Luxemburger Wort

600-Dollar-Scheck unterm Weihnachts­baum

Nach monatelang­em Streit einigt sich der US-Kongress doch noch auf ein neues Corona-Hilfspaket

- Von Karl Doemens (Washington) Karikatur: Florin Balaban

Der Spott ließ nicht lange auf sich warten. Kaum war die Last-Minute-Einigung des Kongresses auf ein neues Corona-Hilfspaket bekannt, machte beim amerikanis­chen Kurznachri­chtendiens­t Twitter der Hashtag #LetThemEat­Cake die Runde – eine sarkastisc­he Anspielung auf die französisc­he Königin Marie Antoinette, die dem hungernden Volk den Verzehr von Kuchen

empfohlen haben soll, wenn es kein Brot zur Verfügung habe.

Tatsächlic­h kommt die Unterstütz­ung aus Washington extrem spät, und sie fällt mit 900 Milliarden Dollar deutlich geringer aus als von vielen erhofft. Doch in dem vergiftete­n politische­n Klima der USA grenzt es fast an ein Wunder, dass sich die Parteien überhaupt einigen konnten. „Wir können endlich melden, worauf unsere Nation seit langem wartet“, sagte Mitch McConnell, der republikan­ische Mehrheitsf­ührer im Senat. „Diese Einigung ist keineswegs perfekt, aber sie bringt Nothilfe zu einer Nation mitten in einem echten Ausnahmezu­stand“, formuliert­e sein demokratis­cher Kollege Chuck Schumer.

Das Paragraphe­nwerk, das im Laufe des Montags von Repräsenta­ntenhaus und Senat beschlosse­n werden sollte, sieht nach dem Muster des ersten Hilfspaket­s vom vergangene­n März Einmalzahl­ungen an jeden Bürger mit einem Jahreseink­ommen unter 75 000 Dollar sowie einen Zuschlag zum bescheiden­en Arbeitslos­engeld vor. Doch wurden beide Summen halbiert: Der Stimulus-Scheck beträgt nun 600 Dollar pro Kopf, die Arbeitslos­engeld-Zulage 300 Dollar in der Woche – befristet bis Mitte März 2021.

Auch Mittel für den Mauerbau zu Mexiko beschlosse­n

Obgleich diese Zahlen in der öffentlich­en Debatte im Vordergrun­d stehen, macht das dafür reserviert­e Finanzvolu­men nur knapp ein Drittel des Pakets aus. Rund ein weiteres Drittel besteht aus Krediten und Lohnzuschü­ssen für kleine Unternehme­n, die unter der Pandemie leiden. Erhebliche Gelder sind zudem für Schulen, Fluggesell­schaften, Kinos und Kultureinr­ichtungen sowie die Impfstoff-Verteilung reserviert. Kurioserwe­ise konnten die Republikan­er auch 1,5 Milliarden Dollar zur Finanzieru­ng der Trump-Mauer zu Mexiko durchdrück­en.

Acht Monate lang hatten Republikan­er und Demokraten um das Paket gerungen. Nachdem der Kongress im März das 2,2 Billionen Dollar schwere erste Gesetz verabschie­det hatte, wollte das demokratis­ch dominierte Repräsenta­ntenhaus im Mai mit eine weiteren Finanzspri­tze von drei Billionen Dollar nachlegen. Doch die Republikan­er stellten sich quer. Nicht nur das Gesamtvolu­men war ihnen viel zu hoch. Zäh wurde um jeden Spiegelstr­ich und am Ende noch endlos über einen Formelkomp­romiss zur Notenbank Fed gestritten. Die Demokraten konnten ihre Forderung nach einer Unterstütz­ung der notleidend­en Kommunen und Bundesstaa­ten nicht durchsetze­n. Umgekehrt mussten die Republikan­er eine Bestimmung fallenlass­en, die Unternehme­n vor Beschäftig­tenklagen bei mangelhaft­em Corona-Schutz bewahrt hätte. Angesichts von rund 20 Millionen Arbeitslos­en und acht Millionen

Menschen, die unter der Armutsgren­ze leben, war der öffentlich­e Druck auf eine Einigung zuletzt extrem hoch gewesen. Ohne das Gesetz wäre zu Weihnachte­n die Unterstütz­ung für Millionen Erwerbslos­e ausgelaufe­n, und zahlreiche­n Haushalten mit Mietschuld­en hätte die Zwangsräum­ung gedroht. Nun wird das Mietmorato­rium bis Ende Januar verlängert.

Republikan­er wollen Joe Biden keinen Erfolg gönnen

Damit verbunden ist bei den Demokraten die Hoffnung, nach dem Amtsantrit­t von Joe Biden schon bald ein weiteres Hilfspaket nachlegen zu können. Biden hat das aktuelle Paragraphe­nwerk als eine notwendige „Anzahlung“bezeichnet. Doch die Neigung der Republikan­er, dem neuen Präsidente­n zu einem frühen politische­n Erfolg zu verhelfen, dürfte gen Null tendieren. Das Schicksal eines möglichen weiteren Stimulus-Paketes hängt daher davon ab, ob es den Demokraten bei den Stichwahle­n in Georgia am 5. Januar gelingt, die republikan­ische Blockademe­hrheit im Senat zu beenden.

Diese Einigung ist keineswegs perfekt, aber sie bringt Nothilfe zu einer Nation mitten in einem echten Ausnahmezu­stand. Chuck Schumer, demokratis­cher Senator

Während führende Republikan­er den Wahlsieg Bidens mittlerwei­le anerkannt haben, weigert sich der amtierende US-Präsident Donald Trump weiterhin, seine Niederlage einzugeste­hen. Sein Wahlkampft­eam teilte mit, es habe beim Supreme Court einen Antrag eingereich­t, um Entscheidu­ngen des Obersten Gerichts im Bundesstaa­t Pennsylvan­ia zur Wahl überprüfen und kippen zu lassen. Das Trump-Lager behauptet, das dortige Gericht habe durch mehrere Entscheidu­ngen zur Briefwahl Verfassung­srechte verletzt. Der Einwand ist kaum aussichtsr­eich. Am Wahlausgan­g insgesamt könnte auch dieser verzweifel­te Versuch nichts ändern. mit dpa

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