Brüssel macht Druck beim Wasser
Strengere Grenzwerte, mehr öffentliche Spender: In der gesamten EU soll man bedenkenlos aus dem Hahn trinken können
Sauberes Trinkwasser? Auf den ersten Blick scheint das für Menschen, die in Luxemburg leben, kein allzu relevantes Thema zu sein. „Leitungswasser ist das am besten kontrollierte Lebensmittel in der EU“, bestätigt der CSVEuropaabgeordnete Christophe Hansen dem „Luxemburger Wort“. Zwar kommt es auch hierzulande gelegentlich, wie vergangene Woche im Osten des Landes, zu Warnungen vor einer Belastung des Wassers im Leitungsnetz. Doch in diesem Fall gab es schnell eine Entwarnung. Im Großherzogtum, so Hansen, könne man sagen: „Die Qualität des Trinkwassers ist sehr hoch.“
Und doch ist die neue EU-Trinkwasser-Richtlinie, die am Donnerstag vom EU-Parlament final verabschiedet wird, ein auch für Luxemburg bedeutendes Dokument. Denn die Neufassung der WasserBestimmungen von 1998 führt nicht nur nochmals strengere Qualitätsstandards ein, sondern sie bringt auch mehr Rechte für die Bürgerinnen und Bürger mit sich. Zwei Jahre haben die Mitgliedstaaten nun Zeit, um die Brüsseler Vorgaben umzusetzen.
Luxemburg muss in Kläranlagen investieren
Zukünftig gelten in Europa strengere Grenzwerte für Blei. Zudem wurden, basierend auf den Erkenntnissen der Forschung in den vergangenen beiden Jahrzehnten, neue Schadstoffe in die Richtlinie aufgenommen. Dabei wurde ein
Hauptaugenmerk auf Arzneimittel sowie auf Mikroplastik gelegt, darunter der möglicherweise krebserregende Stoff „Bisphenol A“. Es ist besser bekannt unter der Abkürzung „BPA“; die man etwa von Flaschen oder Lebensmittelboxen kennt, auf denen der Hinweis „BPA-frei“enthalten ist. Doch noch immer kommt BPA etwa in Plastikgeschirr, Schnullern, Konservenund Getränkedosen vor.
„Wir wissen, dass Mikroplastik in unseren Oberflächengewässern zu finden ist. Auch in Fischen und im menschlichen Körper kann Mikroplastik nachgewiesen werden“, erklärt Hansen, der im EU-Parlament Berichterstatter für die Richtlinie ist. Der tägliche Wasserverbrauch für Haushaltszwecke eines Bewohners der Stadt Luxemburg liegt bei 180 Litern. Daraus entfallen nach Angaben der Stadt zwar nur etwa zwei Liter auf Trinken und Kochen. Doch auch beim Duschen, beim Waschen der Wäsche und beim Spülen des Geschirrs kann eine Aufnahme der Stoffe erfolgen. Noch immer gebe es nicht genügend wissenschaftliche Studien zur Gefährlichkeit von Mikroplastik; „die Substanzen müssen überwacht werden“, sagt der Parlamentarier. Auch bei den Wasserleitungen gelten strengere Qualitätsansprüche.
Hansen betont: „Für Luxemburg wird diese Herausforderung nicht immens groß sein.“Nachholbedarf gebe es jedoch bei den Kläranlagen: Diese seien noch nicht in allen Gemeinden auf dem neuesten Stand der Technik, weshalb die Regierung hier Unterstützung leisten müsse. Die EU habe das Ziel ausgegeben, dass alle Oberflächengewässer des Kontinents bis zum Jahr 2027 in gutem Zustand sein sollen. Einige Mitgliedstaaten sind noch weit weg von diesem Ziel. „Es werden zu oft Ausnahmeregelungen erteilt. Damit haben wir auch in Luxemburg noch Probleme“, sagt Hansen mit Blick auf Industrie und Landwirtschaft.
Keine Pflicht zur Gratis-Abgabe von Wasser in Restaurants
Dass die EU nun ihre Richtlinie verschärft, ist ein großer Erfolg der 2012 gestarteten ersten erfolgreichen europäischen Bürgerinitiative „Right2Water“(Recht auf Wasser). Rund 1,8 Millionen Europäerinnen und Europäer hatten deren Appell für einen besseren Zugang zu sauberem Wasser unterschrieben. Die EU-Kommission nahm am im Februar 2018 den Vorschlag der Initiative für eine Neufassung der Richtlinie an.
Denn dass Trinkwasser mit einer Handbewegung aus dem Wasserhahn kommt, das ist auch im vergleichsweise wohlhabenden Europa nicht für Alle selbstverständlich. „Etwa sechs bis acht Millionen Menschen haben in der EU keinen sicheren Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtungen, vor allem schutzbedürftige Gruppen wie die Roma“, erläutert Hansen. Nicht nur ethnische Minderheiten, sondern allen Bürgerinnen und Bürger dürfte die Verpflichtung zugute kommen, dass die Mitgliedstaaten mehr öffentliche Wasserspender aufstellen müssen. Dies gilt auch für öffentliche Gebäude.
Etliche Plastikflaschen könnten durch Trinkwasserspender eingespart werden, sagt Hansen. Nach Berechnungen könnten die Verbraucher in Europa rund 600 Millionen Euro im Jahr einsparen, wenn sie mehr Leitungswasser trinken würden. Der CSV-ler bedauert, dass das EU-Parlament nicht durchsetzen konnte, dass in allen Restaurants die Ausgabe zu Leitungswasser verpflichtend vorgeschrieben wird – ob gratis oder gegen eine kleine Servicegebühr. In Frankreich sei das selbstverständlich, sagt Hansen. Es liegt nun im Ermessen der Mitgliedstaaten, das zu regeln.
Etwa sechs bis acht Millionen Menschen haben in der EU keinen sicheren Zugang zu Wasser. Berichterstatter Christophe Hansen