Verschärfungen nicht ausgeschlossen
Das Parlament verlängert mit den Stimmen der Mehrheitsparteien das Covid-Gesetz – Scharfe Kritik der Opposition
Die Debatte um die Verlängerung und Ergänzung des Covid-Gesetzes (s. unten) wurde gestern zur Generalabrechnung mit der bisherigen Strategie der Regierung. Sogar die Sprecher der Mehrheitsparteien schlugen kritische Töne an und bekräftigten, auch in den Ferien zusammenzukommen, wenn doch noch verschärft werden müsse. Premierminister Xavier Bettel (DP), Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) und Bildungsminister Claude Meisch (DP) verteidigten ihre Politik, bemühten sich aber auch, konziliante Töne anzuschlagen.
Bereits der Berichterstatter des Gesetzes Mars Di Bartolomeo (LSAP) warnte. „Der Druck auf die Gesundheitsversorgung und die Gefahr, dass andere Patienten nicht mehr versorgt werden können, ist hoch. Wir sind uns einig, dass wir handeln müssen, auch wenn wir uns nicht einig sind wie.“„Die Leute verstehen nicht, was die Regierung macht und will“, begann Claude Wiseler (CSV) seine Intervention. Seit Wochen werde erzählt, dass die Situation besser sei als bei den Nachbarn und stabil sei, wenn auch auf hohem Niveau. „Die Realität ist aber die, dass wir europaweit und weltweit zu den Spitzenländern bei den Zahlen gehören. Alle haben weit drastischere Maßnahmen getroffen als wir. Wir haben die schlechtesten Zahlen, reagieren aber nicht und das macht mich wütend.“
Zu spät, zu schwach, inkohärent
Wütend mache ihn auch, was in der ausländischen Presse über Luxemburg und die verkaufsoffenen Sonntage, mit denen der Tourismus gefördert wurde, geschrieben stehe. „Das ist kein Bild der Solidarität, unser Land hat ein Imageproblem. Wir werden im Ausland nicht mehr ernst genommen.“Luxemburg habe zu spät, zu schwach und nicht kohärent reagiert und die
Maßnahmen seien problematisch umzusetzen, wofür er zahlreiche Beispiele anführte. Bildungsminister Claude Meisch warf Wiseler vor, wissenschaftlich nicht belegte Zahlen zu bringen. „Es kann nicht sein, dass die meisten Infektionen in der Familie und nicht in der Schule stattfinden. Aber Fragen sind nicht erwünscht, Ihre Aussagen dürfen nicht angezweifelt werden, die Presse wird eingeschüchtert – das geht nicht.“
Gilles Baum (DP) gab angesichts der angespannten Situation in den Spitälern zu: „Wir waren mit dem letzten Gesetz nicht streng genug.“Er befand dennoch, dass „die Maßnahmen jetzt genau richtig sind“. Auch Josée Lorsché von den Grünen zeigte sich kritisch: „Der bescheidene Lockdown vor drei Wochen hat einen bescheidenen Impakt, so dass wir die Maßnahmen nicht lockern können. Sollte sich herausstellen, dass sich die sanitäre Situation in den Spitälern verbessert, können wir aufatmen, sonst müssen wir verschärfen.“Das Gesetz sei nicht perfekt und auch nicht ganz kohärent. „Ich betone aber, dass es dennoch nötig ist“, sagte sie und mahnte: „Ein Jojo-Effekt zermürbt die Gesellschaft. Einen Marathon läuft man ja auch mit gleichbleibendem Rhythmus und nicht mit Geschwindigkeitswechseln und Zwischensprints.“
Nur Georges Engel (LSAP) verteidigte strikt die Regierungspolitik. „Die Tendenz geht nach unten. 530 Neuinfektionen sind 30 Prozent weniger als vor ein paar Wochen. Unsere Inzidenz ist höher als in Deutschland, aber unsere Zahlen steigen dagegen nicht mehr“, betonte er. Das konnte aber nichts daran ändern, dass auch die kleineren Oppositionsparteien der
Maßnahmenverlängerung nichts abgewinnen konnten. „Der Horesca-Sektor sei kein Hotspot, sagt die Gesundheitsministerin – warum wird die Schließung dann verlängert?“, fragte ADR-Mann Jeff Engelen. Es gebe keine wissenschaftliche Basis dafür und auch Kultur und Sport könnten unter gewissen Bedingungen weiter funktionieren.
Marc Baum (Déi Lénk) verwies darauf, dass man heute dieselbe Infektionssituation wie vor zweieinhalb Monaten habe und dazu eine reale Übersterblichkeit. „Die Strategie testen, tracen und isolieren hat an Effizienz verloren und die Situation in den Spitälern hat sich verschlechtert.“In der zweiten Welle sei die Situation schlimmer als in den Nachbarländern und jetzt würden Maßnahmen, die nichts Wesentliches gebracht haben verlängert. „Es ist eine Abstimmung der Perspektivlosigkeit“, befand er.
Situation in Schulen nicht im Griff Sven Clement (Piraten) ging besonders hart mit Bildungsminister Claude Meisch (DP) ins Gericht: „In den Schulen geht es nicht mehr um Bildung, sondern darum, dass Eltern arbeiten gehen können. Kinder haben aber ein Recht auf Sicherheit und dass die Großen wissen, was sie tun.“Die Situation in den Grundschulen sei nicht mehr im Griff und die Maßnahmen würden nicht mehr als sinnvoll betrachtet. „Wie kann der Minister noch behaupten, alles für die Sicherheit der Kinder zu machen?“
Dass an Weihnachten Kinder ihre Großeltern nicht besuchen dürfen, von denen sie die Woche über versorgt werden, könne keiner nachvollziehen. „Viele Leute sagen, dass sie sich nicht an die Maßnahmen halten werden, sie verstehen sie nicht“, warnte Clement. „Wir hätten uns für die Feiertage eine einfache Lösung verlangt, die jeder versteht und nachvollziehen kann.“
Meisch bestätigte in seiner Reaktion, dass das Personal in den Tagesstätten und Maison relais „an der Grenze ist“. Zur Kritik an der mangelnden Wissenschaftlichkeit der Covid-Berichte aus den
Schulen sagte er: „Wir tragen die Zahlen zusammen und versuchen Konklusionen daraus zu ziehen. Würden wir sie Analysen in wissenschaftlichen Publikationen unterziehen, wäre Covid fort, bis wir wissenschaftliche Zahlen hätten.“Jeder soll sich mit dem Bericht kritisch auseinandersetzen, sagte er, plädierte aber auch: „Lasst uns auf den Fonds kommen und nicht darauf schauen, wer den Bericht geschrieben hat.“
Meisch erklärte auch, dass in 70 Prozent der Fälle ein Kind einer Klasse infiziert sei und in 30 Prozent die Infektion in der Schule passiert sei. „Wir haben 700 bis 800 Fälle unter Lehrern und Schülern, das bringt uns an die Grenzen. Wir müssen davon herunterkommen, das wird aber erst der Fall sein, wenn die allgemeinen Infektionszahlen gesunken sind.“
Unser Land hat ein Imageproblem. Claude Wiseler