Glauben macht nicht immun
In Zypern ist ein heftiger Streit entbrannt wegen des Gottesdienstverbots an Weihnachten
Der orthodoxe Bischof der nordzyprischen Küstenstadt Morphou, Neophytous, bezeichnet sich selbst als „Freidenker“. Nicht nur als Geistlicher, behauptet er, habe er das Recht, der Regierung in Nicosia zu widersprechen. Die hatte vor zwei Wochen im Rahmen eines landesweiten Corona-Lockdowns die Schließung aller Kirchen bis zum Jahresende angeordnet. Einen Tag später setzte Neophytous das Verbot eigenmächtig außer Kraft und rief unter dem Beifall anderer Bischöfe die Gläubigen zum Gottesdienstbesuch auf.
„Wer Gläubigen den Kirchenbesuch und damit auch die heilige Kommunion verweigert, ist ein Feind Gottes“, schloss sich auch der Bischof des Gebirgsklosters Kykkos, Nikiforos, seines Amtskollegen aus Morphou an. Einen Tag zuvor hatte die Polizei Gottesdienste in drei entlegenen Dörfern des Troodos-Gebirges aufgelöst. Zwölf Gläubige und zwei Priester wurden festgenommen. Wegen Widerstand gegen die Staatsgewalt droht jedem von ihnen eine Geldstrafe von mindestens 300 Euro.
Um eine weitere Eskalation im Streit um das Gottesdienstverbot zu verhindern, hat die Heilige Synode der orthodoxen Kirche Zyperns die Regierung am Dienstag aufgerufen, ihre „übertriebenen und ungerechten Einschränkungen“zu überdenken. Kirchen seien letztendlich wie Krankenhäuser,
argumentierte der Bischof von Paphos, Georgios, wobei Gotteshäuser die „geistigen und Spitäler die körperlichen Leiden behandelten“. Doch die Regierung blieb hart.
„Wir verstehen die Bedürfnisse der Kirchgänger, aber die öffentliche Gesundheit hat Priorität“, erklärte Zyperns Gesundheitsminister Constantinos Ioannou – und wies daraufhin, dass sich „ein Teil der Bevölkerung noch immer nicht an unsere Maßnahmen hält“. Damit gemeint war die griechischorthodoxe Kirche, die trotz unzähliger Ermahnungen und Warnungen weiterhin am traditionellen Ablauf der Heiligen Kommunion festhält. Diese empfangen die Gläubigen noch immer aus demselben silbernen Löffel.
Eine Infektionsgefahr, behauptet die Synode standhaft, bestehe nicht, „weil der Kelch des Lebens keine Krankheiten übertragen könne“. „Die Gläubigen, die inmitten einer Pandemie zur Kommunion kommen, wissen, dass sie sich dem lebenden Gott übergeben und ihre Liebe beweisen, die jede menschliche Angst besiegt“, heißt es in der Erklärung des obersten Organs der orthodoxen Kirche Griechenlands, deren Weisungen auch die zyprischen Bischöfe folgen.
Der Kelch des Lebens kann keine Krankheiten verbreiten. Heilige Synode der orthodoxen Kirche Zyperns
Orthodoxe Kirche gegen Kompromisslösungen
Kompromisslösungen wie Einweglöffel statt des gemeinsamen Silberlöffels würden die Eucharistie infrage stellen und könnten daher nicht angenommen werden. Auch das oft innige Küssen von Ikonen und Kreuzen ist in den orthodoxen Kirchen Zyperns weiterhin an der Tagesordnung. Bei Beerdigungen berühren die Lippen Hunderter von Gläubigen auch Glassärge. Entsprechend hoch sind die Infektionszahlen nach derartigen Superspreader-Events.
Das weiß auch die Bevölkerung, die beim Kirchenbesuch die Warnungen der Gesundheitsbehörden trotzdem vergisst und offenbar darauf vertraut, dass sie der feste Glaube an Gott vor dem Corona-Virus schützt. So predigt es auch der „freidenkende“Bischof von Morphou, Neophytos. Es wäre schlichtweg Blasphemie, verkündete der Geistliche, „den Leib und das Blut Christi als Quelle des Todes in der aktuellen CoronaPandemie verantwortlich zu machen“.