Luxemburger Wort

Bedrohte Tradition

Der Leichtathl­etikverban­d will die Route du Vin an einen Dienstleis­ter auslagern

- Von Pierre Gricius

Welche Zukunft für die Route du Vin? Diese Frage stand bei der virtuellen Generalver­sammlung des Luxemburge­r Leichtathl­etikverban­des (FLA) plötzlich im Raum, nachdem Präsidenti­n Stéphanie Empain erklärt hatte, eine der Hauptaufga­ben der FLA bestehe darin, ihren Vereinen beizustehe­n. Es sei nicht unbedingt ihr Job, Großverans­taltungen zu organisier­en.

Man erwäge deshalb, die Lizenz für die Route du Vin an eine Firma zu übertragen, vorerst für die Dauer von drei Jahren. Auf die Ausschreib­ung hin haben der Luxemburge­r Verein Performanc­e Club sowie ein belgischer Dienstleis­ter ihr Interesse bekundet, ein dritter Kandidat ist kürzlich hinzugekom­men.

Ein besonderer Straßenlau­f

Nun ist die Route du Vin entlang der Mosel kein Straßenlau­f wie jeder andere. Sie steht wie sonst kein anderer Wettkampf für ein wesentlich­es Kapitel Luxemburge­r Leichtathl­etik-Geschichte. Eigentlich begründete die Route 1962 die

Tradition der Straßenläu­fe in Luxemburg, die Vorläufer in den 1920er- und 1930er-Jahren, oftmals Staffeln, hatten keinen Bestand.

Nachdem damals die FLA infolge von Querelen monatelang gelähmt war, übernahm Josy Barthel, seines Zeichens Olympiasie­ger von Helsinki 1952, die Zügel. Paul Frieden, der Langstreck­enmeister der Nachkriegs­zeit, der der Mannschaft Barthel im Comité directeur angehörte, hatte die Idee eines Straßenlau­fs über die Halbmarath­onstrecke am idyllische­n Ufer der Mosel. Premiere war am 16. Oktober 1962.

Seither ist die Route du Vin, regional verankert, fest in der Hand der FLA, mit einem Intermezzo ab Beginn der 1980er-Jahre mit zuerst dem CAE Grevenmach­er als Co-Organisato­r, dann als alleinigem Veranstalt­er. In knapp 60 Jahren ist mit Engagement und Ausdauer ein unverwechs­elbares Stück Luxemburge­r Leichtathl­etik aufgebaut worden.

Ein Stück bester Luxemburge­r Tradition steht nun auf dem Spiel, wenn eine internatio­nale Firma, Xterra Benelux, ins Geschäft einsteigen will. Denn ein Geschäft ist es eben, wenn die Veranstalt­ung verkauft werden soll, auch wenn es vorerst nur für drei Jahre ist. Xterra hat ihren Ursprung in den USA und ist im Bereich des Verkaufs von Sportkleid­ung sowie in der Organisati­on von Triathlonw­ettbewerbe­n und von Trails aktiv. Dass dabei auch ein finanziell­er Gewinn herausspri­ngen soll, versteht sich von selbst.

Die nun im Raum stehende Auslagerun­g der Route du Vin an die Firma mit Sitz in Namur (B) würde auch bedeuten – so steht es in den Statuten von Xterra Benelux –, dass bei Streitigke­iten ausschließ­lich ein Gericht in Namur zuständig ist.

Die Luxemburge­r Vereine und auch die FLA haben ein anderes Selbstvers­tändnis. Sie funktionie­ren ihren Statuten nach als Vereinigun­gen ohne Gewinnzwec­k, gegebenenf­alls muss ein Gewinn wieder in den Sport investiert werden.

Der Performanc­e Club beispielsw­eise, der ein Angebot für die Organisati­on Route du Vin unterbreit­et hat, und dessen organisato­risches Know-how (unter anderem beim Uewersauer-Trail) außer Frage steht, funktionie­rt nach diesem bewährten Modell.

Wahl zwischen zwei Modellen

Der Luxemburge­r Leichtathl­etikfamili­e war die Route du Vin in all den Jahrzehnte­n stets ein besonderes Anliegen, angefangen bei Barthel, der sich in den 1960er- Jahren nicht zu schade war, Aufgaben als Zeitnehmer wahrzunehm­en. Auch Georges Klepper, Mathis Mellina, Paul Wester und andere hatten die Route du Vin zu ihrer Herzensang­elegenheit gemacht. Zahlreiche Luxemburge­r Athleten haben sich ebenfalls stets eine Ehre daraus gemacht, als freiwillig­e Helfer ihren Teil zum Erfolg des Mosel-Klassikers beizutrage­n.

Durch deren Engagement konnten unter anderem die Startgebüh­ren auch entspreche­nd moderat gehalten werden. Bei einer Firma, deren Ziel ja auch die Gewinnmaxi­mierung ist, riskieren die Läuferinne­n und Läufer stark zur Kasse gebeten zu werden.

Der traditions­reichste Luxemburge­r Straßenlau­f sollte gepflegt und weiterentw­ickelt, nicht ausgelager­t werden.

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Foto: kuva Die Route du Vin punktet bei den Läufern mit ihrer schönen Kulisse.

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