Pattons letzte Fahrt
Vor 75 Jahren wird der US-General inmitten seiner Soldaten auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in Hamm beigesetzt.
Um 10 Uhr beginnt die Zeremonie auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof, der genau ein Jahr vorher angelegt wurde, mit „Aux champs“und der „Hymne aux morts“– gespielt von der Kapelle des 146. französischen Infanterieregiments. Nach den Gebeten von Chaplain Carter legt Miss Patton vor dem Sarg „ein prächtiges Gebinde duftiger Luxemburger Rosen nieder. (…) In dem Augenblick als der Chaplain die Hand erhob, um den Segen über die sterblichen Überreste des verblichenen Generals auszusprechen, krachte die Salve der amerikanischen Ehrenkompagnie über das offene Grab, ein ,Victory‘ des Todes für den entschlafenen Helden, der seit Nordafrika, seit Avranches so oft hatte ,Victory‘ schießen lassen. Darauf blies ein amerikanischer Hornist den ,taps‘, den letzten Zapfenstreich, für den tapferen Feldherrn“11. Am Arm von Generalleutnant Keyes, der die 3. Armee seines Freundes Patton übernommen hat, verlässt die Witwe den Hammer Soldatenfriedhof – in ihren Händen die zusammengefaltete amerikanische Flagge, die über dem Sarg ihres Mannes ausgebreitet war. Auch in bewegten Bildern ist die Zeremonie auf dem Militärfriedhof – wie auch der Trauerzug in Heidelberg am Vortag – für die Nachwelt dokumentiert worden.
Denn nicht alle, die zum Trauerzug nach Luxemburg kommen wollten, haben es rechtzeitig geschafft, wie eine Notiz des US-Diplomaten Wallers verrät12: Der stellvertretende Militärgouverneur der US- Besatzungszone und des amerikanischen Sektors von Berlin, General Lucius D. Clay, und Botschafter Robert Murphy, persönlicher Vertreter von Präsident Roosevelt und politischer Berater Eisenhowers, verlassen Berlin am 24. Dezember um 6 Uhr und landen gegen 8.30 Uhr am Flugplatz in Metz. Durch die meteorologischen Bedingungen an Heilig Abend 1945 war es unmöglich, die Strecke von Metz nach Luxemburg bis 9.15 Uhr, dem Beginn der Zeremonie am Bahnhof Luxemburg, zurückzulegen.
Und dennoch beschreibt Geschäftsträger George P. Waller die Beerdigung als „historisches Begräbnis“: „The cortege was solemn, impressive and arranged with all the pomp and circumstance of military tradition“13 während das „Luxemburger Wort“festhält: „Die Begräbnisfeierlichkeiten im Laufe des Morgens gestalten sich zu einem Schauspiel, wie es Luxemburg vorher noch nie gesehen hat“14.
Nicht uninteressant ist das Kondolenzschreiben Joseph Bechs an die amerikanische Regierung. Und weil der Teufel meistens im Detail steckt, sei hier auf die Tatsache hingewiesen, dass die handgeschriebene Notiz Bechs vom offiziellen Schreiben des Außenministers in einem nicht unwesentlichen Punkt abweicht. Während es im unveröffentlichten Wortlaut heißt: „On behalf of the Luxembourg Government I desire to express deepest sorrow at the death of General Patton whom we consider as the liberator of Luxembourg and whose glorious memory will ever be cherished by the greatful People of Luxembourg“15, so fehlt im verschickten Telegramm der Zusatz „whom we consider as the liberator of Luxembourg“. Wollte Bech gegenüber Washington den eigensinnigen Patton nicht all zu sehr glorifizieren oder das Heldenbild, das Luxemburg vom tapferen Feldherrn hat, gegenüber der US-Regierung etwas abfedern? Immerhin hat General Patton mehrmals durch seine verbalen Entgleisungen und seine Aggressivität die amerikanischen Autoritäten vexiert – nicht zuletzt im September 1945, als der US-General im Rahmen einer Pressekonferenz die NSDAP als „normale Partei“bezeichnete, vergleichbar mit den Parteien der Republikaner und Demokraten in den USA. Auch gibt es bereits zu Lebzeiten des Vier-Sterne Generals Kritik an Pattons Führungsstil. Oder ist es eine diplomatische Nuancierung Bechs, die Befreiung Luxemburgs nicht exklusiv an ein Individuum, sondern an eine Kollektivität zu knüpfen, um das Blutopfer der über 8 412 amerikanischen Soldaten, die im Winter 1944 auf dem amerikanischen Soldatenfriedhof in Hamm beerdigt wurden, nicht zu schmälern16? Doch für die damaligen Luxemburger ist Patton „the liberator of Luxembourg“. Und steht nicht auf der trikoloren Schleife auf dem Kranz, der am Kopfende des Patton-Sarges während der Begräbnisfeier aufgestellt ist: „The Grand Duchess and the people of Luxembourg to their liberator“?
Und so ist Pattons Trauerfeier eine Hommage und eine Verpflichtung Luxemburgs an seine Befreier. Sein Grab wird zur Pilgerstätte. Bis heute ist es in der „Cité des Américains, Cité des Morts“(Joseph Leydenbach) ein Erinnerungsort luxemburgisch-amerikanischer Geschichte.
Bechs unveröffentlichtes Kondolenzschreiben
Luxemburger Wort vom 27. Dezember 1945.
Am 23. November 1945 trifft der Stadtluxemburger Schöffenrat die Entscheidung, General George S. Patton zum „Citain d’Honneur“zu ernennen (Stadtarchiv LU
03.01/8).
Luxemburger Wort vom 27. Dezember 1945.
Siehe Thill Marc, „Heute vor 70 Jahren: Der verhängnisvolle Autounfall von General Patton“, In : Luxemburger Wort Online vom 9. Dezember 2015.
Report U.S. Legation Luxembourg to Department of State
24th December 1945 (text-message.blogs.archives.gov) Ibid.
Ibid.
Stadtarchiv Luxemburg: LU 11-IV/4 Funeral Escort Command vom 23. Dezember 1945.
Report U.S. Legation Luxembourg to Department of State 24th December 1945.
2005 wird zu Ehren Pattons und Reeds eine Gedenktafel in der Spanischen Hofreitschule enthüllt.
Luxemburger Wort vom 27. Dezember 1945.
Siehe Report U.S. Legation Luxembourg to Department of State 24th December 1945.
Ibid.
Luxemburger Wort vom 27. Dezember 1945.
Archives nationales Luxembourg: AE 09011 – Décès de General Patton (1945) Unveröffentlichtes Kondolenzschreiben von Joseph Bech an The Secretary of State. Zwischen März 1948 und dem 16. Dezember 1949 wird zwar ein Teil der Toten in die USA überführt, aber es verbleiben 5 073 Soldaten in Luxemburger Erde.