Grünes Licht aus Brüssel
Erster Corona-Impfstoff aus Mainz darf in EU eingesetzt werden
Die heutige Entscheidung ist eine besonders persönliche und emotionale für uns alle bei Biontech. Biontech-Chef Ugur Sahin
Brüssel/Amsterdam. Fast zehn Monate nach Ausbruch der CoronaPandemie in Europa steht die Zulassung des ersten Impfstoffes in der EU kurz bevor. Die EU-Kommission erteilte dem Impfstoff des Mainzer Unternehmens Biontech und seines US-Partners Pfizer am Montag die Marktzulassung. „Heute fügen wir dem Kampf gegen Covid-19 ein wichtiges Kapitel hinzu“, sagte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen in Brüssel. Zuvor hatte die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) in Amsterdam grünes Licht für die Zulassung gegeben.
Damit steht dem Beginn der Impfungen in der EU nichts mehr im Wege. Die Hersteller Biontech und Pfizer stehen nach eigenen Angaben in den Startlöchern. „Wir sind bereit, mit der Auslieferung der ersten Impfstoffdosen in der EU zu beginnen, sobald wir grünes Licht erhalten“, sagte Biontech-Chef und Mitgründer Ugur Sahin gestern. „Die heutige Entscheidung ist eine besonders persönliche und emotionale für uns alle bei Biontech“, sagte Sahin. „Als Unternehmen mit Sitz im Herzen der EU freuen wir uns besonders, einen Schritt näher daran zu sein, möglicherweise den ersten Impfstoff gegen diese verheerende Pandemie in Europa zu liefern.“
EMA-Direktorin Emer Cooke sagte: „Das ist wirklich eine historische wissenschaftliche Leistung.“Sie warnte aber davor, dass der Wendepunkt der Pandemie noch nicht erreicht sei. Die Behörde rechne aber damit, dass der Impfstoff auch gegen die neu aufgetretene Coronavirus-Variante wirksam ist.
„Zu diesem Zeitpunkt gibt es keinen Beweis für die Annahme, dass der Impfstoff nicht gegen die neue Variante wirken könnte“, sagte die Direktorin. Darüber müssten aber noch mehr Informationen gesammelt werden.
Der Impfstoff ist bereits unter anderem in Großbritannien, den USA und Kanada zugelassen. Er hat nach Angaben der EMA eine Wirksamkeit von rund 95 Prozent und wird für Personen ab 16 Jahren empfohlen. Nach Angaben der EMA wurden bereits rund 270 000 Personen mit dem Stoff geimpft und habe es bislang nur vereinzelt Fälle von allergischen Reaktionen gegeben, meist mild.
Nebenwirkungen werden auch nach
Zulassung weitergeprüft
Die Experten der EMA hatten bereits seit Wochen die Daten und Resultate der klinischen Tests der Hersteller geprüft. Die bedingte Zulassung in allen 27. EU-Staaten verpflichtet die Hersteller, auch danach noch Daten etwa zur Langzeitwirkung an die EMA zu übermitteln. Auch Angaben zu möglichen Nebenwirkungen oder allergischen Reaktionen werden weiterhin geprüft.
Die Experten bekräftigten, dass bei der Prüfung der Daten keinerlei Abstriche bei der Sicherheit gemacht worden waren. Es sei klar, dass es Sorgen wegen der Geschwindigkeit der Zulassung gebe, sagte etwa Harald Enzmann, der Vorsitzende des deutschen Ausschusses für Humanarzneimittel.
Aber: „Die analysierten Daten entsprechen den Standards der Verlässlichkeit und Qualität.“Nicht zuletzt sei es einer der größten Impfstofftests der Geschichte gewesen.
Voraussichtlich am 6. Januar will die EMA auch den Weg frei machen für die Zulassung des zweiten Impfstoffes, dem Präparat vom US-Konzern Moderna.
Hilfsorganisationen begrüßten die Zulassung, erneuerten aber zugleich ihre Forderungen nach einer gerechten, weltweiten Verteilung der Präparate und nahmen die Pharmaindustrie in die Pflicht. Die Nichtregierungsorganisation One warf dagegen dem Impfstoffhersteller Biontech mangelndes Engagement in der Verteilungsfrage vor. So sei vom Versprechen des Unternehmenschefs Ugur Sahin, den Impfstoff schnellstmöglich auf der ganzen Welt zur Verfügung zu stellen, praktisch nichts zu sehen, kritisierte der Direktor von One Deutschland, Stephan Exo-Kreischer. „Es wurden weder Preisnachlässe für Entwicklungsländer angekündigt noch eine Zusammenarbeit mit der internationalen Impfstoff-Initiative Covax“, erklärte Exo-Kreischer. dpa/KNA