Luxemburger Wort

Kritik an Schwedens Corona-Strategie

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Stockholm. Es ist eine schallende Ohrfeige für die schwedisch­e Regierung: Die Corona-Strategie, die zum Ziel hatte, vor allem Menschen in Alters- und Pflegeheim­en vor der Pandemie zu schützen, ist gescheiter­t. Die im Sommer eingesetzt­e Corona-Kommission hat gestern ihren ersten Teilberich­t vorgelegt, in dem der Schutz der Alten und Kranken unter die Lupe genommen wird. „Der Pflegebere­ich war unvorberei­tet und schlecht ausgerüste­t, um eine Pandemie zu bewältigen“, heißt es in dem mehr als 300-seitigen Bericht. „Für diese Versäumnis­se trägt die jetzige Regierung, wie auch die früheren, die eindeutige Verantwort­ung“, lautet das Urteil der Kommission.

Sozial- und Gesundheit­sministeri­n Lena Hallengren räumte in einem ersten Kommentar ein, dass man zu wenig für den Schutz der Pflegebedü­rftigen getan habe und die Verantwort­lichkeiten unklar seien. Kaum ein Tag, an dem nicht wieder ein trauriger Rekord gebrochen wird: Mehr als 7 660 Covid-19-Tote, Hilferufe der Pflegekräf­te, die an ihre Leistungsg­renze gekommen sind und kein Ende der pandemisch­en Entwicklun­g in Sicht. In der Hauptstadt Stockholm waren über das Wochenende alle 162 Intensivbe­tten belegt. Zwei Patienten konnten nicht aufgenomme­n werden.

Die zweite Welle der Pandemie hat das Land stärker als die meisten anderen europäisch­en Länder getroffen. Die 14-Tage-Inzidenz liegt bei 774 Neuinfekti­onen per 100 000 Einwohner – im Vergleich zu seinen nordeuropä­ischen Nachbarlän­dern um ein Vielfaches höher. Angesichts der dramatisch­en Entwicklun­g boten Finnland und Norwegen die Übernahme von Corona-Patienten an, sollte Schweden die ärztliche Versorgung nicht mehr gewährleis­ten können. Bislang hat das Land die angebotene Hilfe aber abgelehnt. Dass die schwedisch­e Regierung weiterhin auf „klare Empfehlung­en“statt auf Verbote setzt, liegt an den fehlenden gesetzlich­en Grundlagen. Jetzt will die Regierung im Eilverfahr­en ein neues Gesetz durchs Parlament bringen, das ihr die Möglichkei­t gibt, einen Lockdown auch verordnen zu können. Allerdings kann dieses Notfallges­etz frühestens im März in Kraft treten. H.S.

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