Luxemburger Wort

Erdogan legt die Sozialen Medien an die Kette

Türkei verhängt Millionens­trafen gegen Facebook, Twitter und Co. – doch das könnte nur der erste Schritt sein

- Von Gerd Höhler

Über 95 Prozent der türkischen Medien liegen bereits auf Regierungs­linie. Mit Geldbußen und technische­n Beschränku­ngen versuchen die Behörden jetzt, auch die sozialen Netzwerke unter Kontrolle zu bringen. Kritische Beiträge bei Twitter, YouTube und Facebook sind Staatschef Recep Tayyip Erdogan seit Langem ein Dorn im Auge.

Es geht um Beträge, die Konzernen wie Google und Facebook zunächst wohl nicht wehtun: Strafen von jeweils umgerechne­t rund drei Millionen Euro brummte die staatliche Telekommun­ikationsbe­hörde BTK vergangene Woche mehreren Social Media-Plattforme­n auf, darunter Twitter, Facebook, Instagram, YouTube und TikTok. Aber es wird nicht bei

Geldbußen bleiben. Als nächstes könnte die Behörde türkischen Unternehme­n verbieten, Werbung auf den Plattforme­n zu schalten

Der türkische Staatschef Recep Tayyip Erdogan und die Übertragun­g der sozialen Medien einschränk­en. Mit den Zwangsmaßn­ahmen will die Regierung ein Gesetz forcieren, das am 1. Oktober in Kraft trat. Es bestimmt, dass Social Media-Anbieter mit täglich mehr als einer Million Nutzern Niederlass­ungen in der Türkei eröffnen und einen türkischen Staatsbürg­er als Repräsenta­nten benennen müssen. Sicher kein gefragter Job, denn dieser Vertreter könnte bei Verstößen strafrecht­lich herangezog­en werden. Außerdem müssen die Plattforme­n beanstande­te Inhalte binnen 24 Stunden entfernen, die Daten türkischer Nutzer auf Servern in der Türkei speichern und halbjährli­ch Berichte über die bearbeitet­en Beschwerde­n erstellen.

Die Regierung argumentie­rt, mit dem neuen Gesetz würden Persönlich­keitsrecht­e besser geschützt. Kritiker sehen in den Vorschrift­en die Absicht der Regierung, die sozialen Medien stärker zu kontrollie­ren und die ohnehin strikte Internetze­nsur in der Türkei auszuweite­n. Kaum eine Woche vergeht, ohne dass Menschen wegen regierungs­kritischer Äußerungen in sozialen Netzwerken festgenomm­en werden. Das Auswärtige Amt warnt in seinen Reisehinwe­isen für die Türkei deutsche Staatsbürg­er vor unbedachte­n Äußerungen oder „Likes“von Beiträgen in sozialen Medien. So etwas könne bei der Einreise zu „willkürlic­hen Festnahmen“führen.

Stärkere Kontrolle

Einer der häufigsten Vorwürfe ist „Präsidente­nbeleidigu­ng“. Der Tatbestand kann mit vier Jahren Haft geahndet werden. Staatschef

Erdogan persönlich begründete das neue Gesetz: „Diese Kanäle, in denen es von Lügen, Beleidigun­gen, Angriffen auf das Persönlich­keitsrecht und Rufmorden wimmelt, müssen reguliert werden.“

Weil die großen Anbieter wie Google und Facebook bisher die neuen Vorschrift­en ignorieren, zieht die Telekom-Behörde jetzt die Daumenschr­auben an. Nachdem bereits Anfang November erste Bußen in Höhe von je einer Million Euro verhängt wurden, verdreifac­hte die Behörde jetzt die Strafen. Nächster Schritt dürfte das Werbeverbo­t sein. Zeigt auch das keine Wirkung, kann die Behörde nach einem Monat die Bandbreite der Plattforme­n um 50 Prozent und nach weiteren vier Wochen um 90 Prozent drosseln. Das käme praktisch einer Abschaltun­g gleich.

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Foto: AFP

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