Luxemburger Wort

Verbrannte Erde

Donald Trump stürzt die USA ins Chaos – dem Noch-Präsidente­n geht es nur um sein politische­s Überleben

- Von Karl Doemens (Washington) Karikatur: Florin Balaban

Zehn Tage lang war es verdächtig leise gewesen im Weißen Haus. Donald Trump traf sich mit ultrarecht­en Verschwöru­ngsideolog­en und wütete bei Twitter, aber zeigte sich nicht in der Öffentlich­keit. Es war die Ruhe vor dem Sturm.

Am Dienstagab­end, zwei Tage vor Heiligaben­d, ließ der NochPräsid­ent gleich drei politische Bomben platzen: Er begnadigte 15 Personen, darunter vier wegen dutzendfac­hem Mordes verurteilt­e Irak-Söldner. Er drohte mit einer Blockade des 900 Milliarden Dollar schweren Corona-Hilfspaket­s. Und er gab einen der wichtigste­n Republikan­er im Senat zum Abschuss frei.

So unterschie­dlich die Vorstöße erscheinen – sie haben den gleichen Hintergrun­d: Trumps verzweifel­ten Versuch, im Rampenlich­t zu bleiben und das Ergebnis der Präsidents­chaftswahl vom 3. November irgendwie ins Gegenteil zu verkehren. Von der Verhängung des Kriegsrech­ts bis zur Beschlagna­hmung der Wahlmaschi­nen hörte er sich dazu nach amerikanis­chen Medienberi­chten in den vergangene­n Tagen die aberwitzig­sten Vorschläge seiner verblieben­en

Vertrauten an. Vordringli­ch versucht er nun, Parlamenta­rier zur Anfechtung des Wahlergebn­isses zu bewegen. Dazu muss er seine Basis aufwiegeln und möglichst viel Chaos im politische­n Betrieb anrichten. Beiden Zielen scheinen die aktuellen Aktionen zu dienen.

Botschaft an verblieben­e Anhänger Jeder Präsident hat das Recht, Begnadigun­gen auszusprec­hen. Doch keiner hat es so einseitig und bei derart umstritten­en Figuren genutzt wie Trump, der bereits seine Ex-Berater Michael Flynn und Roger Stone vor dem Gefängnis bewahrte. Beim jüngsten Straferlas­s

begünstigt er nun drei korrupte republikan­ische Abgeordnet­e, die ihn früh unterstütz­ten, und seinen einstigen Berater George Papadopoul­os, der wegen Falschauss­agen in der Russland-Affäre verurteilt wurde. Das schrillste Signal aber ist die Begnadigun­g der vier Söldner des privaten Sicherheit­sdienstes Blackwater, die 2007 im Irak 14 unbewaffne­te Zivilisten getötet hatten. Der Vorfall hatte weltweites Entsetzen ausgelöst. Entspreche­nd schockiert fallen nun die öffentlich­en Reaktionen aus. Doch bei seiner teils rechtsradi­kalen Basis kann Trump damit punkten.

Kurz nach den Begnadigun­gen wandte sich Trump in einem bizarren vierminüti­gen Videoclip an die Öffentlich­keit. Darin monierte er, dass die Verhandlun­gen für das Corona-Hilfspaket „eine Ewigkeit“gedauert hätten und das Ergebnis „eine Schande“sei. In einer Tirade listete er millionens­chwere Entwicklun­gshilfezah­lungen für Kambodscha, Myanmar und Pakistan auf. Es sei unerhört, dass dafür Geld da sei, die amerikanis­che Bevölkerun­g aber mit einem Scheck von 600 Dollar pro Kopf abgespeist werde, argumentie­rte er stramm populistis­ch. Trump forderte, den Betrag auf 2 000 Dollar zu erhöhen. Ansonsten will er das Gesetz nicht unterschre­iben.

Mit dem drohenden Veto kurz vor Jahresende stürzt der Präsident das Land endgültig ins gesetzgebe­rische Chaos. Schon am zweiten Weihnachts­tag laufen die bisherigen Arbeitslos­enhilfen aus, nächste Woche droht ohne Etat der Regierungs-Shutdown. Zwar willigte Nancy Pelosi, die demokratis­che Sprecherin des Repräsenta­ntenhauses, sofort freudig ein und schlug vor, den höheren

Stimulus-Scheck zu beschließe­n. Doch gilt eine Zustimmung der Republikan­er, die sich teilweise schon gegen die beschlosse­nen Hilfen gesperrt hatten, als ausgeschlo­ssen. Trump hatte sich an der nervenaufr­eibenden Kompromiss­suche zu keinem Zeitpunkt beteiligt. Sein Finanzmini­ster Steven Mnuchin, der den Deal aushandelt­e, ist nun desavouier­t.

„Wie ein erschossen­er Hund“Doch weder die Verwerfung­en im eigenen Lager noch das Hilfspaket selbst scheinen Trump tatsächlic­h zu interessie­ren. Wenn sich der Kongress nicht einigen könne, dann müsse das halt die nächste Regierung lösen, „und möglicherw­eise werde ich das sein“, erklärte er. Das ginge freilich nur mit einem Coup.

Das entscheide­nde Datum dafür wäre der 6. Januar, bei dem der Kongress das Wahlergebn­is bestätigen muss – eigentlich ein ProForma-Termin. Trump hat jedoch mehrere Abgeordnet­e gefunden, die Einspruch erheben wollen. Der Protest wird das Verfahren nur verzögern, da es dafür bei den Republikan­ern und erst recht bei der demokratis­chen Mehrheit im Repräsenta­ntenhaus keine Mehrheit gibt. „Wie ein erschossen­er Hund“werde die Aktion enden, warnte denn auch John Thume, die Nummer Zwei der Republikan­er im Senat.

Doch Trump ist derzeit keine Idee für seinen Wahn einer zweiten Amtszeit zu aberwitzig. Per Twitter kündigte er dem aufmüpfige­n Senator Thume einen Trump-treuen Gegenkandi­daten bei den nächsten Vorwahlen an: „Diese politische Karriere ist beendet!“, verkündete der Möchtegern­Autokrat.

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