Kurz und desaströs
Nach dem Rückzug des Rechteinhabers Mediapro bangt Frankreichs Fußball um seine Existenz
In diesen schwierigen Zeiten freut man sich selbst über kleine Gaben, zumal so kurz vor Weihnachten. So nahm auch die LFP vor einigen Tagen erfreut den Eingang von 64 Millionen Euro auf seinen Konten zur Kenntnis. Erfreut und erleichtert, denn es war die erste Zahlung des spanischen Medienkonzerns Mediapro an die französische Fußball-Profiliga – und soll zugleich die vorletzte sein. Denn wenn sich am heutigen Mittwoch die 20 Vereine der Ligue 1 zum 17. Spieltag der Saison gegenüberstehen, dann wird eine kurze Ära zu Ende gehen.
Es ist nämlich gerade einmal vier Monate her, da startete Mediapro mit großem Tamtam und noch größeren Hoffnungen sein französisches Abenteuer. Der Konzern mit Sitz in Barcelona hatte im Jahr 2018 den Löwenanteil der Fernsehrechte an der Ligue 1 und Ligue 2 für die Spielzeiten 2020 bis 2024 erstanden, für knapp 800 Millionen Euro pro Jahr.
Schnelle Ernüchterung
Zusammen mit den Nebenrechten würde jährlich mehr als eine Milliarde Euro in die Kassen gespült, entsprechend groß war die Euphorie bei den Clubs. Endlich hatte man finanziell zu den Big Four des europäischen Fußballs aufgeschlossen, also den Ligen aus England, Spanien, Deutschland und Italien. Dieser finanziellen Aufholjagd sollte, so das Kalkül, bald auch die sportliche folgen.
Allein, der Champagnerlaune machte bald Ernüchterung, ja Katerstimmung Platz. Denn schon während der Vorbereitungen für die Übertragung knirschte es gewaltig: Erst wenige Monate vor Sendebeginn wurden der neue Fernsehsender Téléfoot aus dem Boden gestampft und Verträge mit Internetanbietern abgeschlossen. Als die Saison im August startete, mussten die meisten Fans auf Livespiele im Fernsehen verzichten, da sich ihre Webprovider noch nicht mit Mediapro geeinigt hatten.
Im Oktober wurde auch die LFP jäh aus ihren goldenen Träumen gerissen, als die Spanier die fällige Rate über 172,3 Millionen Euro nicht bezahlten. Die Begründung: Durch die Corona-Epidemie habe der Sendeinhalt Fußball an Wert verloren, weshalb über den Kaufpreis für die Übertragungsrechte neu verhandelt werden müsse. Da die LFP ablehnte, behielt Mediapro im Dezember auch die nächste Rate über 152,5 Millionen Euro ein.
Verkalkuliert
Tatsächlich hatte sich der Konzern, der in Spanien erfolgreicher Partner von La Liga ist, mit seinem französischen Engagement schlicht verkalkuliert. Statt der benötigten 3,5 Millionen Abonnenten war gerade einmal ein Zehntel bereit, die 25 Euro monatlich für ein Abo zu bezahlen.
Deshalb beantragte Mediapro ein gerichtliches Schlichtungsverfahren, dessen Ergebnis am gestrigen Dienstag offiziell vom Handelsgericht in Nanterre (Großraum Paris) bestätigt wurde. Demnach erhält die LFP nicht nur die Fernsehrechte zurück, sondern auch die eingangs erwähnte Entschädigungszahlung von 64 Millionen Euro, zu denen im kommenden Jahr weitere 36 Millionen Euro hinzukommen. Im Gegenzug verzichtet der Ligaverband auf rechtliche Schritte gegen den säumigen Ex-Partner.
Wie es nun weitergeht, werden bereits die nächsten Tage zeigen müssen. Denn die Ligue 1 beendet ihre Winterpause schon am 6. Januar. Bis dahin muss sich die LFP mit einem neuen Partner geeinigt haben, entweder durch eine – zeitaufwendige – öffentliche Ausschreibung oder die direkte Verhandlung mit verschiedenen Interessenten.
Vorgeschmack
Als aussichtsreichster Kandidat gilt der Bezahlsender Canal Plus, der jahrzehntelang die Fernsehrechte innehatte. Auf alle Fälle muss sich der französische Fußball auf deutlich geringere Erlöse einstellen, da die Verhandlungsposition der LFP aufgrund des Zeitdrucks mehr als geschwächt ist.
Die durch die coronabedingten Zuschauerverbote in den Stadien ohnehin arg gebeutelten Vereine erwartet ein weiterer finanzieller Nackenschlag, von dem sich so mancher nicht erholen dürfte.
Ein erster Vorgeschmack: Vor einigen Tagen verkaufte der Luxemburger Gerard Lopez seine Anteile am Lille OSC, um den Club vor der Zahlungsunfähigkeit zu retten. Der französische Fußball ist in eine Existenzkrise geschlittert, in der nur eines sicher scheint: Kleine Gaben werden ihn nicht retten.