Luxemburger Wort

Im Rodel-Fieber

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Wenn es noch einen Beweis für den Klimawande­l braucht, dann könnte ich meinen alten Schlitten anbieten. Weil er seit Jahren unbenutzt in der Garage stand, habe ich ihn neulich auf den Speicher verfrachte­t, um Platz zu schaffen. In den letzten Jahren haben wir ihn entweder gar nicht oder nur einen Nachmittag lang benutzt. Ich kann es nicht mit wissenscha­ftlicher Genauigkei­t sagen, aber ich bin mir ziemlich sicher, dass es in meiner Kindheit viel öfter geschneit hat als heutzutage. Vor allem blieb damals der Schnee wochenlang liegen, während er heute oft schon am nächsten Tag matschig wird, sodass die Schlittenk­ufen bis auf den Asphalt

Am Ende des Abhangs war Vorsicht geboten.

einsinken. Wenn es früher mal ordentlich schneite, kamen schnell 40 oder 50 Kinder, Jugendlich­e und Eltern zusammen, um ihre Rodelkünst­e unter Beweis zu stellen. In unserem Dorf gab es eine steile Straße, die sich wie auf Verabredun­g bei Schnee in ein Winterspor­tzentrum verwandelt­e. Ich weiß nicht warum, aber damals dachte niemand daran, die Straße für Autos zu sperren. Vielleicht haben die Autofahrer einfach ihren Verstand eingeschal­tet und begriffen, dass sie nicht zwischen einer schlittenf­ahrenden Kinderhord­e durchfahre­n konnten. Durch das Training wurde ich ein richtig guter Rodler und erreichte auf der abschüssig­en Strecke Geschwindi­gkeiten, die meiner Mutter das Blut in den Adern gefrieren ließen. Doch an einer Stelle war Vorsicht geboten. Am Ende des Gefälles, dort wo die Straße wieder eben wurde, befand sich ein Gully. Das anscheinen­d warme Abwasser darunter hatte den Schnee dort schmelzen lassen. Wenn man mit den Schlittenk­ufen auf diesen Gullydecke­l kam, flog man in hohem Bogen in den Schnee – und musste die Textilbrem­se einlegen. Volker

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