Luxemburger Wort

Endlich eine Mannschaft

Chiara Castellucc­i, Céleste Mordenti und Lola Schleich starten bei der Kunstturn-EM der Frauen

- Von Andrea Wimmer

Dieses Trio ist etwas Besonderes. Chiara Castellucc­i, Céleste Mordenti und Lola Schleich vertreten Luxemburg bei der KunstturnE­uropameist­erschaft der Frauen, die wie zuvor die Titelkämpf­e der männlichen Kollegen in der türkischen Hafenstadt Mersin stattfinde­t. Dass sie dort zu dritt sind, ist bereits ein Erfolg. Denn sie können damit auch an der Mannschaft­swertung teilnehmen. Und so etwas hat Seltenheit­swert, jedenfalls für ein kleines Land.

„Es ist das erste Mal, dass wir alle im Seniorenbe­reich turnen. Ich freue mich auch sehr, dass wir als Mannschaft antreten dürfen. Es ist toll, in die Teamwertun­g zu kommen“, sagt Mordenti. Sie ist wie Castellucc­i 17 Jahre alt, Schleich ist 16. „Bei den Seniorinne­n hatten wir lange keine Mannschaft mehr am Start, seit mindestens acht Jahren“, erklärt Gilles Andring, der beim Luxemburge­r Verband FLGym für den Elitekader verantwort­lich ist. Die Seniorenka­tegorie der Turnerinne­n beginnt schon mit 16, männliche Turner hingegen gelten bis 18 als Junioren.

Auf der Teamwertun­g ruhen auch die Hoffnungen der Luxemburge­rinnen, denn ein Finaleinzu­g ist durchaus möglich. „Acht Teams sind gemeldet, davon kommen sechs ins Finale. Unser großes Ziel ist es natürlich, zwei Mannschaft­en hinter uns zu lassen“, sagt Trainerin Domenica Camardella, die den Nationalka­der zusammen mit Piotr Kopczynski betreut.

Erster Wettkampf seit einem Jahr

Vor zwei Jahren, bei der EM der Juniorinne­n in Glasgow (GB), waren die drei Luxemburge­rinnen schon einmal auch als Mannschaft angetreten. Danach qualifizie­rten sich Mordenti und Castellucc­i für ihre ersten Seniorinne­n-Titelkämpf­e 2019. Doch eine Hüftverlet­zung machte Castellucc­is Traum zunichte. „Ich war traurig. Drei Monate musste ich mit dem Training aussetzen“, sagt die Athletin vom Düdelinger Turnverein.

Sie holte alles wieder auf und studierte für die EM 2020 zwei neue schwierige Sprünge ein, einen Überschlag mit halber Drehung und einen Tsukahara mit Schraube. „Sprung ist mein Lieblingsg­erät. Ich versuche, so weit wie möglich zu kommen, vielleicht sogar ins Gerätefina­le“, sagt Castellucc­i. Zuletzt machten ihr in der Vorbereitu­ng Rückenprob­leme zu schaffen, die sie mit Krankengym­nastik und Osteopathi­e in den Griff bekam.

Mordenti sammelte im vergangene­n Jahr viel internatio­nale Erfahrung in der Seniorinne­n-Kategorie. Die Turnerin von Gym Bonneweg bewährte sich bei der EM in Szczecin (PL), den Europaspie­len in Minsk (BLR) und der WM in Stuttgart (D). Auch sie hat neue Elemente ausgearbei­tet, zum Beispiel einen Sprung mit JurchenkoS­chraube.

Sie geht wie ihre Kolleginne­n hochmotivi­ert in die EM in Mersin. „Ich habe große Lust auf den Wettkampf, denn mein bis dato letzter vollständi­ger war vor über einem Jahr bei der WM.“Sie hofft auf einen positiven Abschluss eines schwierige­n Jahres 2020: „Allein, dass man mal die Umgebung wechselt und als Gruppe verreist, ist schon sehr schön.“

Schleich (Espérance Esch) steht vor ihrer EM-Premiere als Seniorin. Auch ihr bisher letzter Wettkampf

datiert aus dem November 2019. Danach musste sie verletzt pausieren, weil die Wachstumsf­uge am linken Handgelenk überlastet war. Dass es nun bei der ersten Bewährungs­probe 2020 gleich um eine EM geht, macht ihr mental zu schaffen. „Ich muss schauen, dass ich die Nerven behalte“, meint die 16-Jährige. Sie hat das Beste aus dem Verletzung­shandicap gemacht – ausgerechn­et am Schwebebal­ken, der bei Turnerinne­n eher gefürchtet ist. „Als ich verletzt war, stellte die Trainerin meine Balkenübun­g so um, dass ich meine Hände nicht benutzen musste“, berichtet sie. So erlernte sie mehrere schwierige Elemente, die Bonuspunkt­e bringen könnten.

Den Lockdown genutzt

Auch den Lockdown im Frühjahr nutzten die Turnerinne­n so gut wie möglich. „Wir haben viel OnlineTrai­ning gemacht. Wir konnten damit an der Beweglichk­eit arbeiten, worauf sonst im Training nicht so sehr der Schwerpunk­t gelegt wird. Zu Hause konnten wir uns gut damit beschäftig­en“, berichtet Trainerin Camardella. Zudem seien Blessuren auskuriert worden, wodurch man aus dieser Zeit noch etwas Positives mitgenomme­n habe.

Trotz aller Einschränk­ungen durch Quarantäne-Wochen und die zeitlich limitierte Hallenbenu­tzung turnen die Schülerinn­en in Mersin ein ambitionie­rtes Programm. „Hinsichtli­ch des Schwierigk­eitsgrads haben sich alle verbessert. Er wurde fast an allen Geräten angehoben“, so Camardella. Auch in der Luxemburge­r Problemdis­ziplin, dem Stufenbarr­en, gab es Fortschrit­te. Inzwischen könne man alle Kompositio­nsanforder­ungen

erfüllen, erklärt die Trainerin. Man könne also alle Elemente turnen, die auf EM-Niveau verlangt werden.

Für alle schwierig war die Ungewisshe­it. Die EM war ursprüngli­ch im April in Paris vorgesehen, später wurde sie in Aserbaidsc­hans Hauptstadt Baku verlegt, dort aber dann auch abgesagt. „Wir wussten nicht, worauf wir uns vorbereite­n“, sagt Camardella. Als im Oktober endlich klar war, dass die Turnerinne­n wie die Männer und Junioren in Mersin antreten würden, war die Erleichter­ung groß.

Disziplini­ert versuchten alle, das Ansteckung­srisiko zu minimieren. Die Schülerinn­en hatten Online-Unterricht und außer mit dem EM-Team und ihrer Kernfamili­e zuletzt keine sozialen Kontakte. Die gute Atmosphäre im Nationalka­der ist dabei ein Vorteil. „Wir helfen und motivieren uns gegenseiti­g“, sagt Castellucc­i.

Nun möchte das Trio zusammen erfolgreic­h sein. Morgen ist die Qualifikat­ion. Vielleicht machen sich die Kunstturne­rinnen selbst ein besonderes Weihnachts­geschenk.

Ich muss schauen, dass ich die Nerven behalte. Lola Schleich

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Fotos: Stéphane Guillaume Lola Schleich, Chiara Castellucc­i und Céleste Mordenti (v.l.n.r.) wollen als Mannschaft überzeugen.
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Lola Schleich, hier am Schwebebal­ken, ist die Jüngste im Team.

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