30 Jahre Haft für Hauptangeklagte
Nach gut drei Monaten Verhandlungen ist das Urteil gegen die elf Angeklagten im „Charlie Hebdo“-Prozess gefallen
Im Prozess um den Anschlag auf die Satirezeitung „Charlie Hebdo“und den jüdischen Supermarkt hat das Pariser Schwurgericht die elf Angeklagten zu Haftstrafen zwischen vier und 30 Jahren verurteilt. Die höchste Strafe erhielt der Hauptangeklagte Ali Riza Polat, der wegen „Beihilfe zum Mord“30 Jahre ins Gefängnis muss. Der Franzose türkischer Herkunft war mit Amedy Coulibaly, dem Attentäter auf den Supermarkt Hyper Cacher, befreundet. Er hatte sich selbst im Prozess als kleinen Gauner dargestellt und bestritten, von den Terrorplänen gewusst zu haben. Coulibaly war ebenso wie die Brüder Kouachi, die die Anschläge im Januar 2015 verübten, von der Polizei erschossen worden. Der Prozess richtete sich deshalb gegen die Komplizen der Attentäter.
Es sei der Prozess gegen eine Art Nebelwolke gewesen, die sich um die Täter gebildet habe, sagte der Anwalt von „Charlie Hebdo“, Richard Malka nach dem Urteil. „Ohne diesen Nebel gibt es keine Anschläge“. Das Urteil zeige, dass auch Beihilfe zum Terrorismus hart bestraft werde. „Es wurden sehr schwere Strafen verhängt und darüber sollte man sich nie freuen, aber manchmal sind sie notwendig“, ergänzte Malka.
Zusammen mit Polat wurde auch Coulibalys Witwe Hayat Boumedienne zu 30 Jahren verurteilt. Sie war beim Prozess ebenso abwesend wie Mohamed Belhoucine, gegen den das Gericht eine lebenslange Haftstrafe aussprach. Die beiden waren zusammen mit Belhoucines Bruder Mehdi nach der Tat ins syrisch-irakische Grenzgebiet geflohen. Mehdi Belhoucine ist wahrscheinlich tot, so dass gegen ihn kein Urteil gefällt wurde.
Das Gericht sah bei den Abwesenden sowie bei drei weiteren Angeklagten die Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung als erwiesen an. Für sechs der elf Angeklagten schloss das Gericht ein terroristisches Motiv aus, so dass die Strafen für sie zwischen vier und acht Jahren lagen.
„Der Kreislauf der Gewalt wird endlich geschlossen“
„Der Kreislauf der Gewalt, der in den Räumen von 'Charlie Hebd' begann, wird endlich geschlossen werden“, kommentierte der Chefredakteur von „Charlie Hebdo“,
Laurent Sourisseau, am Mittwoch. „Zumindest auf der strafrechtlichen Ebene. Denn auf der menschlichen Ebene werden die Spuren nie verschwinden, wie die Zeugenaussagen im Gerichtssaal zeigten.“
54 Tage lang hatte das Schwurgericht im gläsernen Justizpalast am Stadtrand von Paris verhandelt. Entsetzt sah das Publikum die Bilder der Ermittler, die direkt nach dem Anschlag auf „Charlie Hebdo“in die Redaktionsräume gekommen waren und dort die Leichen in ihrem Blut liegen sahen. Schockiert hörten die Zuschauer die Schilderungen der Augenzeugen, die die Geiselnahme im jüdischen Supermarkt Hyper Cacher miterlebten.
Insgesamt starben 17 Menschen bei den Attentaten zwischen dem 7. und 9. Januar 2015. Mehr Opfer verhinderte vermutlich die Polizistin Clarissa Jean-Philippe, die Coulibaly am 8. Januar tötete. Der Attentäter hatte es im Pariser Vorort
Montrouge vermutlich auf eine jüdische Schule abgesehen, wurde aber von Jean-Philippe an dem Angriff gehindert.
Bei allen Attentätern habe der Wille geherrscht, „Terror zu verbreiten“, sagte Gerichtspräsident Regis de Jorna. „Charlie Hebdo“veröffentlichte am Mittwoch eine Karikatur, die eine bärtige Figur in einem vergitterten Polizeiwagen zeigt: „Gott wurde auf seinen Platz verwiesen“, lautete der Titel dazu.