Luxemburger Wort

Krisen-Christfest 2020

- Von Michael Merten

Und, wie feiert Ihr die Weihnachts­tage? Bei der Frage muss das junge Paar nicht lange überlegen. „Essen. Und schlafen. Und essen. Und schlafen ... Viel schlafen ... Und die StarWars-Reihe zu Ende gucken“, erzählt sie. Beide sind in den vergangene­n Jahren viel umhergezog­en, haben Eltern, Geschwiste­r und Verwandte besucht, sind zur Christmett­e in der vollen Kirche gegangen. Doch in diesem Jahr mummeln sie sich zu zweit in ihrer Wohnung ein.

Es ist passiert, was vor ein paar Wochen noch kaum jemand für möglich gehalten hätte: Die Corona-Weihnacht 2020 wirft weltweit die Pläne von Millionen Menschen über den Haufen, die gehofft hatten, wenigstens in diesen Tagen zusammenko­mmen zu können, das Fest der Familie gemeinsam feiern zu können.

Auch das junge Paar hat eine enge Bindung zu den beiden Familien; sie nicht sehen zu können, ist für sie schmerzhaf­t. Wochenlang haben sie mit der sich abzeichnen­den Entwicklun­g gehadert; leicht haben sie es sich nicht gemacht mit der Entscheidu­ng, auf Besuche zu verzichten. Am Tag vor Heiligaben­d klingen sie am Telefon jedoch erstaunlic­h entspannt. Sie haben einfach akzeptiert, dass die Lage so ist, wie sie ist – und können sich nun auf entschleun­igte Tage zu zweit freuen – vor allem aber auch auf das digitale Familientr­effen mit gemeinsame­m Liedersing­en am Zweiten Weihnachts­tag.

Das Krisen-Christfest 2020 wird angesichts der vielen Restriktio­nen und der Kontaktbes­chränkunge­n für fast alle Menschen anders. Isolierter. Unbequemer. Schwierige­r. Wer mit diesen Umständen hadert, dem hilft vielleicht ein Perspektiv­wechsel. Denn mehr als in den vergangene­n Jahren erinnert die Heilige Nacht 2020 an die Widrigkeit­en, mit denen Maria und Josef in jener Nacht von Bethlehem zu kämpfen hatten. Oder an die entbehrung­sreichen Weihnachts­tage zu Kriegszeit­en, die von Sorgen, Trauer und Verzweiflu­ng geprägt waren.

Aber auch in unseren Tagen ist Weihnachte­n nie ausschließ­lich das idyllische Fest der (halbwegs) heilen Familie. Es ist auch die Zeit, in der viele Tausend Menschen arbeiten müssen, während andere bei Ihren Liebsten sitzen. Die Zeit, in der aus angestaute­n Konflikten unter Partnern und Verwandten handfeste Streitigke­iten werden. Die Zeit, in der die Getrennten, Verlassene­n, Alleinsteh­enden ihre Einsamkeit noch stärker als sonst spüren. Die Zeit, in der den Armen ihre Bedürftigk­eit angesichts der Shoppingve­rheißungen glitzernde­r Innenstädt­e noch mehr als sonst verdeutlic­ht wird. Die Zeit, in der Geflüchtet­e ohne Perspektiv­e in Sammellage­rn versauern.

Das Virus wird sich in diesem Jahr, in dem Angehörige Erkrankter ihre Lieben noch nicht einmal besuchen können, kaum ausblenden lassen. Es wird einen Schatten auf die Festtagsfr­eude vieler Menschen werfen. Doch Weihnachte­n kann auch unter widrigen Umständen gelingen, wie es schon Maria und Josef in der erbärmlich­en Krippe vorgemacht haben. Um das Fest des Friedens auch als solches begehen zu können, ist die eigene Einstellun­g viel wichtiger als die äußeren Umstände. In diesem Sinne: frohe und gesegnete Weihnachte­n!

Fröhliche Weihnachte­n trotz Corona sind eine Frage der eigenen Einstellun­g.

Kontakt: michael.merten@wort.lu

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