„Wir müssen von unserem Speck leben“
Den Luxemburger Brauereien sind mit der Schließung der Gastronomie die wichtigsten Abnehmer weggebrochen
„Wir navigieren von Tag zu Tag“, sagt Joël Back, der seit 2017 die Mikro-Brauerei „Bare Brewing“betreibt. Normalerweise liefert er 60 Prozent seines Bieres an Restaurants und Kneipen. Dieses Geschäft brach mit der erneuten Schließung der Gastronomie Ende November bereits zum zweiten Mal in diesem Jahr nahezu komplett weg. Hinzu kommt ein umsatzschwacher Sommer, in dem kaum Festivals, Konzerte und weniger private Feiern stattgefunden haben. Zwar sei im ersten Lockdown der Bierabsatz im Einzelhandel im Durchschnitt gestiegen, sagt Mathias Lentz, Präsident der „Confédération des brasseries et des brasseurs du Luxembourg“. Aber das sei bei Weitem nicht genug, um die Verluste in den anderen Bereichen auszugleichen. „Die Leute trinken zu Hause anders als in Bars und Kneipen. Da ist immer noch die Frau oder der Mann dabei und sagt: ‚Jetzt hast du aber genug getrunken‘“, scherzt Lentz, der auch für das Frankreichgeschäft der „Brasserie Nationale“zuständig ist. Auch die mit 155 000 Hektoliter Produktionsvolumen größte Luxemburger Brauereigruppe, zu der Bofferding, Battin, Funck-Bricher gehören, beklagt einen Umsatzeinbruch im Horesca-Sektor von ungefähr 50 Prozent, sagt Lentz.
Besonders die Kleinen leiden
„Auch wenn die Leute zuhause ein paar Flaschen mehr trinken, dann ist das nichts im Vergleich zu großen Festen und Festivals, wo wir in 50-Liter-Fässern rechnen“, sagt auch Betty Fontaine, Generaldirektorin der Brasserie Simon in Wiltz. Hinzu kommt, dass in Restaurants und auf Feiern nicht nur mehr Bier getrunken wird, die Gewinnmargen sind auch besser als im Supermarkt, sagt Lentz. Fassbier ist gerade für kleinere Brauereien leichter abzufüllen, was mit geringeren Kosten verbunden ist.
Auch wenn viele Gaststätten jetzt im erneuten „LockdownLight“auf Hauslieferungen setzen, kommt dabei kaum etwas für die Brauereien rum. „Im Restaurant haben die Gäste häufig ein paar Flaschen Bier zum Essen getrunken, nach Hause bestellen sie sich in der Regel nur noch ein Hauptgericht“, sagt Lentz. „Natürlich haben die Restaurants jetzt die Priorität, ihr Essen trotz allem zu verkaufen, der Bierabsatz interessiert sie weniger. Da müssen die Brauereien kreativ werden, zum Beispiel
Mathias Lentz, Präsident des Brauereiverbandes.
indem sie zusammen mit den Wirten Aktionen starten, dass die Kunden zum Menu immer noch eine Flasche Bier dazu erhalten.“
Insgesamt ist es für die großen Brauereien etwas leichter, die enormen Einbrüche zu verkraften. „Natürlich ist auch für uns alles andere als einfach“, sagt Wim Gallet, Country Director Luxembourg der belgischen ABInBev-Gruppe, zu der auch die Brasserie de Luxembourg mit den Marken Diekirch und Mousel gehört. „Aber wir haben
den Vorteil, dass wir eine größere Präsenz im Einzelhandel haben. Die kleineren Produzenten sind stärker abhängig von der Gastronomie“, sagt er.
Zur Zeit des ersten Lockdowns im Frühling sei die Solidarität mit den kleineren lokalen Brauereien sehr groß gewesen, sagt Joël Back. Über die Online-Plattform Letzshop, auf der Luxemburger Geschäfte ihre Produkte verkaufen können, habe sein Betrieb zunächst viel absetzen können. Mit dem Ende der Einschränkungen seien die Verkaufszahlen über die Plattform dann aber wieder auf annähernd null gefallen. „Am Anfang gab es eine Bewegung, dass jeder die kleinen lokalen Läden unterstützen wollte. Ab dem Moment, wo die Geschäfte aber wieder aufgingen und alles halbwegs normal lief, war das alles wieder vergessen“, sagt er. Auch die Bank, die anfangs großzügig die Kreditzahlungen für drei Monate aussetzte, sei inzwischen zum „Business as usual“zurückgekehrt.
Keine weitere Konsolidierung
Einen Vorteil sieht er aber in der höheren Flexibilität der kleinen Brauereien. So habe er neue Biere herausbringen können, die von den Kunden gut angenommen wurden. „Das hat uns wirklich geholfen.“Darüber hinaus habe er auch im Auftrag größerer Brauereien Bier gebraut. „Durch dieses Kontraktbrauen haben wir die Auslastung unserer Kapazitäten erreicht, obwohl wir für uns selbst weniger herstellen“, sagt er.
Dass es durch die Krise mittelfristig zu einer weiteren Konsolidierung des Luxemburger Biermarktes kommen könnte, bei der die Großen die Kleineren schlucken, halten die Branchenkenner für unwahrscheinlich. „Es wird sicherlich einige kleinere Brauereien geben, die durch die Krise bankrott gehen, aber kleine Betriebe wie wir sind für die großen Gruppen uninteressant“, sagt Back.
Von den größeren Luxemburger Brauereien sei die Brasserie Simon „die einzige, die noch geschluckt werden könnte“, sagt Betty Fontaine. „Aber wir sind nicht zum Schlucken da. Wir machen auf jeden Fall weiter so wie bisher“, versichert sie. Fontaine rechnet damit, dass auch die ersten sechs Monate im neuen Jahr ähnlich schwierig werden wie 2020, weil viele Feste weiterhin ausfallen werden. Ab Juli sei vielleicht wieder mit einem normalen Geschäft zu rechnen. „Das erste Halbjahr wird sehr schwierig werden. Wir müssen dann eben von dem Speck leben, den wir uns in den letzten Jahren angefressen haben. Natürlich werden wir auch Investitionen nach hinten schieben müssen, weil ein Loch in der Kasse ist, das erst gestopft werden muss“, sagt sie. „So können wir eben manche Sachen, die wir 2021 vorhatten, erst in zwei oder drei Jahren machen.“