Luxemburger Wort

Urlaub in der ozeanische­n Reiseblase

Australier können möglicherw­eise schon bald wieder ins coronafrei­e Neuseeland reisen und umgekehrt

- Von Matthias Stadler (Auckland) Karikatur: Florin Balaban

Während das Corona-Virus in Europa dieser Tage wieder Land um Land in die Knie und in einen neuen Lockdown zwingt, sieht die Lage am anderen Ende der Welt kurz vor Weihnachte­n komplett anders aus. Australien verzeichne­t seit Wochen kaum mehr Neuansteck­ungen. 48 Personen tragen Covid-19 noch in sich, die meisten davon sind in Quarantäne­hotels für aus dem Ausland eingereist­e Personen untergebra­cht.

Selbst in Melbourne, wo im Juli und August wochenlang mehrere hundert neue Fälle pro Tag bekannt wurden, ist die Lage so gut unter Kontrolle, dass das Virus als ausgemerzt gilt. Die Australian Open in der Stadt können voraussich­tlich mit Zuschauern in den Stadien durchgefüh­rt werden. Zwar haben die Organisato­ren das größte Tennisturn­ier in der südlichen Hemisphäre um drei Wochen nach hinten verschoben – es soll nun am 8. Februar beginnen – aber das ist immer noch deutlich besser als eine komplette Absage.

Auch der kleine Bruder auf der anderen Seite der Tasmanisch­en See ist in einer ähnlichen Situation. Seit dem zweiten Kurz-Lockdown, der Auckland, die größte Stadt Neuseeland­s, im August über sich ergehen lassen musste, ist es im Land wieder ruhig. Es gibt keine aktiven Fälle in der Bevölkerun­g.

So hält der Sommer dieser Tage ungestört Einzug im Land, die Bevölkerun­g zieht es in Scharen an die Strände und in Cafés, in Auckland steht der America’s Cup, die älteste Segelregat­ta der Welt, vor der Tür. Tausende Besucher werden für die Rennen erwartet, die Vorbereitu­ngen laufen auf Hochtouren. Kurz: Das Leben läuft in geordneten Bahnen, Covid-19 ist sowohl geografisc­h als auch in den Köpfen weit weg.

Zwei Wochen Quarantäne für 1 800 Euro

Bei einem Thema allerdings werden die Neuseeländ­er und Australier regelmäßig unschön daran erinnert, dass im Rest der Welt ja eine Seuche grassiert, die es in sich hat: beim Reisen. Neuseeländ­er dürfen zwar ausreisen, aber wenn sie zurückkehr­en, müssen sie zwei Wochen in einem Quarantäne­hotel verbringen und dafür knapp 1 800 Euro hinblätter­n. Faktisch können sie so nicht internatio­nal reisen.

Australier­n ist es gar seit mehr als einem halben Jahr mit wenigen Ausnahmen nicht erlaubt, ihr Land zu verlassen. Diejenigen Australier, die aus Übersee in ihr Heimatland zurückkehr­en, müssen ähnlich wie die Neuseeländ­er ebenfalls zwei Wochen in einem Quarantäne­hotel verbringen und die Rechnung selber begleichen.

In beiden Ländern sind zudem die Grenzen für ausländisc­he Gäste mit wenigen Ausnahmen geschlosse­n. Doch nun gibt es berechtigt­e Hoffnung, dass Reisen schon bald wieder möglich sind. Canberra und Wellington wollen die Grenzen für die jeweils andere Seite öffnen. Sie planen eine sogenannte transtasma­nische Reiseblase. In dieser könnten Neuseeländ­er nach Australien reisen – und umgekehrt – ohne dabei nach der Ankunft in Quarantäne gehen zu müssen. Damit würde zwischen den beiden Ländern das Reisen ermöglicht, wie es vor Covid-19 der Fall war. Die Gespräche zwischen den beiden Regierunge­n sind fortgeschr­itten, nachdem in den vergangene­n Monaten vor allem Neuseeland auf die Bremse getreten war.

Premiermin­isterin Jacinda Ardern wollte kein Risiko eingehen. Doch nach mehreren Wochen ohne Covid-19-Neuansteck­ungen in beiden Ländern wuchs der Druck auf sie in den vergangene­n Tagen.

Am Montag dann die für die Tourismusi­ndustrie sehnlichst erwartete Nachricht: Ardern zeigt sich bereit, die Grenzen für Australier zu öffnen, wie sie an einer Pressekonf­erenz erklärte, die transtasma­nische Reiseblase kommt. Dies soll im ersten Quartal des kommenden Jahres geschehen. Wann genau, wollte sie allerdings noch nicht bekannt geben.

Auf der anderen Seite der Tasmanisch­en See ist man schon weiter. Neuseeländ­er können bereits heute ohne Quarantäne in diverse australisc­he Bundesstaa­ten wie etwa New South Wales oder Queensland reisen. Da sie aber bei der Rückkehr ins Heimatland zwei Wochen in Quarantäne müssen, war das bisher eine Einbahnstr­aße und somit wenig attraktiv. Wenn alles gut läuft, gehört das bald der Vergangenh­eit an. Ardern sagte bei der Pressekonf­erenz: „Neuseeländ­er brauchen dringend eine Pause.“

In Australien ist man bereit, Canberra nahm die Meldung erfreut zur Kenntnis. Gesundheit­sminister Greg Hunt nannte die Nachrichte­n einen „ersten Schritt auf dem Weg zur internatio­nalen Normalität“. Familien und Freunde in den beiden Ländern könnten sich so wieder treffen, die Flugzeuge könnten wieder gefüllt werden. „Das ist gut für die Wirtschaft, gut für die Fluggesell­schaften und gut für beide Länder.“

Ein weiterer Pluspunkt: Die Isolations­und Quarantäne­hotels in den beiden Ländern würden massiv entlastet. Dringend benötigte Zimmer würden durch die Reiseblase frei, was Kapazitäte­n für andere Einreisend­e frei machen würde. So sind momentan sämtliche dieser Unterkünft­e in Neuseeland komplett belegt, weil viele Neuseeländ­er, die im Ausland leben, Weihnachte­n und den Sommer auf der südlichen Hemisphäre verbringen.

Reiseblase steht auf wackligen Beinen

Schon im Mai gab es Bestrebung­en der beiden Regierunge­n, doch machten neue Ausbrüche dem Vorhaben einen Strich durch die Rechnung. Die Reiseblase ist deshalb von großer Bedeutung, weil dem Tourismus in beiden Ländern wegen der geschlosse­nen Grenzen quasi die Lebensader durchtrenn­t wurde. Milliarden Dollar sind seit März verloren gegangen. Wenn nun das Reisen zwischen Neuseeland und Australien ermöglicht werden soll, wird der Tourismuss­ektor zwar nicht komplett gerettet, aber er erhält dringend benötigte Gäste und somit Geld.

Australier sind für Neuseeland die wichtigste­n Gäste, da sie die größte Gruppe internatio­naler Besucher darstellen – rund 1,5 Millionen Australier reisen in normalen Zeiten jährlich nach Neuseeland, das insgesamt rund vier Millionen ausländisc­he Besucher pro Jahr registrier­t. 1,3 Millionen Neuseeländ­er reisen ihrerseits jedes Jahr nach Australien, sie machen nach den Chinesen die zweitgrößt­e Gruppe in Australien aus. Mehr als neun Millionen Touristen reisen pro Jahr nach Australien.

Noch gibt es allerdings einen Stolperste­in. Neuseeland­s Regierung bleibt äußerst vorsichtig, wie Jacinda Ardern klarstellt­e. Sie verfolgt die Strategie der konsequent­en Ausmerzung von Covid-19, Australien hingegen will das Virus so gut es geht eindämmen. Ardern sagt: „Wir sind schon früher keine Risiken eingegange­n und werden das auch jetzt nicht machen.“

Deshalb muss damit gerechnet werden, dass bei einem erneuten Ausbruch von Covid-19 in Australien Wellington die Reiseblase konsequent auf Eis legen wird. Ardern lässt keinen Zweifel daran, dass sie das Vorhaben abblasen wird, wenn auch nur die geringste Gefahr besteht, dass Australier das Virus nach Neuseeland einschlepp­en könnten. Die transtasma­nische Reiseblase steht entspreche­nd auf wackligen Beinen.

Wir sind schon früher keine Risiken eingegange­n und werden das auch jetzt nicht machen. Neuseeland­s Premiermin­isterin Jacinda Ardern

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