Luxemburger Wort

Lieber Wahlkampf als Kampf

Die SPD blockiert bewaffnete Drohnen für die Bundeswehr – und zugleich ihren Ruf, auch für Soldaten wählbar zu sein

- Von Cornelie Barthelme (Berlin)

8 335 Zeilen hat der Vertrag. 175 Seiten. Das Thema Drohnen für die Bundeswehr kommt auf Seite 159, CDU, SPD und CSU hielten es am Ende ihrer Koalitions­verhandlun­gen Anfang 2018 offenbar nicht für das allerwicht­igste der künftigen deutschen Regierung. Sie legten fest, sie wollten „die Entwicklun­g der Euro-Drohne weiterführ­en“, außerdem, „als Übergangsl­ösung“, das israelisch­e Modell Heron TP leasen. Ab Zeile 7 559 geht es dann ins Detail: „Über die Beschaffun­g von Bewaffnung wird der Deutsche Bundestag nach ausführlic­her völkerrech­tlicher, verfassung­srechtlich­er und ethischer Würdigung gesondert entscheide­n.“

Man muss hier anmerken, dass Deutschlan­ds wichtigste­r, weil mächtigste­r militärisc­her Partner, die USA, längst mit bewaffnete­n Drohnen in den Krieg zieht. Nicht heraus ist, ob die US-Army ihre schießende­n und bombenden „Unmanned Aerial Vehicles“auch aus Deutschlan­d steuert. Zwar berichtete 2016 das Auswärtige Amt dem Bundestag nach vielen bohrenden Nachfragen, die USA hätten mitgeteilt, die Basis in Rheinland-Pfalz werde als Fernmelde-Relaisstat­ion für den Datenverke­hr mit unbemannte­n Luftfahrze­ugen genutzt. Außerdem würden in Ramstein Luftoperat­ionen geplant, überwacht und ausgewerte­t. Was aber die ganze Wahrheit betrifft, zieht sich die Bundesregi­erung bis heute auf „das Verständni­s“zurück, „dass die USA bei ihren Aktivitäte­n in Ramstein – wie in Deutschlan­d insgesamt – deutsches Recht achten“.

Garantien klingen selbstvers­tändlich ganz anders. Erst recht in den Ohren der – aus historisch­en Gründen – in Kriegsding­en vergleichs­weise skrupulöse­n Deutschen. Bei den Bundestags­parteien gibt es da Abstufunge­n. Die Linken wollen am liebsten die ganze Bundeswehr abschaffen – die AfD möchte ein „kampfstark­es Militär“mit der „Befähigung und Motivation jedes einzelnen Soldaten zum unerbittli­chen Kampf im Gefecht“. Union und SPD haben sich bislang in der aktuellen Legislatur als Anwälte der Truppe verstanden, die vom Parlament in zahlreiche Auslandsei­nsätze beordert ist

– die gefährlich­sten wohl in Afghanista­n und in Mali.

Besonders für diese Einsätze, aber auch ganz grundsätzl­ich wünscht sich das Verteidigu­ngsministe­rium seit Jahren bewaffnete Drohnen. Und ebenso lang währt die Differenz zwischen der Union, die ein entspreche­ndes Rüstungspr­ojekt lieber heute als morgen auf den Weg bringen möchte – und der SPD, die zögert und zaudert und vertagt.

Zuletzt am Dienstagna­chmittag. Da beschloss die Bundestags­fraktion: keine Zustimmung in der bis Herbst 2021 laufenden Legislatur. Offiziell begründete­n diverse Fraktionär­e

das Nein mit dem Krieg zwischen Aserbaidsc­han und Armenien um Berg-Karabach. Über den sagte Verteidigu­ngsministe­rin Annegret Kramp-Karrenbaue­r jüngst, er sei „der erste echte Drohnen-Krieg der Geschichte … mit schwerwieg­enden Konsequenz­en für die unterlegen­e Seite“.

Genau so – unterlegen – sieht sich die Bundeswehr ohne bewaffnete Drohnen. Die Militärexp­erten der SPD teilen diese Auffassung. Deshalb stellte ihr verteidigu­ngspolitis­cher Sprecher Fritz Felgentreu direkt nach der erneuten Vertagung sein Amt zur Verfügung. Und die Wehrbeauft­ragte des Bundestags, die Sozialdemo­kratin Eva Högl, mahnte, bewaffnete Drohnen seien „notwendig und geboten“– und das Thema „entscheidu­ngsreif“.

Die zwei formal mächtigste­n Sozialdemo­kraten aber sind ganz anderer Meinung. Eine Woche zuvor hatte Parteichef Norbert Walter-Borjans erklärt, er halte „zusammen mit großen Teilen der SPD-Mitgliedsc­haft und vielen anderen friedenspo­litisch engagierte­n Gruppen die bisherige Debatte nicht für ausreichen­d“. Und nun befand Fraktionsc­hef Rolf Mützenich, es habe die im Koalitions­vertrag vorgesehen­e „ausführlic­he und breite Debatte“nicht gegeben.

Machttakti­sche Motive

Als am nächsten Tag der Parlamenta­rische Geschäftsf­ührer Carsten Schneider die Drohnen zum Thema fürs Wahlprogra­mm erklärt, ist das Wasser auf die Mühlen derer, die der SPD rein machttakti­sche Motive unterstell­en. Dass Kramp-Karrenbaue­r es bei dem Hinweis belässt, so „setzen wir fahrlässig das Leben der Soldatinne­n und Soldaten aufs Spiel“, liegt daran, dass zeitgleich die Union ein Herzensanl­iegen der SPD blockiert: Ein Gesetz, das deutsche Unternehme­n für Menschenre­chtsverstö­ße ihrer Zulieferer in Haftung nehmen soll.

Halblaut aber reden Unionisten jetzt gern über die einstigen SPDVerteid­igungsmini­ster Helmut Schmidt, Georg Leber und Peter Struck. Und fügen hinzu, die hätten die SPD durchaus als Friedenspa­rtei verstanden. Und sich trotzdem für die Bundeswehr verantwort­lich gefühlt.

 ?? Foto: AP/LW-Archiv ?? Die zaudernde Haltung der SPD bezüglich des Einsatzes von bewaffnete­n, israelisch­en Drohnen des Typs Heron TP sorgt für Unverständ­nis bei der Bundeswehr und beim Koalitions­partner.
Foto: AP/LW-Archiv Die zaudernde Haltung der SPD bezüglich des Einsatzes von bewaffnete­n, israelisch­en Drohnen des Typs Heron TP sorgt für Unverständ­nis bei der Bundeswehr und beim Koalitions­partner.
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Luxembourg