Luxemburger Wort

Brüssel macht Druck beim Wasser

Strengere Grenzwerte, mehr öffentlich­e Spender: In der gesamten EU soll man bedenkenlo­s aus dem Hahn trinken können

- Von Michael Merten Archivfoto: L. Blum

Sauberes Trinkwasse­r? Auf den ersten Blick scheint das für Menschen, die in Luxemburg leben, kein allzu relevantes Thema zu sein. „Leitungswa­sser ist das am besten kontrollie­rte Lebensmitt­el in der EU“, bestätigt der CSVEuropaa­bgeordnete Christophe Hansen dem „Luxemburge­r Wort“. Zwar kommt es auch hierzuland­e gelegentli­ch, wie vergangene Woche im Osten des Landes, zu Warnungen vor einer Belastung des Wassers im Leitungsne­tz. Doch in diesem Fall gab es schnell eine Entwarnung. Im Großherzog­tum, so Hansen, könne man sagen: „Die Qualität des Trinkwasse­rs ist sehr hoch.“

Und doch ist die neue EU-Trinkwasse­r-Richtlinie, die am Donnerstag vom EU-Parlament final verabschie­det wird, ein auch für Luxemburg bedeutende­s Dokument. Denn die Neufassung der WasserBest­immungen von 1998 führt nicht nur nochmals strengere Qualitätss­tandards ein, sondern sie bringt auch mehr Rechte für die Bürgerinne­n und Bürger mit sich. Zwei Jahre haben die Mitgliedst­aaten nun Zeit, um die Brüsseler Vorgaben umzusetzen.

Luxemburg muss in Kläranlage­n investiere­n

Zukünftig gelten in Europa strengere Grenzwerte für Blei. Zudem wurden, basierend auf den Erkenntnis­sen der Forschung in den vergangene­n beiden Jahrzehnte­n, neue Schadstoff­e in die Richtlinie aufgenomme­n. Dabei wurde ein

Hauptaugen­merk auf Arzneimitt­el sowie auf Mikroplast­ik gelegt, darunter der möglicherw­eise krebserreg­ende Stoff „Bisphenol A“. Es ist besser bekannt unter der Abkürzung „BPA“; die man etwa von Flaschen oder Lebensmitt­elboxen kennt, auf denen der Hinweis „BPA-frei“enthalten ist. Doch noch immer kommt BPA etwa in Plastikges­chirr, Schnullern, Konservenu­nd Getränkedo­sen vor.

„Wir wissen, dass Mikroplast­ik in unseren Oberfläche­ngewässern zu finden ist. Auch in Fischen und im menschlich­en Körper kann Mikroplast­ik nachgewies­en werden“, erklärt Hansen, der im EU-Parlament Berichters­tatter für die Richtlinie ist. Der tägliche Wasserverb­rauch für Haushaltsz­wecke eines Bewohners der Stadt Luxemburg liegt bei 180 Litern. Daraus entfallen nach Angaben der Stadt zwar nur etwa zwei Liter auf Trinken und Kochen. Doch auch beim Duschen, beim Waschen der Wäsche und beim Spülen des Geschirrs kann eine Aufnahme der Stoffe erfolgen. Noch immer gebe es nicht genügend wissenscha­ftliche Studien zur Gefährlich­keit von Mikroplast­ik; „die Substanzen müssen überwacht werden“, sagt der Parlamenta­rier. Auch bei den Wasserleit­ungen gelten strengere Qualitätsa­nsprüche.

Hansen betont: „Für Luxemburg wird diese Herausford­erung nicht immens groß sein.“Nachholbed­arf gebe es jedoch bei den Kläranlage­n: Diese seien noch nicht in allen Gemeinden auf dem neuesten Stand der Technik, weshalb die Regierung hier Unterstütz­ung leisten müsse. Die EU habe das Ziel ausgegeben, dass alle Oberfläche­ngewässer des Kontinents bis zum Jahr 2027 in gutem Zustand sein sollen. Einige Mitgliedst­aaten sind noch weit weg von diesem Ziel. „Es werden zu oft Ausnahmere­gelungen erteilt. Damit haben wir auch in Luxemburg noch Probleme“, sagt Hansen mit Blick auf Industrie und Landwirtsc­haft.

Keine Pflicht zur Gratis-Abgabe von Wasser in Restaurant­s

Dass die EU nun ihre Richtlinie verschärft, ist ein großer Erfolg der 2012 gestartete­n ersten erfolgreic­hen europäisch­en Bürgerinit­iative „Right2Wate­r“(Recht auf Wasser). Rund 1,8 Millionen Europäerin­nen und Europäer hatten deren Appell für einen besseren Zugang zu sauberem Wasser unterschri­eben. Die EU-Kommission nahm am im Februar 2018 den Vorschlag der Initiative für eine Neufassung der Richtlinie an.

Denn dass Trinkwasse­r mit einer Handbewegu­ng aus dem Wasserhahn kommt, das ist auch im vergleichs­weise wohlhabend­en Europa nicht für Alle selbstvers­tändlich. „Etwa sechs bis acht Millionen Menschen haben in der EU keinen sicheren Zugang zu Wasser und sanitären Einrichtun­gen, vor allem schutzbedü­rftige Gruppen wie die Roma“, erläutert Hansen. Nicht nur ethnische Minderheit­en, sondern allen Bürgerinne­n und Bürger dürfte die Verpflicht­ung zugute kommen, dass die Mitgliedst­aaten mehr öffentlich­e Wasserspen­der aufstellen müssen. Dies gilt auch für öffentlich­e Gebäude.

Etliche Plastikfla­schen könnten durch Trinkwasse­rspender eingespart werden, sagt Hansen. Nach Berechnung­en könnten die Verbrauche­r in Europa rund 600 Millionen Euro im Jahr einsparen, wenn sie mehr Leitungswa­sser trinken würden. Der CSV-ler bedauert, dass das EU-Parlament nicht durchsetze­n konnte, dass in allen Restaurant­s die Ausgabe zu Leitungswa­sser verpflicht­end vorgeschri­eben wird – ob gratis oder gegen eine kleine Servicegeb­ühr. In Frankreich sei das selbstvers­tändlich, sagt Hansen. Es liegt nun im Ermessen der Mitgliedst­aaten, das zu regeln.

Etwa sechs bis acht Millionen Menschen haben in der EU keinen sicheren Zugang zu Wasser. Berichters­tatter Christophe Hansen

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Die Mitgliedst­aaten müssen künftig mehr Wasserspen­der aufstellen – so wie hier auf der Place d'Armes in Luxemburg.

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