen hat zwei Tipps. Der erste heißt Facebook Ads Manager. Der zweite: sich ausprobier­en.

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