Ungeduldige Sportler
Eine junge Schwimmerin wendet sich an die Regierung, Heinz Thews vom COSL teilt einige Sorgen
Lis Léonard spricht vielen Sportlern aus dem Herzen. Die 15-jährige Schwimmerin schrieb vor knapp zwei Wochen einen Brief an die Minister Xavier Bettel, Paulette Lenert und Dan Kersch – also vor den gestern in Kraft getretenen Maßnahmen, die das Training bis zum 10. Januar nur den Elitesportlern erlauben.
Doch schon vorher war Sport in geschlossenen Räumen verboten. Léonard hofft, vor Mitte Januar wieder trainieren zu dürfen. Der Tenor: Man habe sich lange an strenge Regeln gehalten, doch nun kein Verständnis mehr dafür, dass man seinen Sport nicht ausüben darf.
Wir sind froh, dass ein kleiner Kreis die Möglichkeit hat, zu trainieren. Dieser Kreis muss auch begrenzt sein. Heinz Thews, COSL
Léonard führt das Argument einer Expertin an, die erklärt, beim Schwimmsport wäre ausschließlich das Abstandhalten wichtig, weil das Virus im Chlor des Schwimmbeckens nicht überleben würde.
Heinz Thews kann solche Reaktionen verstehen. „Zu Beginn der Pandemie war der Schulsport komplett aus dem Rennen, aber der private Sport hatte noch einige Möglichkeiten. Nun ist es eigentlich umgekehrt. Das ist sehr schwierig. Ich kann gut nachvollziehen, wenn sich Sportler mit Briefen an alle möglichen Personen wenden, von denen sie erwarten, dass sie eventuell helfen könnten“, meint der Technische Direktor des Nationalen Olympischen Komitees COSL.
Problem für den gesamten Sport
Training ist zurzeit nur für Elitesportler in der Coque möglich. Zu der Trainingsgruppe gehören die Mitglieder des Elite- und Promotionskaders des COSL, die Sportsoldaten sowie Athleten mit Olympiakontrakt. Alles läuft unter strengen Regeln ab. „Der gesamte Sport hat ein Problem, auch im Hinblick auf die Olympiavorbereitung. Da sind wir noch froh, dass ein kleiner Kreis die Möglichkeit hat, zu trainieren. Dieser Kreis muss auch begrenzt sein. Ansonsten liegt der Sport brach, und das ist eine schwere Hypothek“, meint Thews. Léonard schreibt in ihrem Brief, in den ersten Monaten der Pandemie seien sie und ihre Kameraden aus dem Schwimmsport zwar Laufen gegangen, wären Rad gefahren und hätten Workouts zu Hause gemacht, doch: „Nichts ersetzt das Training im Wasser.“
Als die Schwimmbäder wieder geöffnet hätten, habe man sich an strenge Regeln gehalten. „Ab September haben wir uns wieder auf die Wintermeisterschaften, das Euro-Meet, das CIJ-Meet und andere Wettkämpfe vorbereitet“, schreibt Léonard. „Auch wenn es schwer war, die Motivation in den vorhergehenden Monaten hochzuhalten, hatten wir wieder Ziele vor Augen und waren motiviert.“
Sie bemängelt, dass bereits viele junge Sportler dem Schwimmsport verloren gegangen seien. Am Ende des Briefes will Léonard wissen, ob sich überhaupt jemand Gedanken darüber gemacht hat, welche Konsequenzen dies auf die Zukunft der Jugendlichen haben könnte.
Damit spricht sie ein Phänomen an, das Thews und dem COSL besondere Sorgen bereitet: „Die Vereine und Verbände verlieren Mitglieder und Nachwuchsgruppen dünnen sehr stark aus, weil das Interesse verloren geht. Das wird ein ganz großes Problem für die Zukunft. Erst wenn die Pandemie komplett vorbei ist, werden wir sehen, wie stark diese Einbrüche sind. Es gibt identische Meldungen aus dem Ausland. Das wird ein gewaltiger Einschlag in die Sportkultur.“Léonard fragt, warum man nicht einfach die Restriktionen wieder hätte verschärfen können, statt das Schwimmen komplett zu verbieten: „Das wäre natürlich nicht optimal, aber auf jeden Fall besser als jetzt!“Bei ihrem Verein Swimming Luxembourg habe es nie einen positiven Fall gegeben, doch das nütze dem Club nun trotzdem nichts.
Das Verständnis fehlt
Da es im Schwimmsport kein Cluster gäbe und sich die Vereine und der Verband akribisch an die Regeln gehalten hätten, hätte sie überhaupt kein Verständnis für die aktuelle Regeln. Beim COSL sieht man es etwas differenzierter. Thews betont: „Wir können die Schritte der Regierung absolut nachvollziehen. Wir verfolgen die täglichen Infektionszahlen, die definitiv zu hoch sind. Die Regierung hat alle nötigen Informationen als Entscheidungsbasis, deshalb muss man ihr vertrauen. Und das tun wir beim COSL.“
Allerdings glaubt Thews wie die junge Schwimmerin Léonard, dass der Sport eher ein Teil der Lösung sein könnte als ein Teil des Problems. „Die Hygienekonzepte der Verbände waren und sind sehr gut aufgestellt, das Risiko ist minimal. Wir haben Empfehlungen herausgegeben, die auf internationalen Erkenntnissen basieren. Wir hatten verantwortliche und gute Lösungen, da wollen wir wieder hinkommen“, sagt der Technische Direktor des COSL.
Und weiter: „Wir sind der Meinung, dass das Infektionsgeschehen nicht durch das Sporttreiben angefeuert wird. Das ist die Argumentation, die wir anbringen. Wir sind überzeugt, dass der Sport unter gewissen Maßnahmen mit den Grundregeln der Regierung korrespondiert und glauben, dass er extrem helfen könnte, die mentalen Probleme abzufedern, die teilweise durch diese lang andauernde Pandemie entstehen. Er bietet die Möglichkeit zur Entspannung und Ablenkung.“
Gut durchgekommen
Es ist aber nicht alles schlecht in der nationalen Sportwelt. Laut Thews seien zumindest die luxemburgischen Spitzenathleten recht gut durch die Pandemie gekommen: „Topsportler im Ausland hatten da schon etwas mehr Einschränkungen. Das ist zumindest das Feedback, das wir bekommen. Aber natürlich haben alle den Drang, wieder in die Wettkämpfe einzusteigen.“
Das gilt nicht nur für die Olympiakandidaten, sondern auch für junge Sportler wie Lis Léonard. Sie fordert, schon vor dem Stichdatum im Januar wieder ins Schwimmbecken steigen zu können. Und Thews meint: „Wir hoffen alle, dass wir Mitte Januar wieder in jene Situation zurückkommen, in der der Sport in Eigenverantwortung und Eigenkontrolle funktioniert hat.“
Erst wenn wir ganz durch diese Pandemie durch sind, werden wir sehen, wie stark diese Einbrüche waren. Heinz Thews, COSL