Hinweisgeber im Visier
Prozess um Überfall in Senningen: Verteidigung sieht Rechte beschnitten
Luxemburg. Fünfeinhalb Jahre nach dem außerordentlich brutalen Überfall auf ein älteres Ehepaar in Senningen muss sich seit gestern der mutmaßliche „dritte Mann“bei der Tat vor Gericht verantworten.
An genau dieser Formulierung des „dritten Mannes“stört sich der Verteidiger des Tatverdächtigen, der gleich zum Prozessauftakt eine Annullierung der gesamten Prozedur einforderte. Hintergrund ist, dass die Ermittlungen nach dem Raub schnell zu drei Verdächtigen führten, welche die späteren Opfer über mehrere Stunden quer durch das Einkaufszentrum City Concorde verfolgten. Zwei Männer wurden identifiziert: Ringo P. und dessen Schwager Désiré S.
Dann ging bei der Kriminalpolizei ein Anruf ein. Eine Person, die aus Angst um ihre eigene Sicherheit anonym bleiben wollte, nannte den Namen des „dritten Mannes“auf den Bildern der Überwachungskameras: Kevin P., der Neffe von Ringo P. Und der Verdacht bestätigte sich. Alle drei Beschuldigten bestätigten zwar ihre Anwesenheit im Einkaufszentrum bestreiten jedoch den Überfall.
Der Anwalt von Kevin P. zeigte sich gestern überzeugt, dass die Kriminalpolizei die Identität dieses Zeugen kennt. Zudem meinte er, dass diese Denunzierung vielleicht nicht ganz so unschuldig sei: So könnte es durchaus sein, dass der anonyme Zeuge, vielleicht selbst am Raub beteiligt war und von sich ablenken wolle, indem er einen Unschuldigen der Tat bezichtigte.
Anwalt:„Fairer Prozess unmöglich“
Deshalb müsse er den Zeugen vor Gericht befragen können, so der Anwalt. Könne er das nicht, sei dies ein derart schwerer Einschnitt in die Rechte des Beschuldigten, dass ein fairer Prozess unmöglich sei.
Das hätte aber auch einen anderen Nebeneffekt: Es ist durchaus nachvollziehbar, dass die Familie P., die in großer Zahl in den
Zuschauerrängen im Prozess vertreten ist, gerne erfahren würde, wer einen der Ihrigen bei der Polizei angeschwärzt hat.
Darüber hinaus gab es zum Prozessauftakt gestern nur wenig neue Erkenntnisse, da die Ermittlungen und Zeugenaussagen bereits aus dem ersten Prozess bekannt sind. Nur dies: Es gibt im Dossier keine DNS-Spuren, die Kevin P. mit der Tat in Verbindung bringen – sagt zumindest dessen Anwalt.
Der heute 92-jährige Mann und die 90-jährige Frau, denen der Überfall im Juli 2015 galt, können dem Prozess indes aus gesundheitlichen Gründen nicht beiwohnen. Wie am Rande zu erfahren war, wurde das Paar übrigens nach diesem Überfall ein weiteres Mal zu Opfern: Erneut hatten Täter ihnen im Einkaufszentrum aufgelauert, um sie bis zu ihrer neuen Wohnung zu verfolgen und sie zu überfallen. Mehrere Tatverdächtige wurden gefasst. Der Fall kommt im Januar vor Gericht. str