Der letzte Strohhalm
Senningen-Überfall: Verteidigung bemüht sich, Ermittlungen zu diskreditieren
Luxemburg. Im Prozess um den brutalen Überfall auf ein älteres Ehepaar im Jahr 2015 in Senningen hat die Verteidigung keinen leichten Stand. Die Strohhalme, an die sich Kevin P., der mutmaßliche dritte Mann beim Raub, und sein Anwalt klammern könnten, um die Unschuld des 30-Jährigen zu beweisen oder Zweifel an der Schuld zu säen, werden bereits am zweiten Verhandlungstag rar.
An jenem 5. Juli war ein über 80jähriges Ehepaar beim allsamstäglichen Shopping in einem Einkaufszentrum in der Stadtperipherie ausgespäht und bei ihrer Rückkehr unter schwerer Gewaltanwendung angegriffen, verletzt und beraubt worden.
Das größte Problem für den nun angeklagten Kevin P. besteht darin, dass bereits zwei Täter wegen dieser Tat rechtskräftig verurteilt wurden. Das bedeutet nämlich auch, dass alles, was in deren Verurteilung
Kevin P. war vier Jahre lang auf der Liste der meistgesuchten Verbrecher Europas.
steht, der juristischen Wahrheit entspricht und deswegen nicht infrage gestellt werden kann. Dazu kommt, dass Kevin P. das Paar vor der Tat mit den beiden Verurteilten mehr als zwei
Stunden lang beobachtet hatte. Und die Beschreibung der Zeugen der Tat passt exakt auf die Videobilder aus dem Einkaufszentrum.
Deswegen zog sein Anwalt in der gestrigen Verhandlung auch sämtliche Register, um die Ermittlungen der Kriminalpolizei zu diskreditieren. So wollte er wissen, ob, überprüft wurde, dass sämtliche Kameras über eine Zulassung verfügten. Er meinte zudem, dass es den Tätern wohl kaum möglich gewesen sein könnte, binnen 23 Minuten von Senningerberg ins französische Terville zu gelangen – an einem Tag, für den Bison futé eine rote Reisewarnung ausgegeben hatte. Die Verkehrslage an diesem Tag hätten die Ermittler nämlich versäumt zu überprüfen.
Und er machte auf einer Videoaufnahme einen Mann ausfindig, der sich zwei Schritte auf das spätere Opfer zubewegte, um dann die Richtung zu wechseln. Das sei höchst verdächtig und weise möglicherweise auf einen anderen, dritten Täter hin. „Der Mann hat die Frau doch nicht einmal angesehen“, hielt dem indes die vorsitzende Richterin entgegen.
Richterin: „Ne faites pas le malin“
Der Auftritt des Angeklagten dürfte die Verteidigung ebenfalls nicht vereinfachen. Die Richterin musste ihn gleich zu Beginn der Anhörung zurechtweisen: „Ne faites pas le malin“. Das tat er dann aber doch. So fand er haarsträubende Ausreden für jeden seiner Schritte im Einkaufszentrum, vom Pinkelbedürfnis bis zum angeborenen Tick. Um eine 80-Jährige auszurauben würden zwei Männer völlig ausreichen, meinte er. Und einen Gerichtssaal habe er noch nie von innen gesehen. Dafür hat er aber bereits drei Verurteilungen. Der Prozess wird heute abgeschlossen. str