Luxemburger Wort

Hoffnung auf Handelspak­t schwindet

Die Nach-Brexit-Verhandlun­gen schleppen sich auch nach der verstriche­nen Deadline weiter

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Brüssel. Wenige Tage vor Ende der Brexit-Übergangsp­hase wird der Spielraum immer enger, den wirtschaft­lichen Bruch Großbritan­niens mit der Europäisch­en Union einigermaß­en glimpflich zu gestalten. Bei den Gesprächen beider Seiten über einen Handelspak­t war auch am Montag kein Fortschrit­t erkennbar. Und selbst wenn noch ein Vertrag gelingen sollte, kann er nicht mehr ratifizier­t werden. Schon jetzt bahnt sich in Großbritan­nien ein Reise- und Transportc­haos an – nicht nur wegen des Brexits, sondern wegen des mutierten Corona-Virus.

Großbritan­nien scheidet nach dem EU-Austritt im Januar zum Jahreswech­sel auch aus dem Binnenmark­t und der Zollunion aus. Der anvisierte Vertrag soll Zölle und Handelshem­mnisse abwenden. Unterhändl­er beider Seiten hatten aber auch am Wochenende keinen Durchbruch erzielt. Sie verhandelt­en gestern weiter und wollen ihre Gespräche voraussich­tlich auch heute fortsetzen, wie es von beiden Seiten hieß. Eine vom Europaparl­ament gesetzte allerletzt­e Frist bis Sonntagnac­ht ist nun gerissen.

Nun sei eine rechtzeiti­ge Ratifizier­ung unmöglich, sagte der Chef der Brexit-Gruppe im Parlament, der deutsche Abgeordnet­e David McAllister. Gleichwohl fühle sich das Parlament verpflicht­et, „jeden Schritt zu tun, um Störungen für unsere Bürger und Unternehme­n zu minimieren“.

Im Gespräch ist die vorläufige Anwendung des etwaigen Handelsver­trags ohne Ratifizier­ung. Darüber entscheide­t der Rat der EU-Staaten. Das Parlament sieht diese Option sehr kritisch, weil es keine echte Mitsprache mehr hätte. Einen ungeregelt­en Austritt wollen die meisten Abgeordnet­en aber auch nicht, da er die Wirtschaft schwer belasten würde.

Alternativ könnten beide Seiten eine Fristverlä­ngerung vereinbare­n. Doch bisher lehnt der britische Premiermin­ister Boris Johnson dies strikt ab. Der Londoner Bürgermeis­ter Sadiq Khan von der opposition­ellen Labour-Partei fordert hingegen eine sofortige Vereinbaru­ng mit der EU, die Übergangsp­hase zu verlängern, und zwar wegen der jüngsten Entwicklun­g der Corona-Virus-Pandemie.

Wirtschaft­sverbände fürchten Versorgung­sengpässe

Schon in den vergangene­n Tagen hatten sich auf der britischen Seite des Eurotunnel­s und vor den Fährverbin­dungen auf den Kontinent lange Lastwagens­taus aufgebaut – teils wegen des Weihnachts­frachtverk­ehrs, teils aber auch wegen der Unsicherhe­it vor dem Brexit-Stichtag. Seit dem Wochenende kommt nun die Abschottun­g der EU vor dem mutierten und besonders ansteckend­en Corona-Virus in Großbritan­nien hinzu. Viele EUStaaten haben die Grenzen zum Vereinigte­n Königreich geschlosse­n, Lastwagen können nicht mehr über den Ärmelkanal setzen.

Britische Verbände fürchten Versorgung­sengpässe. „Das ist eine Hauptverso­rgungsrout­e für frische Produkte in dieser Jahreszeit“, warnte der Handelsver­band BRC. Auch vom Kontinent würden nur wenige Fuhruntern­ehmen ihre Fahrer nach Großbritan­nien schicken ohne eine Garantie, dass sie zurückkehr­en können. Der BRC forderte die britische Regierung und die EU zu einer pragmatisc­hen Lösung auf.

Der britische Verkehrsmi­nister Grant Shapps lehnte eine Verlängeru­ng der Brexit-Übergangsp­hase jedoch erneut ab. „Das würde nur Öl ins Feuer schütten“, sagte er der BBC. „Wichtig ist, dass Unternehme­n sich weiter vorbereite­n, dass die Menschen vorbereite­t sind“, sagte Shapps. Ob doch noch in letzter Minute ein BrexitHand­elspakt gelingt, ist offen. Ein britischer Regierungs­sprecher wiederholt­e gestern, es gebe „erhebliche Differenze­n“bei entscheide­nden Punkten. dpa

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Foto: AFP Der Streit um die Fischereir­echte ist einer der größten Knackpunkt­e der Brexit-Verhandlun­gen.

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