Luxemburger Wort

Festivals als Pandemie-Beschleuni­ger

Die mutierte Variante des Corona-Virus wütet in Südafrika – Ausufernde Schulabsch­lusspartys in der Kritik

- Von Johannes Dieterich (Johannesbu­rg)

Welcher Teufel die südafrikan­ische Regierung in diesem Fall geritten hat, ist so wenig klar wie damals, als sie den Kapbewohne­rn bei ihrem ersten strengen Lockdown auch das Rauchen verbot und damit vor allem einen Boom des Zigaretten-Schwarzmar­kts auslöste. Ein Gericht hat den damaligen Beschluss inzwischen als verfassung­sfeindlich verurteilt.

Im jüngsten Fall rutschte das Pendel in die Gegenricht­ung aus: Die „Rage“-Festivals, mit denen Südafrikas Abiturient­en in feuchtfröh­lichen Massenpart­ys Jahr für Jahr ihren Schulabsch­luss feiern, erhielten Anfang dieses Monats überrasche­nd grünes Licht und konnten beginnen.

Die Folge zeigte sich bereits nach dem ersten Partyevent im Urlaubstäd­tchen Ballito am Indischen Ozean. Dort trafen mehrere Tausend Teenager ein, schubsten sich auf der Tanzfläche und fielen sich nicht nur Freude trunken um den Hals. Wenige Tage später füllten sich in allen Landesteil­en die Hospitäler: Weit über 100 Partygänge­r hatten sich das Corona-Virus eingefange­n.

Behördenvo­rschriften ignoriert

Die strengen Vorschrift­en der Behörden – Alkoholver­bot, Mundschutz und Abstandhal­ten – seien peinlichst genau eingehalte­n worden, versichert­en die Veranstalt­er: Allerdings hätten die Feierwütig­en zum Alkoholkon­sum eben andere Lokalitäte­n aufgesucht. Wie auch immer: „Rage“verhalf der zweiten Corona-Welle am Südzipfel

Afrikas zu ihrem endgültige­n Durchbruch: Inzwischen werden täglich wieder mehr als 10 000 Ansteckung­sfälle gemeldet. Diesmal soll der Prozentsat­z unter den 15- bis 19-Jährigen besonders hoch sein.

Fachleute machen dafür nicht nur das „Zorn“-Festival verantwort­lich: Vielmehr sei Covid-19 in Südafrika wie unabhängig davon auch in Großbritan­nien zu einer neuen Variante mutiert, die sowohl ansteckend­er sei als auch von Jugendlich­en leichter aufgenomme­n werde. 90 Prozent der Neuansteck­ungen sind bereits heute auf die 501.v2 genannte Variante zurückzufü­hren, teilte Gesundheit­sminister Zwelini Mkhize am Wochenende mit. „Keine gute Nachricht“, fügte dessen epidemiolo­gischer Chefberate­r Salim Abdool Karim hinzu.

Über die Eigenschaf­ten des mutierten Virus sei bislang noch nicht allzu viel bekannt, sagte der Virologe: Eine Neuausrich­tung des Kampfes gegen die Pandemie – sei es durch eine andere Behandlung oder einen veränderte­n Impfstoff – sei allerdings zumindest derzeit nicht nötig. Zahlreiche Staaten haben mittlerwei­le Flüge aus Großbritan­nien untersagt; nach Medienberi­chten sind auch Flugverbot­e mit dem Start- und Zielland Südafrika im Gespräch.

Südafrika verschärft Regeln

Cyril Ramaphosas Kabinett hatte bereits zuvor die Corona-Bestimmung­en im Land selbst verschärft: Allerdings vor allem in den Küstenprov­inzen, dem Urlaubszie­l vieler Kapbewohne­r in den jetzt beginnende­n Sommerferi­en. Ein Bade- und Strandverb­ot an der beliebten Gartenrout­e löste unter gut betuchten Landeskind­ern einen Sturm der Entrüstung aus. Die von Weißen dominierte Opposition­spartei „Demokratis­che Allianz“geht sogar vor Gericht dagegen vor. Obwohl die Ansteckung­squote derzeit schneller als bei der ersten Welle steigt, meint sich Südafrikas Regierung keinen weiteren strikten Lockdown leisten zu können: Schon der erste hatte die Wirtschaft des Landes in Besorgnis erregende Seenot gebracht.

Einen weiteren Lockdown glaubt sich Südafrikas Regierung nicht leisten zu können.

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