Republikaner auf Distanz
Mit dem Verlust der Rückendeckung Mitch McConnells wird es einsam um US-Präsident Donald Trump
37 Tage lang ließ der mächtige Republikaner an der Spitze des USSenats auf diesen Moment warten. Während der Verlierer der Wahlen Dutzende Gerichte in den Bundesstaaten und zweimal auch den Supreme Court mit seinen substanzlosen Wahlanfechtungen beschäftigte, schwieg Mitch McConnell. Er verlor kein Wort über den Druck, den US-Präsident Donald Trump auf örtliche Republikaner und Wahloffizielle ausübte, den Willen der Wähler zu ignorieren. Und schaute untätig zu, wie der Präsident versuchte, den Sieger der Wahlen mit Fakten-freien Verschwörungstheorien zu unterminieren.
Gestern morgen reichte es dem Senatsführer, der Trump wegen der Stichwahlen in Georgia und seiner ausstehenden Agenda zum Jahresende im Kongress nicht gegen die Partei aufbringen wollte. „Das Electoral College hat gesprochen”, erkannte McConnell im Plenum des Senats Bidens Sieg mit 306 zu 232 Stimmen an. „Deshalb möchte ich dem gewählten Präsidenten Joe Biden heute gratulieren.”
Wütend twitterte der zunehmend isolierte Verlierer an seine Anhänger: „Diese Scheinwahlen dürfen nicht länger Bestand haben.“Daran glaubt nicht einmal mehr der von Trump bewunderte russische Präsident. Wie McConnell nahm Wladimir Putin die Wahl im „Electoral College“zum Anlass, Biden als letzter Führer einer größeren Macht zu seinem Wahlsieg zu gratulieren.
Jetzt bleiben Trump nur noch die Hardcore-Fans, die bereit sind, seinen illusionären Vorstellungen zu folgen. Etwa in dem von Biden gewonnenen Arizona, wo Anhänger des Verlierers ein gefälschtes
Zertifikat an das Nationalarchiv schickten, das die elf Wahlleute des Bundesstaats Trump zuspricht. Auch in anderen hart umkämpften Staaten stellten Unterstützer Listen mit „alternativen Elektoren“auf, die auf keinerlei rechtlichen Grundlage stehen.
Trump hofft auf Spektakel
Sie könnten Teil des Spektakels werden, das Trump bei der Auszählung der Wahlleute-Stimmen am 6. Januar im Kongress veranstalten will. Experten werten das als völlig aussichtsloses Unterfangen eines der Wirklichkeit entrückten Präsidenten, der sich mit seiner Niederlage nicht abfinden kann. Zumal es nach dem Ende der Rückendeckung durch McConnell dafür nicht einmal die Aussicht auf eine Mehrheit im Senat gibt.
Im demokratisch kontrollierten Repräsentantenhaus beißt Trump ohnehin auf Granit. Der gewählte Präsident, der gestern zu einem Wahlkampfauftritt in Georgia reiste, hielt seinen Ärger über das beispiellose Verhalten der Republikaner nach den Wahlen bisher zurück. Am Montag änderte Biden seinen Ton. Nach seinem offiziellen Sieg im „Electoral College” sprach er in einer kurzen Rede an die Nation Tacheles.
„In diesem Kampf um die Seele Amerikas hat sich die Demokratie durchgesetzt“, sagte Biden am Ende eines historischen Tages, an dem die ersten Angehörigen des Gesundheitssystems den Covid-19Impfstoff
erhielten und Justizminister William Barr seinen Hut nahm. Die Flamme der Demokratie sei vor langer Zeit entzündet worden „und nichts – selbst eine Pandemie oder der Missbrauch der Macht – kann die Flamme erlöschen.“
Biden zieht Bilanz der Wahl
Biden nutzte die kurze Ansprache, um daran zu erinnern, dass in den von Donald Trump angestrebten Prozessen 80 Richter, inklusive die des Supreme Courts, in nicht einem einzigen Fall Wahlbetrug ausgemacht haben. Er lobte die Wahlhelfer und Zuständigen in den Bundesstaaten, darunter auch viele Republikaner, für ihre Unbeugsamkeit bei der Verteidigung demokratischer Prinzipien.
„Wir, das Volk, haben gewählt. Das Vertrauen in unsere Institutionen hat sich bestätigt. Die Integrität unserer Wahlen bleibt intakt”, bilanziert Biden die vergangen 37 Tage seit seinem Sieg mit mehr als 81 Millionen Stimmen (51,4 Prozent) – so viele wie kein Präsident vor ihm und rund sieben Millionen mehr als Trump. „Jetzt ist die Zeit gekommen, ein neues Kapitel aufzuschlagen, wie wir das immer in unserer Geschichte getan haben. Um zusammenzukommen. Um zu heilen.“
Trump zeigt daran nicht das geringste Interesse. Er ignorierte Bidens Appell und kündigte stattdessen den Rückzug seines Justizministers William Barr an. Dieser war in Ungnade gefallen, weil er die substanzlosen Behauptungen des Präsidenten über mutmaßlichen Wahlbetrug nicht deckte. Zudem verübelt Trump seinem Justizminister, Informationen über Ermittlungen wegen möglichen Steuerbetrugs gegen Bidens Sohn Hunter vor den Wahlen zurückgehalten zu haben.