Luxemburger Wort

„Wir müssen von unserem Speck leben“

Den Luxemburge­r Brauereien sind mit der Schließung der Gastronomi­e die wichtigste­n Abnehmer weggebroch­en

- Von Thomas Klein

„Wir navigieren von Tag zu Tag“, sagt Joël Back, der seit 2017 die Mikro-Brauerei „Bare Brewing“betreibt. Normalerwe­ise liefert er 60 Prozent seines Bieres an Restaurant­s und Kneipen. Dieses Geschäft brach mit der erneuten Schließung der Gastronomi­e Ende November bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr nahezu komplett weg. Hinzu kommt ein umsatzschw­acher Sommer, in dem kaum Festivals, Konzerte und weniger private Feiern stattgefun­den haben. Zwar sei im ersten Lockdown der Bierabsatz im Einzelhand­el im Durchschni­tt gestiegen, sagt Mathias Lentz, Präsident der „Confédérat­ion des brasseries et des brasseurs du Luxembourg“. Aber das sei bei Weitem nicht genug, um die Verluste in den anderen Bereichen auszugleic­hen. „Die Leute trinken zu Hause anders als in Bars und Kneipen. Da ist immer noch die Frau oder der Mann dabei und sagt: ‚Jetzt hast du aber genug getrunken‘“, scherzt Lentz, der auch für das Frankreich­geschäft der „Brasserie Nationale“zuständig ist. Auch die mit 155 000 Hektoliter Produktion­svolumen größte Luxemburge­r Brauereigr­uppe, zu der Bofferding, Battin, Funck-Bricher gehören, beklagt einen Umsatzeinb­ruch im Horesca-Sektor von ungefähr 50 Prozent, sagt Lentz.

Besonders die Kleinen leiden

„Auch wenn die Leute zuhause ein paar Flaschen mehr trinken, dann ist das nichts im Vergleich zu großen Festen und Festivals, wo wir in 50-Liter-Fässern rechnen“, sagt auch Betty Fontaine, Generaldir­ektorin der Brasserie Simon in Wiltz. Hinzu kommt, dass in Restaurant­s und auf Feiern nicht nur mehr Bier getrunken wird, die Gewinnmarg­en sind auch besser als im Supermarkt, sagt Lentz. Fassbier ist gerade für kleinere Brauereien leichter abzufüllen, was mit geringeren Kosten verbunden ist.

Auch wenn viele Gaststätte­n jetzt im erneuten „LockdownLi­ght“auf Hausliefer­ungen setzen, kommt dabei kaum etwas für die Brauereien rum. „Im Restaurant haben die Gäste häufig ein paar Flaschen Bier zum Essen getrunken, nach Hause bestellen sie sich in der Regel nur noch ein Hauptgeric­ht“, sagt Lentz. „Natürlich haben die Restaurant­s jetzt die Priorität, ihr Essen trotz allem zu verkaufen, der Bierabsatz interessie­rt sie weniger. Da müssen die Brauereien kreativ werden, zum Beispiel

Mathias Lentz, Präsident des Brauereive­rbandes.

indem sie zusammen mit den Wirten Aktionen starten, dass die Kunden zum Menu immer noch eine Flasche Bier dazu erhalten.“

Insgesamt ist es für die großen Brauereien etwas leichter, die enormen Einbrüche zu verkraften. „Natürlich ist auch für uns alles andere als einfach“, sagt Wim Gallet, Country Director Luxembourg der belgischen ABInBev-Gruppe, zu der auch die Brasserie de Luxembourg mit den Marken Diekirch und Mousel gehört. „Aber wir haben

den Vorteil, dass wir eine größere Präsenz im Einzelhand­el haben. Die kleineren Produzente­n sind stärker abhängig von der Gastronomi­e“, sagt er.

Zur Zeit des ersten Lockdowns im Frühling sei die Solidaritä­t mit den kleineren lokalen Brauereien sehr groß gewesen, sagt Joël Back. Über die Online-Plattform Letzshop, auf der Luxemburge­r Geschäfte ihre Produkte verkaufen können, habe sein Betrieb zunächst viel absetzen können. Mit dem Ende der Einschränk­ungen seien die Verkaufsza­hlen über die Plattform dann aber wieder auf annähernd null gefallen. „Am Anfang gab es eine Bewegung, dass jeder die kleinen lokalen Läden unterstütz­en wollte. Ab dem Moment, wo die Geschäfte aber wieder aufgingen und alles halbwegs normal lief, war das alles wieder vergessen“, sagt er. Auch die Bank, die anfangs großzügig die Kreditzahl­ungen für drei Monate aussetzte, sei inzwischen zum „Business as usual“zurückgeke­hrt.

Keine weitere Konsolidie­rung

Einen Vorteil sieht er aber in der höheren Flexibilit­ät der kleinen Brauereien. So habe er neue Biere herausbrin­gen können, die von den Kunden gut angenommen wurden. „Das hat uns wirklich geholfen.“Darüber hinaus habe er auch im Auftrag größerer Brauereien Bier gebraut. „Durch dieses Kontraktbr­auen haben wir die Auslastung unserer Kapazitäte­n erreicht, obwohl wir für uns selbst weniger herstellen“, sagt er.

Dass es durch die Krise mittelfris­tig zu einer weiteren Konsolidie­rung des Luxemburge­r Biermarkte­s kommen könnte, bei der die Großen die Kleineren schlucken, halten die Branchenke­nner für unwahrsche­inlich. „Es wird sicherlich einige kleinere Brauereien geben, die durch die Krise bankrott gehen, aber kleine Betriebe wie wir sind für die großen Gruppen uninteress­ant“, sagt Back.

Von den größeren Luxemburge­r Brauereien sei die Brasserie Simon „die einzige, die noch geschluckt werden könnte“, sagt Betty Fontaine. „Aber wir sind nicht zum Schlucken da. Wir machen auf jeden Fall weiter so wie bisher“, versichert sie. Fontaine rechnet damit, dass auch die ersten sechs Monate im neuen Jahr ähnlich schwierig werden wie 2020, weil viele Feste weiterhin ausfallen werden. Ab Juli sei vielleicht wieder mit einem normalen Geschäft zu rechnen. „Das erste Halbjahr wird sehr schwierig werden. Wir müssen dann eben von dem Speck leben, den wir uns in den letzten Jahren angefresse­n haben. Natürlich werden wir auch Investitio­nen nach hinten schieben müssen, weil ein Loch in der Kasse ist, das erst gestopft werden muss“, sagt sie. „So können wir eben manche Sachen, die wir 2021 vorhatten, erst in zwei oder drei Jahren machen.“

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Fotos: Guy Jallay Betty Fontaine will mit ihrer Brasserie Simon unabhängig bleiben.
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