Der Impfmarathon
Gespräch zur Impfstrategie mit dem Hohen Kommissar der nationalen Sicherheit, Luc Feller
Luc Feller (46) ist Jurist und war zehn Jahre lang beigeordneter Generalsekretär im Staatsministerium, bevor er andere Aufgaben übernahm – unter anderem im Bereich nationale Sicherheit. Seit November 2016 ist er Chef des Haut Commissariat de la Protection Nationale (HCPN) – eine Instanz, die dem Staatsministerium angegliedert ist und Empfehlungen erteilt. Das Hohe Kommissariat wird in Krisensituationen tätig, wenn schnelle und Not-Entscheidungen getroffen werden müssen, wenn mehre Verwaltungen betroffen sind, die koordiniert werden müssen und wenn vitale Interessen von Teilen der Bevölkerung gefährdet sind. Feller ist zusammen mit Gesundheitsministerin Paulette Lenert (LSAP) Co-Präsident der Krisenzelle im Gesundheitsministerium. Daneben ist er Gemeinderatsmitglied in Mamer und übernimmt im Januar den Posten des Schöffen. „Das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Ich war schon sechs Jahre lang Schöffe und kenne den Arbeitsaufwand”, sagt er auf die Frage hin, ob die beiden Posten vereinbar sind.
Luc Feller, am 28. Dezember soll die Impfkampagne anlaufen. Wie muss man sich das vorstellen?
Die Impfkampagne wird wohl in drei Phasen ablaufen. Die erste Phase wird beginnen, wenn wir wissen, wie viel Impfstoff wir bekommen. Das Vakzin von Biontech/Pfizer bekam zwar die EUZulassung, aber Pfizer muss noch die Zusage geben, wie viel Impfstoff abgegeben wird. Diese Daten ändern sich derzeit noch jede Stunde. Abhängig davon werden wir also auch die Impfzentren nach und nach öffnen. Dann hoffen wir, dass wir im Frühjahr in eine zweite Phase kommen, wo mehr Impfstoffe verfügbar sind und auch mehr Impfzentren geöffnet werden können. Wir schauen dann aber auch, inwieweit die Krankenhäuser bei der Impfung mithelfen können.
Und dann kommt die Massenimpfung?
Ja, das ist die dritte Phase. Wie wir sie handhaben, hängt auch von den Charakteristika der Impfstoffe ab. Im Moment lassen wir die Leute zu uns in die Impfzentren kommen, weil der Impfstoff von Biontech/Pfizer wegen der erforderlichen Temperatur ganz komplex ist, was den Transport, die Lagerung und die Handhabung anbelangt. Andere Impfstoffe sind komplex, weil der eine in einer Ampulle geliefert wird, in der fünf Dosen enthalten sind, andere sind in Ampullen mit zehn oder zwanzig Dosen. Um eine richtige Massenimpfung zu erreichen, brauchen wir ein auf dem Markt zugelassenes Vakzin, das in einer Einzeldosis kommt und bei normalen Temperaturen gelagert werden kann. Dann können die Leute in die Apotheke gehen, sich ihren Impfstoff abholen und ihn sich beim Hausarzt verabreichen lassen. Mit den Hausärzten bekommen wir Vektoren, die wir mit einem Impfzentrum niemals erreichen können. Man kann sich aber auch zum Beispiel vorstellen, mit den Laboren zusammen zu arbeiten, weil sie sehr breit über das Land verteilt sind. Wir hoffen, in der dritten Phase, Impfstoffe zur Verfügung zu haben, die eine möglichst große Nähe zum Bürger zulassen.
Was ist denn nun genau in der ersten Phase geplant?
Abhängig von der Entscheidung der Regierung, welche Leute prioritär geimpft werden sollen, ist vorgesehen, an drei Örtlichkeiten zu impfen: In den Impfzentren, in den Spitälern, die ihr Personal im Prinzip dann selber impfen, und im Januar in den Alten- und Pflegeheimen zusammen mit den mobilen Einsatzteams. Das sind alles Plätze, die den komplexen, logistischen Herausforderungen des ersten Impfstoffs gerecht werden.
Und Sie als HCPN machen die ganze Planung, Logistik und alles, was daran hängt?
Es ist eine riesige Mannschaft, die zusammen daran arbeitet. Ich bin ja mit der Gesundheitsministerin Paulette Lenert Co-Präsident der Krisenzelle. Die besteht aus eine Vielzahl an Arbeitsgruppen, darunter natürlich auch eine für die Impfung, die ich zusammen mit Frau Lenert, dem Gesundheitsdirektor Jean-Paul Schmit und anderen Leuten koordiniere. In dieser Arbeitsgruppe gibt es natürlich verschiedene Stränge – einen für die Impfstrategie, einen für die Verhandlungen mit der Europäischen Kommission, einen für die Kommunikation und natürlich auch einen, der für die ganze Logistik zuständig ist, wie die Impfzentren und die mobilen Mannschaften planen oder die Terminvergabe organisieren. Dafür sind wir zuständig.
Wie viele Impfzentren sind denn nun insgesamt vorgesehen?
Wie lange überhaupt in wie vielen Impfzentren geimpft wird, hängt von drei Faktoren ab. Erstens wie gesagt von der Art des Impfstoffs: Wann kann ich mit meiner Einzeldosis zum Arzt gehen? Denn so viele Impfzentren wie Arztpraxen werde ich nie im ganzen Land errichten können. Dann kommt es auf die Quantität an Vakzinen an, die wir erhalten. Wir kaufen sie ja nicht, um sie zu horten, sondern um sie nach und nach und je nach Priorität, die die Regierung vorgibt, unter die Leute zu bekommen. Da werden wir so lange es nötig ist mit Impfzentren arbeiten. Drittens hängt es aber von den Personalressourcen ab. Wir können nicht unendlich Impfzentren öffnen.
Was braucht es denn für ein Impfzentrum?
Eine Impfstraße besteht aus einem Empfang, einer Registrierung, einer medizinischen Abklärung, der Impfung selber und einer Ruhezone. Meine Grenzen liegen wahrscheinlich bei denen, die impfen – bei den Krankenpflegern. Wir haben einen Aufruf bei den Ärzten in der sanitären Reserve gemacht und auch viel Echo erhalten, aber irgendwo stoßen wir an unsere Grenzen – sei es durch die Ärzte, die fehlen oder die Pflegepersonen.
So viele Impfzentren wie Arztpraxen werde ich nie im ganzen Land errichten können.
Wir impfen ein Cipa nach dem anderen durch.
Aber ist eine Massenimpfung nicht effizienter als ein Mediziner in seiner Praxis? Was schafft der? Zehn bis 20 Leute an einem Vormittag? Er muss ja auch registrieren, Fragebögen ausfüllen, aufklären und impfen.
Das ist richtig, aber wir sprechen hier von einem Langstreckenparcours – man soll nicht meinen, dass man in den Impfzentren 20 000 Leute am Tag geimpft bekommt. Nur ein Beispiel: In der Victor-Hugo-Halle haben wir 16 Impfstraßen, was relativ viele sind. Wir können aber nur die Hälfte nutzen, weil im Moment lauter Impfstoffe auf den Markt kommen, die in zwei Dosen innerhalb von vier Wochen verabreicht werden müssen. Ich öffne in den ersten drei Wochen also nur acht Straßen, weil in der vierten Woche die ersten Personen wieder kommen, die die zweite Dosis brauchen. Ich fahre also immer nur mit der halben Kapazität oder anders ausgedrückt, ich impfe nicht 620 000 Leute, sondern 1,2 Millionen. Das bringt mit sich, dass wir nicht schnell vorankommen, ich denke also, dass wir ein Zusammenspiel von Arztpraxen und Impfzentren und eventuell Laboren brauchen. Es ist ganz richtig, dass ich in einem Impfzentrum viel mehr Leute schaffe als ein Arzt alleine in seiner Praxis. Wenn aber in 350 Praxen geimpft werden kann, ist das ein multiplizierender Faktor, auf den wir nicht verzichten können.
Wie gehen Sie in den Alten- und Pflegeheimen vor? Nach dem Alter oder dem Haus – ist da schon eine Entscheidung gefallen?
Wir impfen ein Altenheim nach dem anderen durch und sind im Gespräch mit dem Familienministerium, der Copas und Servior. Sie bestimmen, welche
bestücken können. Das Personal, das den Flaschenhals bildet, werden die Ärzte und Pfleger sein und ich weiß nicht, ob ich einfach so im Ausland welche verpflichtet bekomme.
Was ist die größte Herausforderung? Wahrscheinlich die Terminvergabe für die zweite Impfung, denn dafür haben Sie ja nur ein kurzes Zeitfenster von drei Tagen.
Bei verschiedenen Impfstoffen muss sogar auf den Tage genau am 21. Tag geimpft werden, da gibt es gar kein Zeitfenster. Das ist in der Tat das schwierigste an der Organisation – die Verwaltung der Termine. Wir haben lange darüber nachgedacht und vergeben jetzt mit dem ersten Impftermin den zweiten gleich mit.
Das heißt, wenn Sie den ersten Termin am 5. Januar um 10 Uhr in der Victor-Hugo-Halle haben, bekommen Sie automatisch den zweiten am 26. Januar um 10 Uhr dort gleich mit. Wenn Ihnen der zweite nicht passt, können Sie den ersten auch nicht nehmen.
Praktisch läuft das so ab, dass Sie zum Zentrum kommen und Ihnen der Arzt nach dem Gespräch eine Impfverschreibung ausfüllt, welchen Stoff Sie wann bekommen haben. Dort ist der zweite Termin aufgeführt und damit gehen zur Pflegeperson und werden geimpft. Wenn man davon ausgeht, dass irgendwann verschiedene Impfstoffe verfügbar sind, die